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Pop  Magazin

ELECTRO meets ROCK

ELECTRO meets ROCK

von Heiko Wein

Wenn für Victor Hugo die "Musik ein Geräusch ist, welches Denkt!", dann ist das styleübergreifene Remixen, das rezitieren bereits wahrgenommener Gedanken. Doch etwas zu wiederholen ist meist nur dann sinnvoll, wenn man dem Material existenzielles zufügt.

Populäre Rock-Musik zeichnet sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, durch eine solide Einfachheit aus. Manchmal weht auch der Charme einer schlichten Elegànce um dieses einfache, aber darin anspruchsvolle, Genre.


Electromusik ist da ganz anders. Hier braucht man seine Energien nicht all zu zwingend in das Erlernen irgendwelcher Instrumente zu stecken, hier sind andere Prozeduren gefragt und gefordert. Doch eben diese Prozeduren sind bereits Teil des kreativen Prozesses, während die ersten 1-2 Jahre des Rock-Gitarrenlehrlings ausschliesslich da zu sein scheinen, um dessen Handgelenke und Finger irreperablen Schäden zuzufügen.

Für mich ist alleine diese Tatsache der wesentlichste Unterschied beider Musikarten, und meiner bescheidenen Meinung nach, auch der hauptsächliche Grund dafür warum "gestandene Musiker" dem neumodischen DJ-Musizierens, oder Sequenzer, bzw. Sampler, maltretierens überhaupt keine Virtuosität, noch Musikalität, abgewinnen können.

Lassen wir nun diese beiden "Welten" aufeinander prallen. Und hören wir, welch' wirklich segensreiche Musik dadurch ensteht.


Zu aller erst mache ich Euch, nur allzu gerne, auf den Song "How we stand" () von November11 aufmerksam.

Eine solide Rockproduktion, mit einer James-Hetfield'schen Stimme und standesgemäßen groovigen Rockgebaren. Hier neigt man nicht zur Schnörkelei, die Bass-Drum kommt auf eins, die Snare folgt auf drei, der Bass drückt und die Stimme thront über allen. Hier und da ein nettes "Riffchen", zur Abwechslung eilt eine Zweitstimme herbei und leitet das grandiose Finale ein. Wunderbar, für jeden der Handmade-Musik mag.

Hört nun bitte den Song "How We Stand (emhead Remix)" () von emhead. Der gute, und alte, Micha, der sich selbst emhead (aus Gründen die der geneigte Leser im Profil erfährt) nennt, nimmt für einen "Electroniker" dieses Liedchen typischer Weise recht befreit zur Brust. Ohne den Charme des Liedgutes zu zerstören, macht er mit der schnörkellosen Kunst schluss, und nimmt fast jede Silbe des gesungenen Parts zum Anlass um daraus seine eigene Idee von Musikalität zu formen. Als einziges Stilmittel, um die Kontinuität nicht zu verlieren, behält er die durchdringende, aber deutlich dem Electro-Genre zugehörige Snare. Sie schlägt sich durch den positiv "aufgepumpten" Song und wahrt so eine gute alte Tradition.

Nocheinmal ein Beispiel für die gelungende Symbiose zwischen elektronischer Kreativität und authentischer handmade Dynamik? Gerne.

Schauen wir einmal auf den Künstler "Nino Nexo", der hier in der klassischen Singer/Sonwgwriter-Rolle lebt und tönt. Sein Song "Das ist geplatzt!" () ist ein Musterbeispiel dafür, wieviel Dynamik und latente Aggressionen eine Gitarre und eine Stimme tragen können, ohne das beiden die Luft ausgeht oder es auch nur ansatzweise langweilig klingt.

Schauen wir wieder, wozu ein "emhead", als stellvertretener Vorzeige-Elektroniker, in der Lage ist. Er schnappt sich den Song "Das ist geplatzt! (emhead remix)" () und fügt der vorhandenen Dynamik und der diffusen Rauheit die Stilmittel der Electromusik zu. Und ohne das Wesen selbst zu verändern, schafft er durch sein geschicktes Umgehen mit der "Bauchebene" des Hörers, ein oder zwei ganz neue Eindrücke. Und das ohne, die bestehenden Mauern einreissen zu müssen.

Elektronik steht nicht gegen Rock. Dafür soll dieser bescheidene Artikel werben. Elektronik kann Rock, und vice-versa, nur beleben und bereichern.

Ein Narr, der sich diesen Möglichkeiten verschliesst.


Kommentare

BEAtFREAk
BEAtFREAk August 2006
Ein alter Hut
Kann da DJ Phoney zustimmen. Diese "Mauern" wurden schon lange eingerissen. Sicher ibt es ein paar Traditionalisten, die das auf beiden Seiten nicht mögen, aber der Großteil hat's wohl schon kapiert.

Verschmelzungen gab es seit den Anfängen des Prog-Rock in den späten 60ern, quasi seit der Synthesizer erfunden wurde. Weitere Beispiele sind Post-Punk/ New Wave ab Ende der 70er. In den 90ern ging es munter weiter mit Madchester und BritPop, wobei der 2. Kandidat etwas dazu neigte zu tradiotioneller Instrumentierung zurück zu gehen, vielleicht wegen der Dancefloor-Übermacht in der Zeit. Aber auch mega-erfolgreiche Acts wie Depeche Mode oder Prodigy haben zeitweise an der Verschmelzung gebastelt. Heutzutage im Indie-Bereich sind die Grenzen ebenfalls sehr fließend. Auch aktuelle Brit-Bands wie Maximo Park oder die Kaiser Chiefs verfeinern ihren Sound mit Synths.

Dj Phoney
Dj Phoney August 2006
So strikt ist es aber nun nicht immer also meinen Erfahrungen nach, ist das Bedürfnis nach weniger klaren Grenzen zwar noch immer nicht allgegenwärtig, aber wir leben schon in einer Zeit, in der mehr und mehr Leute mit traditionell handgespielter Musik, als auch mit elektronischer "aufgewachsen" sind.
Wieviele Hardcore-Punks sind in den 90ern zu Jungle und Dubheads geworden? Wieviele Hiphop- oder Drum`n`Bass-Tracks finden sich mittlerweile auf Skate-Videos neben Punktracks?

Ich selber habe in Gitarrenbands angefangen (dabei Jazz, Metal, Punk, Blues, Industrial etc. gehört), bin mittlerweile Produzent für Hiphop, Reggae u. Electropunk.

Für zwei Jahre habe ich nebenbei eine High-Energy-Rock-Band (Style MC5, Radio Birdman, SRB) gemanaged. Auch da waren die Grenzen lange nicht mehr so klar. Trotz, daß der eigene Stil der Band klar 70´s Rock orientiert war, hat der Rhythmus-Gitarrist Eminem tierisch gemocht und einiges an Reggae gehört. Der Lead-Gitarrero fand Prodigy cool, der Drummer fuhr auch auf die experimentellsten Sachen von David Bowie ab ("Low" ist ja nun z.B. sehr Eno-Synthe-flächig). Usw. usf.

Es sind sich schon mehr und mehr Leute im Klaren darüber, daß Psychedelic- u. Progrock (mit exzessiven Keyboard-, Orgel-, Synthe-Orgien) in den 70ern eine nicht unbedeutende Rolle für elektronische Musik gespielt haben. Tangerine Dream (und die Solo-Ausflüge von Edgar Froese) sind da ein gutes Beispiel, zum Teil auch Hawkwind und massig andere.

Throbbing Gristle spielten z.B. ´nen Bass ein und arbeiteten mit Synthes und Tapeloops - die Grenzen zwischen "Rock"-Instrumentierung und "Elektronik" waren oft fließend.

Electroclash hat ebenfalls seinen Teil beigetragen - wo wird das Duet von Iggy Pop und Peaches eingeordnet?
Gorillaz oder UNKLE sind/waren äußerst erfolgreich mit einem Konzept, daß viele Grenzen - u.a. die von HipHop und Indierock - einreißt (MF Doom, Dan the Automator, DeLa Soul treffen auf Blur-Sänger Damon Albarn. Richard Ashcroft, Jason Newsted treffen auf DJ Shadow
House-Kult-Produzent Herbert tourt mit Orchester, DJ Vadim mit Band.
Die Beasties haben immer wieder live ihre Hardcore-Punk-Nummern zwischen ihren Unique Hiphop-Style gepackt.

Ich habe eine zeitlang im Kölner Blue Shell eine Veranstaltung mit dem Titel "Spread" gemacht, die genau dazu gedacht war, dieser Grenzenlosigkeit zu huldigen.

Hm ...wieso habe ich verdammt nochmal die Zeit um 4:00 Morgens dermaßen viel zu schreiben. Ich wollte doch was Abmischen. Damn. Gruß an alle Headz ohne Grenzen da Draußen!

DJ Phoney

nude
nude August 2006
stimmt !
"so ist das nunmal !" (zitat andreas dorau)

Kazuo
Kazuo August 2006
Der Unterschied zwischen Elektro und Rock
Remix ist allerdings ganz cool, aber der Artikel missfällt mir teilweise... Bei guter Elektromucke *sind* Sequencer/Sampler/Synthie die Instrumente, und damit KREATIV umgehen zu lernen ist keinesfalls leichter als Gitarre spielen zu lernen. Die ersten Versuche an elektronischer Musik klingen bei einem Neuling normalerweise nicht weniger unbeholfen als die ersten Gehversuche eines Gitarristen, und wer wirklich gute und eigenständige Elektronik produzieren will hat es IMHO sogar fast schwerer als jemand, der Rockmusiker ist, da er sich sozusagen vor einem leeren Blatt Papier befindet und durch die schiere Fülle der Möglichkeiten seinen eigenen Weg gehen muss - man kann nicht auf Standard-Riffs und -Patterns zurückgreifen. Anders sieht es natürlich aus, wenn man sich von vorneherein auf ein Genre wie Techno oder Drum'n'Bass festlegt und damit auch stiltypische Klänge und musikalische Elemente übernimmt.

Ist aber natürlich ein immer noch hübscher Artikel, der vielleicht trotz dieser unglücklichen Darstellung ein paar Ressentiments und Berührungsängste zwischen den musikalischen Fronten abbaut und Lust darauf macht, Neues zu entdecken.

Nadine de Macedo
Nadine de Macedo Juli 2006
Genau meine Meinung :)
Ich bewege mich z.zt stilistisch auch zwischen Pop, Rock und Elektro (Songs noch nicht online) und habe festgestellt, dass es für Elektro eine bereicherung ist klassische Elemente reinzupacken und für den Rock und Pop eine Bereichérung die Sounds mit mehr Experimenten zu füllen. Elektro muss nicht quietschen und Rock muss nicht immer voller E-Gitarren sein und mit 4 Akkorden auskommen... So ist Elektroclash nur ein Produkt dieser Kombination, aber es geht viel mehr! Genau diese Lücken sollten wir entdecken!

Stilübergreifendes Remixen ist für eine schwere Technik, aber da können wirklich klasse sachen bei rauskomen s. Artikel. Mich hats erfreut dass so was mal geschrieben wird!


von  Redaktion am 31.07.2006
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