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Rock  Magazin

Interview mit Peter Freudenthaler (Fools Garden)

Hinter den Kulissen #03
Interview mit Peter Freudenthaler (Fools Garden)


"Sag ihm, er soll Milch mitbringen!" oder: ein Lied geht um die Welt.



Donnerstagabend, 17:40 Uhr; die Frisur sitzt.
Ich komme von der Arbeit nach Hause und sehe Licht in der Küche. Der Backofen arbeitet, es gibt Pizza.
Ja, heute muss es schnell gehen, Wohnung aufräumen, morgen kommen die Handwerker, Gas-Zentralheizung fürs ganze Haus, man will ja sparen und so, und dann noch schnell das Handy ans Ladegerät, weil mit dem hab ich heute auch noch was vor.
17:50 Uhr: Es duftet nach Röstaromen. Die Pizza ist mehr als fertig. Gut durch, wie man sagt.
Leicht angebrannt, wenn man es genau nimmt.
In zehn Minuten rufe ich bei Peter Freudenthaler an, dem Sänger der Band "Fools Garden", der Lemon-Tree-Mann, der wie ich seinem nativen Dialekt nicht ganz abgeneigte Musiker aus dem glorreichen Süden unseres Landes.
18:00 Uhr: Mein PC läuft erstaunlicherweise ohne größere Schwierigkeiten, mein Aufnahmeprogramm steht im Bereitschaftsmodus, ich wähle Peter's Nummer und warte.
Warte.
Warte.
Die Frisur sitzt immer noch.
Oha. Eine freundliche Frauenstimme meldet sich, ich verleihe meinem Anliegen Ausdruck.
"Ja hallo auch, hier ist Markus Schmitt von myownmusic. Ist Peter da?"
"Öhm... nein. Der isch noch unterwegs. Müsst aber bald wieder komme."
"Ach so", sage ich. "Na, dann probier' ich es einfach später nochmal."
Die Nacht ist ja noch jung...
"Hm", macht die Dame, "hasch Du vielleicht seine Handy-Nummer?"
"Äh... ja, hab ich."
"Ja okay. Du, dann rufsch ihn einfach schnell an und fragsch ihn, wann er wieder da isch, ja?"
"Klar, kann ich machen."
"Und sag ihm, er soll noch Milch mitbringen."
"Äh....? Okay."
Nach dem Gespräch ist es mir plötzlich irgendwie peinlich, Peter Freudenthaler irgendwo unterwegs anzurufen und ihn an die Milch zu erinnern... hallo? Der Mann hat einen der erfolgreichsten Songs geschrieben, die je unser Land verlassen haben, ist mit seiner Band mehr als einmal um die ganze Welt getourt und prominenter, als ich es vermutlich jemals sein werde, da kannste sowas doch nicht bringen... naja gut. Ich schicke Peter eine SMS und teile ihm mit, dass ich ihn leider nicht erreicht habe und mich später nochmal melde. Ich setze noch ein PS drunter und lasse darin die Worte "Milch" und "mitbringen" fallen, für alle Fälle.
Ein Weilchen später ruft er mich dann zurück, entschuldigt sich vielmals für die Verzögerung und macht es sich gemütlich.
Mein PC befindet sich mittlerweile im Standby-Modus, ich mache ein bisschen Smalltalk und versuche dabei, meine Maschine möglichst unauffällig wieder hochzufahren.
"Kann's losgehen?" frage ich.
"Na klar", sagt Peter.


MS: Peter, Du und Fools Garden, Ihr seid jetzt seit 1994 erfolgreich im Geschäft; was war damals los, wie habt Ihr das erlebt?

PF: Da muss ich mal ganz kurz korrigieren; seit 1991 gibt es die Band, und seit 1995 sind wir "im Geschäft". Da fing das an, dass wir plötzlich im Radio gespielt wurden, bei SWF 3 - so hiess der Sender ja damals noch (inzwischen SWR 3, Anm. d. Red.) - seitdem machen wir das Ganze professionell. Bis dahin waren wir auch eine von vielen Amateurbands, die davon geträumt hat, "irgendwann" vielleicht mal ein "bisschen erfolgreich" zu sein. Und dann plötzlich vom stillen Kämmerlein auf die große Bühne - das war schon fast unfassbar.

MS: Ja, das kann ich mir vorstellen. Das ist ja nun auch alles schon ein paar Tage her; der Song, mit dem Euch damals der Durchbruch gelang und mit dem man Euch natürlich auch immer wieder in Verbindung bringt, ist "Lemon Tree". Ein englischer Song einer deutschen Band, der in sehr kurzer Zeit auch international recht erfolgreich war - wie kam es zu dem Durchbruch?

PF: Naja, wie wir damals erfahren haben, ist der deutsche Markt schon in gewissem Maße ein Gradmesser auch für andere Länder; was hier ankommt, funktioniert meist auch in Österreich und der Schweiz, von da aus geht's dann nach Italien und Frankreich, und irgendwann merken dann auch die "Großen" in Deutschland: "Huch, das geht aber ab."
Unsere deutsche Plattenfirma, die Intercord, hatte auch Kontakte zu den Vertretern von EMI, und die haben schliesslich gemerkt, Mensch, das geht ja in Deutschland ziemlich ab, das wollen wir auch haben, und dann haben die angefangen, auch die Radios im Ausland mit der Single zu bestücken. Und innerhalb eines knappen Vierteljahres lief der Song dann europaweit.
Wir wussten damals gar nicht so recht, wo uns der Kopf steht; wir hatten irgendwann mittags noch eine Autogrammstunde in einem Plattenladen in Stuttgart, abends einen Auftritt in München, und danach sind wir direkt nach Paris geflogen, weil da am nächsten Morgen eine Radiosendung war. Abends gings dann direkt weiter nach Stockholm, und von da an waren wir praktisch ein Jahr lang nur noch unterwegs.

MS: Abgefahren!

PF: Jaja. Und in der zweiten Jahreshälfte waren wir dann noch in Südostasien und Südafrika. Das war alles ganz schön spannend!

MS: Mann, da wart Ihr ja ganz schön beschäftigt. Um nochmal zu "Lemon Tree" zurückzukommen: man macht Euch ja immer so ein bisschen an diesem einen Song fest, obwohl es natürlich noch eine Menge andere gibt - mein Lieblingssong war z. B. immer "Wild Days"...

PF: (lacht)...Du, es gibt SO VIELE schöne Lieder von uns! Aber um gleich die Antwort auf die nächste Frage vorweg zu nehmen: es ist völlig okay, eine Band immer mit EINEM Lied in Verbindung zu bringen. Das einzige, was immer ein bisschen nervt, ist die Frage: "Kotzt Euch "Lemon Tree" nicht langsam an?!"

MS: Tut es das?

PF: Überhaupt nicht! (lacht)

MS: Tja, erwischt. Das wäre jetzt auch in der Tat meine nächste Frage gewesen...

PF: Jeder von uns hat begriffen, was uns dieser Song für Möglichkeiten eröffnet hat. So ein Glück hat man selten, dass man aus dem Nichts so einen Hit landet; inzwischen scheint der Song ja schon richtig zu einer Art Evergreen mutiert zu sein; die, die heute jung sind, fahren noch genau so auf den Song ab wie die, die damals jung waren. Von daher ist unser Publikum auch immer ziemlich gemischt. Und das ist nicht nur in Deutschland so, sondern überall in der Welt, wo wir auftreten. Wir wären ja blöd, wenn wir sagen würden "Nee, wir können den Song nicht mehr hören" - also wir mögen "Lemon Tree" und spielen es auch immer noch gerne, jeden Abend wenn es sein muss.
Klar, es gibt Songs, die spielt man lieber; wenn Du jetzt ein neues Album im Gepäck hast, freust du dich natürlich auch, diese Songs endlich mal live zu bringen. Aber trotzdem ist "Lemon Tree" immer noch ein fester Bestandteil jeder "Fools Garden" - Show. Mit vielen anderen Songs - wie Du schon sagtest, "Wild Days", oder "Why Did She Go" oder "Dreaming".
Da wir das große Glück hatten, dass unser Erfolg nicht nur auf den deutschsprachigen Raum begrenzt war, gab es auch ganz woanders noch Hits; zum Beispiel im Baltischen, in Asien oder in Russland - da wurde vor ein paar Jahren "Closer" ein Hit - ein Song, der hier in Deutschland im Radio eigentlich nur unter "ferner liefen" gespielt wurde. Man darf das nicht unbedingt an Verkaufszahlen messen, weil damals in Russland vermutlich schon mehr schwarzkopiert wurde als hier (lacht), aber wenn du da drüben Konzerte spielst, dann kriegst du natürlich mit, welche Songs beim Publikum ankommen und welche vielleicht eher nicht so.
Und selbst diesen Erfolg hatten wir ausschliesslich "Lemon Tree" zu verdanken, der immer eine Art "Türöffner" für uns war.

MS: Ja, das mit dem "Evergreen" - Charakter stimmt schon; ich denke, den Song kennt hier in Deutschland jeder, und viele kennen zumindest die eine oder andere Textzeile oder zumindest das klirrende Glas am Anfang...

PF: (lacht)

MS: Das alles ist ja wirklich schon ein Weilchen her. Mal angenommen, Ihr wärt heute, im Jahr 2010, Newcomer - würde da Euer Einstieg ins Musikgeschäft anders aussehen? Würdet Ihr andere Möglichkeiten nutzen? Wie unterscheiden sich 1995 und 2010 hierbei?

PF: Ach, das werd' ich oft gefragt (lacht). Es gibt Kollegen, die meinen, es wäre früher schwerer gewesen und heute viel einfacher, aber ich persönlich glaube: es ist heute genau so schwer oder genau so einfach, wie es schon immer war. Ich denke, das Wichtigste ist, dass man authentisch bleibt. Dass man das, was man macht, mit Leidenschaft macht, dann wird das schon irgendwie erfolgreich sein. Man sollte Musik immer etwas losgelöst sehen von diesem "medialen" Erfolg und sich fragen: "Warum mache ich das? Was ist mir wichtig? Habe ich dazu die richtigen Leute, spiele ich in einer Band, wo alle an einem Strang ziehen?" Das sollte man alles vorher bedenken.
Man sollte niemals etwas nur des Erfolges wegen machen. Die Leute da draußen, die "Konsumenten", die spüren das, ob du es ernst meinst oder nicht.

MS: Also mit anderen Worten: sich keinen Krampf machen, einfach auf sich zukommen lassen.

PF: Ja genau! Sich nicht verbiegen lassen - auch wenn du jetzt Songs schreibst, die sich nicht dem momentanen Mainstream anpassen - zieh dein Ding durch! Klar, du kannst etwas machen und damit ausschließlich auf kommerziellen Erfolg abzielen; aber wenn du dann mit irgendwas auf der Bühne stehst, mit dem du dich eigentlich nicht identifizieren kannst, wird das glaube ich echt schlimm. Da gibt's ja genügend Beispiele. Roy Black zum Beispiel, von dem man weiß, dass er im Herzen ein echter Rock'n'Roller war, und der Musik machen musste, die ihm eigentlich gar nicht gefallen hat.

MS: Jepp, Roy Black ist da wirklich ein gutes Beispiel. Der ist daran regelrecht kaputtgegangen. Wie siehst du denn generell die Entwicklung in der Musik? Alles wird zur Massenware, alle saugen sich irgendwelche mp3's aus dem Netz oder rippen sich die Tonspuren von Youtube-Videos, kein Mensch kauft mehr CD's, richtige Stars werden gar nicht mehr aufgebaut - was hältst du davon, und was könnte man dagegen tun?

PF: Also ich würde dieses Problem gar nicht nur auf die Musikszene beschränken; ich finde, unsere Zeit ist verdammt schnellebig. Wir machen viel zu viele Dinge gleichzeitig und können uns gar nicht mehr richtig auf eine Sache konzentrieren. Das spiegelt sich natürlich auch in der Musikszene wieder, aber nicht nur da. Ich glaube, es ist einfach alles ein bisschen zu "beliebig" geworden.
Es ist nichts besonderes mehr, eine Platte von X oder Y zu besitzen, die hast du heute ruckzuck von irgendwo her. Vor 20, 30 Jahren war das ein Ereignis, wenn man endlich eine neue Platte gekauft hat, auf die man wochenlang gespart hatte; und heute, da kannst du wirklich ALLES haben, und zwar ÜBERALL. Du kannst mitten im Winter Kiwis essen oder Erdbeeren aus Costa Rica, es ist einfach alles und ständig und überall verfügbar. Ich glaube, das ist nicht gut für unsere Welt; wenn du alles hast, weißt du irgendwann nichts mehr zu schätzen. Ich finde, das nimmt unglaublich viel Lebensfreude. Die Leute haben auf Ihren iPods 4000 Songs, von denen sie wahrscheinlich nur einen wirklich mal zuende hören.
Wir haben ja mit "Fools Garden" noch so ziemlich die letzte Hoch-Zeit der Plattenverkäufe mitgekriegt - auch wenn im Vergleich zu dem, was die Plattenfirma dran verdient hat, das, was für die Band übrig blieb, nicht wirklich ins Gewicht fällt (lacht).

MS: Ja, das mit der Beliebigkeit empfinde ich genau so. "Lemon Tree" war eine von den ersten CD's, die ich mir von meinem eigenen Taschengeld gekauft habe, da musste ich noch Prospekte für austragen, da gabs nix hier von wegen runterladen und so. Da musste man seinen Hintern noch selber zum Promarkt bewegen - den gab es ja damals noch. Und Raider heisst jetzt übrigens Twix ;0)

PF: (lacht) Echt jetzt?!

MS: Ja :0) Sag mal, es ist glaube ich etwa zwei Jahre her, da hatten "Fools Garden" einen Singer- Songwriter-Wettbewerb ins Leben gerufen...

PF: ...ja, da waren wir auf Tour und wollten talentierten jungen Nachwuchskünstlern die Chance geben, bei uns im Vorprogramm ein größeres Publikum zu erreichen. Das wurde ziemlich gut angenommen, hat viel Spaß gemacht und wir bekamen unheimlich viele Bewerbungen. Das Schwierige daran war, die "Besten" auszuwählen, weil die echt alle richtig gut waren.
Es ist ja heute schwierig für junge Künstler, überhaupt an Gigs ranzukommen, auch wenn viele es bereits ohne Bezahlung machen würden; den Veranstaltern geht es ja meist nur darum, was sie selber dran verdienen, nach dem Motto "Wenn nicht genug Leute kommen, dann mach ich keinen Umsatz, dann lohnt sich das für mich nicht, also lassen wir es gleich bleiben."
Das ist ein Teufelskreis, denn Dein Name wird ja nur dann bekannter, wenn du auch die Möglichkeit hast, live vor Publikum zu spielen.
War aber interessant zu sehen, wieviele Künstler aus den unterschiedlichsten Stilrichtungen nach einer Plattform für sich und ihre Musik suchen.

MS: Ist Euch denn der Kontakt zu Newcomern, zur "Basis", wichtig? Erinnert Ihr Euch noch dran, dass Ihr auch mal "solche" wart?

PF: Hm... also wir hatten eigentlich nie das Gefühl, dass wir irgendwie "andere" wären (lacht).
Kontakt zur Basis... hmja... also, wir sind Menschen von diesem Planeten, mehr nicht.
Die Leute denken immer, Stars gehen nie aufs Klo und liegen den ganzen Tag am Strand, trinken irgendwelche Cocktails und lassen die Seele baumeln oder so. Nene.
Wir sind nach wie vor aktiv in der Musikerinitiative in Pforzheim, wo wir natürlich viele alte Bekannte haben, aber auch immer wieder neue Kontakte knüpfen.
Sicher spielt der Zeitfaktor eine große Rolle - man hat nicht mehr so viel Zeit wie früher, alle diese Kontakte zu pflegen. Aber wir haben trotzdem immer im Ohr, was gerade so passiert, deshalb haben wir damals auch diesen Contest gemacht.

MS: Ihr seid also generell offen für Newcomer... mal angenommen, da kommt jetzt einer bei Euch an, klingelt bei Dir oder so, und sagt: "Mensch, Peter, ich hab da so 'nen Song, der würde prima zu Deiner Stimme passen, komm doch mal vorbei und sing den ein".

PF: Also es gibt in der Tat Zeiten, da werden wir regelrecht bombardiert mit CD's, Bändern oder YouTube-Links - das kann man alles gar nicht packen. Weißt du, es gibt so dieses musikalische Leben mit der Band, und dann hab ich aber auch noch Familie und einen Freundeskreis. Da bleibt leider nicht immer Zeit für solche Sachen.
Es gibt aber durchaus Leute, die haben eine gewisse Begabung, auf sich aufmerksam zu machen, und da hör ich dann auch gerne mal rein und überleg mir was - so geschehen vor einiger Zeit in Russland. Da hatte mir nach einem Festival ein Mitglied einer Band eine CD in die Hand gedrückt und gesagt, ich soll da doch mal reinhören. Das habe ich dann auch ein paar Wochen später gemacht und war echt begeistert - richtig tolle Songs hatten die am Start.
Ich hatte mich dann mit Mischa, dem Bassisten der Band, in Verbindung gesetzt - Feedback gebe ich eigentlich immer, wenn auch meist etwas zeitverzögert -, und bin dann irgendwann nach Moskau geflogen und hab mit der Band einen Song eingesungen. Ein halbes Jahr später bin ich dann gleich nochmal rüber zur CD-Präsentation.
Und natürlich kriegt man dann auch mal Sachen geschickt, die einem überhaupt nicht gefallen. Auch da gebe ich dann Rückmeldung, versuche aber immer, die etwas nüchternen Standardformulierungen der Plattenfirmen zu vermeiden...

MS: "...sicher haben Sie Verständnis dafür, dass..."

PF: Ja genau. Also wenn die Zeit dafür da ist, geben wir gerne Tipps oder greifen mal unter die Arme. Schreib das aber vielleicht nicht ganz so ausufernd, sonst ist mein Postfach gleich wieder voll (lacht)!

MS: Ich werde mich kurz halten ;0) Gab es eigentlich zu "Lemon Tree" einen bestimmten Hintergrund, oder hätte es genau so gut ein Apfelbaum sein können?

PF: Hehe, nein das kam einfach so. Ich saß am Klavier und habe an dem Song gearbeitet, und irgendwann hatte ich den Refrain im Kopf. Hörte sich einfach schön an. Das ging alles in etwa 20 Minuten ab, dann war die Nummer fertig. "Lemon Tree" waren einfach schön klingende Worte, eine schöne Symbolik, das gelb, das grün, was weiß ich... es kam halt einfach so (lacht).
Ich habe mir gar keine großen Gedanken über irgend eine Bedeutung gemacht - okay, man kann das vielleicht als Symbolik sehen für den Biss in die Zitrone, der dir die Gesichtsmuskeln nach hinten zieht und dich etwas angewidert und desillusioniert zurücklässt. Aber es gab auch wirklich ganz schön abgefahrene Interpretationen zu dem Text...

MS: Aha. Welche denn zum Beispiel?

PF: Naja, irgendwo tauchte mal das Gerücht auf, der Song handle von einem Typen, dem es nicht gut geht und der sich dann am Zitronenbaum aufhängt... (lacht)

MS: Oh Mann... naja, das war jetzt halt so eine Frage, die mich beschäftigt hat seit ich 14 war ;0)

PF: (lacht) Seit du 14 warst? Ah, dann bist du jetzt so Ende 20, was?

MS: Jepp. Werd demnächst 30.

PF: Is ja noch fast jung.

MS: Ja...fast :0)

PF: In der Schule hatte ich mal ne Klassenkameradin, die war mit nem 3ojährigen zusammen, da haben wir immer gesagt "Boah, was'n alter Sack..."

MS: Wie alt bist DU nochmal...?

PF: Öhm... 47! (lacht)

MS: Jaja... :0) Was darf man denn eigentlich in Zukunft von Fools Garden erwarten? Ist etwas Bestimmtes geplant, gebt Ihr das erste Konzert auf dem Mars oder so?

PF: (lacht) Ach, wir denken eigentlich gar nicht so weit in die Zukunft. Nächstes Jahr feiern wir unser 20jähriges Jubiläum; das 10jährige haben wir schon recht groß gefeiert, 2 Tage lang mit Freunden ordentlich einen draufgemacht, und sowas Ähnliches ist dieses Mal auch wieder geplant. Es gibt da auch schon ein paar Ideen, aber die möcht ich jetzt noch nicht so groß verraten...

MS: Ach Manno...

PF: Naja, also es kann durchaus sein, dass zu diesem Anlass hier in Pforzheim eine neue Konzert-Location eingeweiht wird; im Herbst machen wir noch eine kleine Akustik-Tour, und nebenbei arbeiten wir auch noch an einem neuen Album. Aber was in fünf oder zehn Jahren ist, da denken wir nicht drüber nach. Ich würde nach wie vor gerne mal in Amerika spielen - das ist glaube ich das einzige Land, wo wir noch nicht aufgetreten sind.

MS: Na, da wird's aber Zeit, was? War "Lemon Tree" da drüben nicht erfolgreich?

PF: Naja, es wurde drüben veröffentlicht, man kennt den Song da auch... aber es hatte einfach nicht den durchschlagenden Erfolg wie zum Beispiel hier in Europa. In Australien war es ganz oben in den Charts und sogar in England... aber ich glaube, in Amerika brauchst du da einfach eine gewisse finanzielle Schubkraft, damit ein Song dort im Radio auch wirklich gespielt wird. Das ist einfach eine komplett andere Welt.

MS: Also man braucht quasi die richtigen Kontakte zur Musik-Mafia, um gelungene Musik an die Kulturbanausen zu verfüttern...

PF: Ja, aber das kann ja noch werden. Der Song ist ja noch frisch (lacht).

MS: Na aber hallo... welche Tipps kannst du Newcomern mit auf den Weg geben, die ebenfalls den Durchbruch schaffen und irgendwann mal am Samstag Abend bei Thomas Gottschalk auf der Couch sitzen wollen?

PF: Naja, was ich vorhin schon erwähnt habe: nicht verbiegen lassen, authentisch sein, echt sein, nicht kopieren oder adaptieren, sondern einfach man selbst sein. Wenn du dein Ding mit Überzeugung durchziehst und die Menschen in ihrer Seele berührst, dann wird sich der Erfolg irgendwann von alleine einstellen. Das bilde ich mir zumindest ein. Dann klappt das auch mal mit der Couch beim Gottschalk (lacht).

MS: Naja, bei Euch hat's ja auch funktioniert...

PF: Ja. Wir haben uns auch erst mal bei allen möglichen Plattenfirmen beworben und Absagen kassiert. Es hieß, hey, ihr seid eine deutsche Band und macht englische Musik, wozu brauchen wir das, wir haben doch die Engländer? Eure Musik ist viel zu "Old-fashioned", viel zu "Beatlesq" - aber das war uns egal. Irgendwann sind die Plattenfirmen hier in Pforzheim rumgerannt und haben nach Bands gesucht, die so klingen wie WIR! Und ich bin heute noch davon überzeugt, dass wir anderen Bands wie "Bell, Book & Candle" oder "Liquido" überhaupt erst den Weg zum Erfolg geebnet haben.

MS: Wie siehst du generell die Musikszene in Deutschland? Gibt es da eine interessante Vielfalt, oder machen viel zu viele Bands einfach nur das Gleiche?

PF: Hm, ich denke in Deutschland gibt es viel zuviel Schubladen-Denken. Ich erinnere mich an ein Festival in Russland - Rock, Punk und Reggae. Sowas gibt es hier nicht (lacht).

MS: Rock, Punk und Reggae? Wie darf man sich das vorstellen?

PF: Naja, die tanzten Pogo und kifften, und zwischendurch haben wir "Lemon Tree" gespielt (lacht). Aber wie gesagt, so etwas wäre hier in Deutschland aufgrund des Schubladendenkens wohl kaum möglich.

MS: Hm... ja, mal angenommen, da kommt jetzt jemand auf die Idee - ein Musikerportal wie myownmusic zum Beispiel - ein großes, genreübergreifendes Festival zu veranstalten - könnte man Euch für sowas gewinnen?

PF: Ja natürlich! WIR scheuen uns vor NIX! Sowohl im Publikum als auch auf der Bühne stehen immer ECHTE Menschen - die die gleichen Träume und Sehnsüchte haben. Und es wird immer Idioten geben, die so etwas kleinreden wollen. Aber um nochmal auf das Wort "authentisch" zurückzukommen - wenn man so etwas mit Hingabe und Leidenschaft angeht und durchführt, dann kann das nur gelingen.

MS: Das ist cool... das mit dem Schubladendenken sehe ich aber genau so. Es wird viel zuviel differenziert, statt einfach nur auf die Musik an sich einzugehen.

PF: Ja, richtig. Komm, es gibt doch kaum einen Hardrocker, der nur ausschliesslich Hardrock hört. Dem gefällt auch der eine oder andere Maffay-Song, und er traut sich nur nicht, es zuzugeben. Ich kann das verstehen bei irgendwelchen Teenies, die einen gewissen Style brauchen, um sich abzugrenzen - aber spätestens so ab Mitte 20... naja....

MS: ...da sollte man es dann kapiert haben...

PF: ...ganz genau (lacht).

MS: Okay, damit wären wir dann auch schon fast durch. Eine Frage noch, aus purem persönlichem Interesse: was gibt es bei Euch heute Abend zu essen?

PF: (lacht) Öhm... eigentlich nix Besonderes, wir schmieren uns jetzt noch ein paar Brote, und dann ist gut. Warum?

MS: Ah so. Hat mich jetzt nur interessiert, wofür die Milch war. Ausserdem frage ich mich auch gerade, was ich heute Abend noch kochen soll. Die Pizza hat irgendwie nicht gereicht...

PF: Hm. Keine Ahnung. Vielleicht will sich meine Tochter noch einen Brei machen oder so (lacht).

MS: Ach, du hast Kinder?

PF: Ja, zwei Töchter und einen Sohn.

MS: Oha. Gleich drei?

PF: Ja. Das ist toll. Mach doch auch welche (lacht).

MS: Ähm..... okay....

PF: Ja, Markus. Komm, vergiss das mit dem Kochen, mach lieber ein paar Kinder (lacht).

MS: Tja... also... wenn von Peter Freudenthaler persönlich der Erlass zur Fortpflanzung kommt, da hat auch die Migräne keine Chance mehr, würde ich sagen... Peter - ich muss weg. Ich danke dir vielmals für deine Bereitschaft, den myownmusic-Mitgliedern einen Einblick in deine Erfahrungen und Vorstellungen zu geben, und wünsche dir für die Zukunft alles Gute!

PF: Nichts zu danken, hab ich gerne gemacht!



Kommentare

Strange Smile
Strange Smile September 2010
Super Zitrone
Hi Guys,

Hab schon lange nichts mehr von euch gehört, hat mich sehr gefreut dieses Interview zu lesen. :-)

Ehemaliger Account
Ehemaliger Account August 2010
Boah Gott, lass Schmittis regnen :-D

Ein wirklich unterhaltsames Interview ist eines, welches man sitzend zu lesen beginnt auf dem Boden lachend zu Ende liest. Und ich freue mich, dass es mindestens einen hier gibt, der das genau verstanden hat :-)

Allerdings hätte ich gestern doch staubsaugen sollen ... Hmm...

step response
step response März 2010
Klasse!
Glückwunsch zu diesem durchweg gelungenen und sehr gut lesbarem Interview! Hat wirklich Spaß gemacht....und interessant wars auch noch ;)

Dank an beide beteiligte Parteien! :D

Nadine de Macedo
Nadine de Macedo März 2010
Super Interview!
Vielen vielen Dank für das tolle und amüsante Interview und für's nehmen unserer Fragen :D. Hast du echt super gemacht!

Mich hat die Deutung von Lemon Tree richtig beruhigt ;-) Ich glaube das ist ein Phänomen, dass fast jeder bekannte Text einfach so, ohne großartiges Denken, entstanden ist. Aber cool, dass Freudenthaler die gleiche Philosophie hat!

kellaa zwo
kellaa zwo März 2010
Danke@Schmitti, ROFL@Tim
Wirklich ein sehr schönes, informatives Interview,
Schmitti 4 momlitzer price :)

@Tim: Hehe, das gleich hab ich auch schon gedacht, bei irgendwelchen Liedtexten oder Gedichten. Da bastelt einer ein paar scheinbar bedeutungsschwangere Zeilen ohne gewollt tieferen Sinn und Generationen nach ihm kloppen sich immer noch die Kritiker um die wahre Bedeutung und Intention des Verfassers - ist bestimmt keine Seltenheit ^^

Tim Tonic
Tim Tonic März 2010
Ich werd bekloppt
In der 8.Klasse musste ich im Englisch-Unterricht eine Interpretation zu diesem Song schreiben. Und jetzt lese ich hier, dass er gar keine Bedeutung hat, die Worte "einfach nur schön klangen" und der Song in 20 Min. geschrieben war. Zum Haare raufen.
Aber ganz ehrlich: So muss man es machen, dann bleibt die Nachwelt eine Weile beschäftigt. Ich bin auch schon immer der Überzeugung gewesen, dass es ein Goethe genauso gemacht hat. Und Generationen von Schülern müssen sich den Kopf zerbrechen, über einen tieferen Sinn den es gar nicht gibt. Die Lehrer wissen das bestimmt sogar und wollen sich nur amüsieren.

Mona Lee
Mona Lee März 2010
Tolles Interview
Interessante Einblicke, die sich hier finden.
Zum Einen fein, wie sie zu ihrem "Türöffner" stehen und zum Anderen gut, dass Peter sagt "Mach Dein Ding, lass Dich nicht verbiegen"...

KLANGSTEIN
KLANGSTEIN März 2010
Sehr schönes Interview!
Die Jungs hab sogar ich live Mitte der 90er gesehen, als Vorgruppe von Pur! Und heute reden sie wie der Papst: "Gehet hin und mehret Euch!" :-)

rewind
rewind März 2010
Glückwunsch 1.) zum gelungenen Interview. Hast die richtigen Fragen zum richtigen Zeitpunkt gestellt und die entspannte Atmosphäre permanent aufrechterhalten.
und
2.) in neun Monaten...lalala... :-)


von  Redaktion am 22.03.2010
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