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Konkurrenz für die GEMA

Interview mit Wolfgang Senges
Konkurrenz für die GEMA

Noch ist die GEMA die einzige Verwertungsgesellschaft, die in Deutschland Songschreiber bei der Wahrnehmung ihrer Rechte vertritt. Geht es nach Wolfgang Senges, dann wird sich dieser Umstand bald ändern, denn der selbstständige Künstlerberater ist Mitbegründer einer Initiative, deren Ziel die Gründung einer alternativen Verwertungsgesellschaft ist, genannt Cultural Commons Collecting Society oder kurz C3S.

MyOwnMusic: Wozu brauchen wir noch eine Verwertungsgesellschaft für musikalische Werke? Es gibt doch schon die GEMA!

Wolfgang Senges: Es gibt eine ganze Reihe von Künstlern, die ihre Werke überhaupt nicht über eine Verwertungsgesellschaft laufen lassen und entweder individuelle Verträge abschließen oder Creative Commons-Lizenzen benutzen. In beiden Fällen bekommt man viele Geschäftsbereiche nicht abgebildet. Beispielsweise entstehen im Airplay-Bereich große Lücken, da die namhaften Radiosender nur mit der GEMA abrechnen. Alles andere läuft dort entweder hinter dem Begriff „White Label“ versteckt oder aber wird erst gar nicht gespielt – in beiden Fällen erhält der Urheber kein Geld daraus. Im Bereich der Werbung sind Individualverträge manchmal möglich, doch kennen sich oftmals sowohl Urheber als auch Lizenznehmer nicht genau mit den juristischen Hintergründen aus, weshalb auch hier zugunsten der Rechtssicherheit meist auf GEMA-Repertoire zurückgegriffen wird.

MyOwnMusic: Aber Künstler, die Geld im größeren Stil erwirtschaften wollen, können sich dann doch einfach bei der GEMA anmelden!

Wolfgang Senges: Es ist aber so, dass viele Künstler gar nicht zur GEMA wollen, aber quasi zu einer Mitgliedschaft gezwungen sind, wenn sie Erfolg haben und dafür auch vergütet werden möchten. Es gibt einfach keine Ausweichmöglichkeiten.

MyOwnMusic: Da stellt sich die Frage, warum so viele Urheber nichts mit der GEMA zu tun haben wollen. Selbst unter den GEMA-Mitgliedern gibt es anscheinend eine große Unzufriedenheit. Hast Du dafür eine Erklärung?

Wolfgang Senges: Die volle Stimmberechtigung innerhalb der GEMA haben halt nur fünf Prozent der Mitglieder, die anderen haben zu geringe Lizenzeinnahmen und dürfen in nur bescheidenem Maß mitbestimmen. Dadurch fühlen sich viele Mitglieder nicht wirklich vertreten, und die fünf Prozent, die an der Satzung etwas ändern könnten, sehen häufig nicht ein, warum sich etwas ändern sollte. Dabei wünschen sich viele Künstler mehr Freiheiten bei der Wahrnehmung ihrer Rechte. Eine Ausklammerung von Lizenztypen ist bei der GEMA zwar möglich – so verwalten etwa Rammstein ihre Liverechte selbst – doch einzelne Werke können nicht ausgeklammert werden. Denn die Lizenzierung erfolgt personenbezogen, das heißt die gesamten Werke eines Künstlers werden zwangsläufig über die GEMA verwertet. Das ist übrigens in den USA von Gesetzes wegen her anders, denn da darf der Urheber über jedes Werk selbst entscheiden. So hat beispielsweise Billy Corgan einige Songs unter Creative Commons-Lizenzen veröffentlicht und lässt andere Werke trotzdem über seine Verwertungsgesellschaft abrechnen. Das geht in Deutschland derzeit nicht.

MyOwnMusic: Worin wird sich die Cultural Commons Collecting Society von der GEMA unterscheiden?

Wolfgang Senges: Wir wollen eine Verwertungsgesellschaft aufbauen, die den Künstlern mehr Freiheiten bietet als die GEMA. Die Künstler sollen selbst festlegen können, ob ihre Musik beispielsweise auf YouTube vergütet werden soll oder nicht. Im Gegensatz zur GEMA darf man bei uns einzelne Werke von der Nutzung ausklammern und hierzu eigene Verträge machen oder sogar eine andere Verwertungsgesellschaft beauftragen. Außerdem hat jeder Urheber bei uns dasselbe Stimmrecht und darf mitentscheiden. Ein weiterer Unterschied zur GEMA wird die Abrechnung sein. Bei der GEMA geht die Abrechnung über einen statistischen Verteilungsschlüssel, der nicht wirklich transparent ist. Wir aber wollen jeden einzelnen gespielten Titel dokumentieren und abrechnen. Wir fragen uns schon lange, warum die GEMA nicht auf diese Möglichkeiten zurückgreift, denn wenn die Technik einmal steht, braucht man dazu fast kein Personal.

MyOwnMusic: Aktuell greift ja die so genannte „GEMA-Vermutung“: Sobald irgendwo ein Lied öffentlich aufgeführt wird, wird unterstellt, dass der Urheber des Werks seine Rechte durch die GEMA wahrnehmen lässt. Es liegt am Veranstalter, den Gegenbeweis anzutreten. Welche Auswirkungen hätte denn eine zweite Verwertungsgesellschaft für musikalische Werke auf die GEMA-Vermutung?

Wolfgang Senges: Das ist eine relativ schwierige Frage, aber ich kann mal unsere Sichtweise darlegen: Es ist zumindest gesetzlich im Urheberwahrnehmungsgesetz verankert, dass die derzeitige Rechtsprechung nur gilt, so lange es bloß eine einzige Verwertungsgesellschaft gibt. Das ist momentan der Fall, und nur deshalb greift die so genannte GEMA-Vermutung. Aber sobald es eine Zweite gibt, müssen sich beide Verwertungsgesellschaften absprechen. Die GEMA könnte dann nicht mehr unterstellen, dass ein aufgeführtes Werk bei ihr gemeldet ist. Aber letztendlich müsste das dann auch vor Gericht geklärt werden, denn die GEMA-Vermutung beruht ja nur auf der Rechtsprechung. Eine Idee wäre, dass die Cultural Commons Collecting Society mit der GEMA zusammenarbeitet, damit ein Veranstalter die gespielten Stücke nur einmal melden muss – die GEMA ist da durchaus gesprächsbereit. Dann ließe sich ja zuordnen, welcher Songs zu welcher Verwertungsgesellschaft gehört. Gleichgültig, wie die Lösung aussieht: Es muss zum Vorteil aller Urheber sein.

MyOwnMusic: Aus Künstlersicht klingt das alles sehr schön, doch was sagen die Veranstalter? Jetzt schon gehen die Diskothekenbetreiber auf die Barrikaden. Was passiert erst, wenn später noch eine zweite Verwertungsgesellschaft die Hand aufhält?

Wolfgang Senges: Wir sind ja auch im Kontakt mit Verbänden und Club-Betreibern, und dort ist man sehr interessiert an unserer Initiative. Dadurch, dass es überhaupt eine zweite Verwertungsgesellschaft geben könnte, entsteht ja auch ein Verhandlungsdruck auf die GEMA.

MyOwnMusic: Gut für die Künstler und gut für die Musiknutzer – da frage ich mich, wieso es nicht schon längst eine Alternative zur GEMA gibt.

Wolfgang Senges: Es gab in der Vergangenheit schon Bemühungen in diese Richtung, die aber alle im Sand verlaufen sind. Um als Verwertungsgesellschaft tätig werden zu können, muss man einen Antrag beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) stellen und ein stabiles und tragfähiges Geschäftsmodell nachweisen. Außerdem muss nachgewiesen werden, dass eine kritische Masse von Künstlern bereit ist, der neuen Verwertungsgesellschaft beizutreten. Wichtig dabei ist, dass diese Künstler auch den Umsatz mittragen können. Kurz gesagt: wir brauchen auch ein paar „Big Names“ in der Liste. Anfang nächsten Jahres wollen wir den Antrag beim DPMA stellen. Das anschließende Genehmigungsverfahren kann aber bis zu zwei Jahren dauern. Wir hoffen aber, dass wir das schneller hinbekommen.

MyOwnMusic: Du hast bereits erwähnt, dass sich jeder Künstler bei Euch einbringen kann und sich die Mitbestimmung nicht auf eine Fünf-Prozent-Elite beschränken soll. Das gilt auch jetzt in der Vorbereitungsphase, denn Ihr veranstaltet am 2. September ein Barcamp in Berlin. Was hat es damit auf sich?

Wolfgang Senges: Während des Barcamps werden wir auf Themen eingehen, die an uns von Teilnehmern herangetragen wurden. Die Vorschläge können auch direkt vor Ort noch kommen. Dann werden sich dort einzelne Arbeitsgruppen zusammenfinden, wobei es nicht darum geht, dass man bis ins Letzte ein Problem löst. Wichtig ist, dass erst einmal Lücken in unserem Konzept identifiziert werden und eruiert wird, wie man an ein Problem herangehen kann. Aus meiner Erfahrung mit anderen Workshops weiß ich, dass dabei regelmäßig Punkte auftauchen, an die man vorher gar nicht gedacht hat.

MyOwnMusic: Was muss man tun, um bei dem Barcamp dabei zu sein?

Wolfgang Senges: Die Teilnahme ist kostenlos und steht prinzipiell jedem offen. Allerdings sollte man uns vorher eine Anmeldung per E-Mail oder Facebook schicken. Mittlerweile wird es bereits schwierig, denn die Frist zur Anmeldung ist am 27. August bereits abgelaufen – mehr als 100 Teilnehmer haben Ihr Kommen zugesagt, womit wir auch schon ausgebucht sind. Falls zu viele Teilnehmer kommen sollten, haben die Vorrang, die zuvor die Finanzierung des Barcamps bei Startnext unterstützt haben.

MyOwnMusic: Vielen Dank für das Interview, Wolfgang! Wir wünschen Euch viel Erfolg bei Eurem Vorhaben und drücken die Daumen, dass Ihr bald die ersten Songs lizenzieren könnt.

Weitere Informationen
Webseite der Cultural Commons Collecting Society: www.c3s.cc
Facebookseite der c3s: www.facebook.com/c3s.cc

 



Kommentare

Wini Walter
Wini Walter Oktober 2012
Gibt es an dieser Front hier eigentlich was Neues? Was ist das Ergebnis des "Barcamps" z.B. ?


von  Melancholodic am 30.08.2012
Aufrufe  20630



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