Podiumsdiskussion mit der GEMA
Ist die GEMA ein Monopol, das nach Belieben Geld eintreiben und ganze Existenzen ruinieren darf? Oder mangelt es vielmehr den Nutzern urheberrechtlich geschützter Werke an der Wertschätzung für die Künstler? Die geplante GEMA-Tarifreform war der Anlass für ein Treffen am 31. Juli 2012 in der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz, zu dem die Piratenpartei im Rahmen eines Kulturdialogs eingeladen hatte. Schon die Sitzordnung auf dem Podium machte die unterschiedlichen Positionen deutlich: Ulrich Weber, Präsident des Bundesverbandes deutscher Diskotheken und Tanzbetriebe und selbst Diskobetreiber auf der einen und von der GEMA Frank Bröckl und Bezirksdirektor Lorenz Schmid auf der anderen Seite. Zwischen beiden Polen Musiker Martin Engelin, Sängerin Janina Klabes und Loveparade-Erfinder Dr. Motte als Vertreter der Künstlerfraktion, Andi Pop von der Piratenpartei und Psychologe Meik Michalke, der eine alternative Verwertungsgesellschaft auf die Beine stellen möchte. Hier eine Zusammenfassung des Abends:
Verhärtete Fronten
Die GEMA will im nächsten Jahr überarbeitete Tarife für Betreiber von Clubs und Diskotheken einführen. Das aktuelle Vergütungssystem sei ungerecht und nicht mehr zeitgemäß, da für einige Veranstaltungen deutlich mehr und für andere deutlich weniger als 10 Prozent des Eintrittspreises an die Verwertungsgesellschaft gezahlt werden müsste, erklärt Lorenz Schmid. Die GEMA wolle lediglich einen fairen und übersichtlichen Tarif einführen, der alle Veranstalter verpflichtet, gut 7 Prozent ihrer Umsätze aus Eintrittsgelder an die GEMA abzuführen. Ulrich Weber hingegen kritisiert, dass dabei unterm Strich eine Tariferhöhung für die meisten Discothekenbetreiber herauskomme, teilweise um das Siebenfache. Dabei wirft er der GEMA vor, sie könne sich nur in einer Rolle als Monopolist einen solchen Schritt erlauben. „Mein Telefonanbieter käme nie auf die Idee, plötzlich den siebenfachen Preis für meinen Anschluss zu verlangen, denn die wüssten: ich würde sofort zur Konkurrenz wechseln“. Ein weiterer Kritikpunkt: Die GEMA gehe nicht rein nach den Umsätzen durch Eintrittspreise, sondern rechne hier die Quadratmeterzahlen der Location mit ein. Schmid wehrt sich gegen diesen Vorwurf: „Jeder Veranstalter kann uns seine tatsächlichen Umsätze an Eintrittsgeld mitteilen, und dann werden wir auch nur diese als Berechnungsgrundlage nehmen; wir reden hier gerade mal von 7,2 Cent pro Euro Eintrittsgeld“. Zudem liefen 80 Prozent der Umsätze über Getränkeverzehr, so dass der GEMA-Anteil an den Gesamtumsätzen verschwindend gering sei, argumentiert Schmid.
Im Auftrag der Urheber?
Doch was sagen die Menschen, deren Interessen von der GEMA vertreten werden? Janina Klabes kritisiert, dass die Künstler selbst sich in den Debatten um das Urheberrecht fast gar nicht zu Wort meldeten. Sie weist auf die ohnehin schon prekäre Lage vieler Live-Clubs hin, die kaum Gewinne abwerfen. "Eigentlich muss man verrückt sein, so etwas zu betreiben". Da die GEMA den Brutto-Eintrittspreis als Grundlage nutzen und nicht die tatsächlichen Gewinne oder Verluste eines Betreibers berücksichtigten will, könne dies der Todesstoß für viele Clubs sein, meinen auch Weber und Dr. Motte. Die GEMA betont ihren Auftrag, im Sinne ihrer Mitglieder zu handeln. Zudem habe ein Betrieb auch andere laufende Kosten, wenn er etwa Strom oder Wasser nutzt. Da müssten doch schließlich auch die Urheber für ihre Leistung vergütet werden. Hier mag man einwenden, dass der Stromtarif unabhängig vom Bruttopreis einer Eintrittskarte ist.
Alles in allem entsteht aber der Eindruck, dass die GEMA nicht auf den Rückhalt ihrer Mitglieder bauen kann. „Ich fühle mich von der GEMA nicht vertreten“, gesteht Dr. Motte und kündigt sogar seinen Austritt aus der Verwertungsgesellschaft an. Da nur 5 Prozent der GEMA-Mitglieder stimmberechtigt sind, und da sich dieses Stimmrecht auf die Komponisten mit den größten Einnahmen beschränkt, ist der Unmut unter den Künstlern verständlich. Meik Michalke findet die Idee der GEMA gut, wünscht sich aber eine Verwertungsgesellschaft, bei der alle Mitglieder ein Mitspracherecht haben. Daher bereitet er die Gründung einer alternativen Verwertungsgesellschaft in Deutschland für Urheber musikalischer Werke vor. Damit würde das bisherige Monopol der GEMA fallen, und damit wäre auch die GEMA-Vermutung, also die Annahme, dass der Urheber eines Musikstücks durch die GEMA vertreten wird, in dieser Form nicht mehr haltbar. Erstaunlicherweise ist es ausgerechnet Michalke, der an diesem Abend mit seinen Aussagen am wenigsten polarisiert und Verständnis für die Argumente aller Seiten zeigt.
Mein persönliches Resümee aus Künstlersicht
Zusammenfassen lässt sich dieser Abend als eine anregende Debatte, bei der aber leider die GEMA und die Veranstalter am lautesten zu hören waren. Ich selbst konnte mir in der anschließenden Fragerunde nicht verkneifen, Herrn Weber als Diskoverantalter auf die gigantische freie Musikszene im Web hinzuweisen. Es dürfte viele Newcomer ohne GEMA-Mitgliedschaft geben, die sich freuen würden, in Diskotheken gespielt zu werden. Ich träume mal weiter: Man stelle sich vor, dass immer weniger Diskotheken mit der GEMA abrechnen und stattdessen mit einem Portal wie MyOwnMusic zusammenarbeiten. Jedenfalls gebe ich Janina Klabes vollkommen Recht: Wir Künstler sind dafür verantwortlich, unsere Interessen zu vertreten und uns zu Wort zu melden. Die meisten Musiker sind keine Top-Ten Artists, sondern Liebhaber, die durch Clubs tingeln, EPs in Kleinstauflagen verkaufen oder Stunden und Tage vor dem zum Heimstudio umfunktionierten Rechner sitzen, um ihren neuen Song fertig zu stellen. Aber letztlich ist es egal, ob ein Songschreiber mit der Klampfe in der Fußgängerzone oder im Ausverkauften Wembley-Stadion steht: Wir Künstler müssen dafür sorgen, dass der Wert unserer Werke als solcher anerkannt wird (und das meine ich nicht nur im finanziellen Sinne). Ich finde es jedenfalls traurig, dass die meisten Veranstalter mit „Musikveranstaltung“ sofort „Gema-Repertoire“ verbinden und den vielleicht größten Teil aller Musikschaffenden damit ignorieren. Eine Verwertungsgesellschaft wie die GEMA hat zweifelsohne ihre Berechtigung, aber in ihrer jetzigen Form ist sie nur für einen Bruchteil derer da, die sie eigentlich vertreten sollte. Die aktuelle Debatte um die Tarifreform wäre doch die ideale Möglichkeit für alle „GEMA-freien“, sich als Alternative in der Disko- und Clublandschaft zu formieren – und damit vielleicht auch ein Umdenken innerhalb der GEMA auf den Weg zu bringen.
Wer sich die gesamte Diskussion anschauen möchte: Es gibt auf YouTube einen Videomitschnitt.
Kommentare
WGI Rec/Be(Tris)sd/SonoritySLB August 2012
Ich denke nicht, dass die Lösung schwer zu finden sein wird. Aber schwer umzusetzen, weil dafür Menschen und deren Interessen aus dem Weg müssen. Es wollen einfach zu viele Mitverdienen und das ist wie immer der Fehler.
pheyd August 2012
sehr gut, dass hier darauf aufmerksam gemacht wird.
mittlerweile müsste es sich auch rumgesprochen haben,
dass es bei dem vorhaben der GAUNA auch
musikkonsumenten, club-und discobesucher trifft,
wenn der eintritt auf einmal bei dem dreifachen preis liegt...
gs
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Melancholodic
am 03.08.2012
20322 













