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Electro  Magazin

Interview mit Paul van Dyk

Hinter den Kulissen #01
Interview mit Paul van Dyk


DexStar: Welche Ratschläge würdest Du all denen mit auf den Weg geben, die ihre erste Platte veröffentlichen wollen.

Paul van Dyk: Ich kann jedem nur aus eigener Erfahrung sagen: Mach auch Verträge mit Deinem besten Freund. Die braucht man dann auch nur, wenn etwas nicht mehr läuft. Aber macht es! Schreibt das alles auf und wenn es ein guter Freund ist, wird er es auch verstehen.

DexStar: Bei welchem Label sollten sie anfragen? Lieber im Ausland oder lieber hier in Deutschland?

Paul van Dyk: Ich glaube nicht, dass es irgendeine Relevanz hat, wo das Label herkommt.

DexStar: Naja, weil ja gerade hier in Deutschland der Markt (auch der elektronische) nicht mehr so gut aussieht. Viele fahren inzwischen die kommerzielle Schiene und legen garkeinen Wert mehr auf gute Musik.

Paul van Dyk: Das Problem ist, wer veröffentlicht solche Platten? Das sind die großen Major-Plattenfirmen, die auch entsprechend dafür abgestraft werden, gerade durch Umsatzeinbrüche, etc. Ich glaube nicht, dass irgendein Indie, wo es um Musik geht, so etwas veröffentlicht. Wir haben natürlich als VANDIT das Glück, dass wir zum einen durch mich als DJ, der weltweit arbeitet, als auch durch unsere Struktur einfach weltweit agieren können. Wenn wir ne Platte signen, dann kommt die in der ganzen Welt raus... nicht nur in Deutschland, nicht nur in England, sondern sie steht in den Staaten genauso wie in Südamerika oder Asien. Das kann ein Major heute nicht mehr. Insofern ist es halt ne relative Frage. Also ich sehe das Desaster in das die Musikbranche relativ relaxed als Indie.

DexStar: Kurze Frage am Rande (passt gerade so schön): Was hältst Du von Casting-Shows, wo irgendwelche Leute kurzzeitig hochgecastet werden und dann nachher wieder untergehen?

Paul van Dyk: Das Problem ist ja, es gibt offensichtlich mehr als genug Leute, die daran interessiert sind, insofern maße ich mir nicht an zu sagen: Das ist Scheiße. Es scheint irgendeinen Nerv der Zeit bei irgendwelchen Leuten zu treffen. Auf der anderen Seite muss ich auch sagen, dass ich keinen in meinem Freundeskreis dazu zählen kann, der das mag, also ich kenne effektiv niemanden, der sich das ansieht und toll findet. Das ist das eine, das andere ist: Es geht ja – und das ist was viele Leute einfach unterschätzen – es geht ja nicht nur darum, das einer, wenn er singt, ne Note trifft. Es geht auch darum, dass er etwas vermittelt, also etwas rüberbringt. So etwas hat einfach mit Wurzeln zu tun. Es hat damit zu tun, dass man eben ein Künstler ist. Das unterscheidet den Künstler von dem Handwerker... Natürlich gibt es Leute, die können wunderbar singen, sind aber künstlerisch völlig untalentiert, weil sie überhaupt nicht in der Lage sind etwas zu interpretieren. Und wenn ich mir vorstelle, ich bin jetzt einer, der vorher Barkeeper war, bin jetzt bei ner Casting-Show, gewinne da und Dieter Bohlen schreibt mir ein Lied, dann mag ich das vielleicht technisch einwandfrei singen können, aber dabei kommt nichts, aber auch gar nicht rüber. Weil ich ganz andere Wurzeln habe als Dieter Bohlen, weil ich mich auch in keinster Weise da rein fühlen kann, weil ich die künstlerischen Möglichkeiten gar nicht habe, weil ich noch nie die Möglichkeit gehabt habe, die überhaupt auszubauen und zu lernen ... das ist ja ein ständiger Lernprozeß. Und wenn ich über eine Casting-Show innerhalb eines halben Jahres nach oben gespült werde, dann habe ich die Möglichkeit gar nicht. Das ist halt der Unterschied zwischen jemandem der gut singen kann und jemandem der gut singen kann UND Künstler ist. Es gibt auch Riesentalente, die gar nicht singen können und trotzdem Riesen-Künstler sind. Bernhard Sumner von New Order z.B., der kann eigentlich nicht singen, hat aber soviel Ausdruck in seiner Stimme, dass das absolut harmonisch funktioniert mit New Order.

DexStar: Lass uns mal zum Auflegen überwechseln: Du benutzt Final Scratch zum Auflegen. Warum?

Paul van Dyk: Weil es cool ist... *lacht*

DexStar: Einige DJs nennen da ja Argumente wie: „Die Vinyl stirbt aus“ oder „Das klingt doch alles nur noch digital und nicht mehr analog...“ Was denkst du darüber?

Paul van Dyk: Also ich nehme es – und da gebe ich Dir meine Hand drauf – mit jedem, der mir erzählt, analog ist doch viel besser, sofort in der Diskussion auf. Und ich schwöre Dir, dass nach 10 Minuten kein Argument mehr da ist. Es ist ja schon allein von dem physikalischen Ablauf falsch zu glauben, dass irgendwas plötzlich auf ner Vinyl wieder da ist, was vorher ja schon mal digital reduziert worden ist, wenn man es auf DAT aufnimmt. Das ist schon mal Punkt 1 und Punkt 2 ist der: Ich nehm's soundmäßig mit Final Scratch mit jedem auf, der ne Platte auflegt... easy goin‘ - ich leg sowieso keine MP3s auf, sondern richtige 16-Bit-AIFF-Files. Dementsprechend klingt es eben auch ganz anders.

Ein weiterer Vorteil ist, dass ich in diesem Programm sehe, wie schlecht die Qualität des Time-Codes ist. Ich kann, bevor mir die Platte hüpft, das Programm aus dem Vinyl-Betrieb umschalten, dass das File quasi autark weiterläuft ohne den Time-Code zu nutzen... genau in der Geschwindigkeit. Und dann habe ich die Möglichkeit, da ich die andere Platte nach wie vor pitchen kann, aus der Nummer wieder rauszukommen, indem ich die reinzumixende Platte angleiche.

Ich muss sagen, dass man mit diesem System so viele Möglichkeiten hat, kreativ zu werden, die bei normalen Platten einfach nicht gegeben sind. Und insofern ist das ein enormer Schritt in die Zukunft und ich denke, da wird noch ne ganze Menge spannendes kommen.

DexStar: Welche Gedanken hast Du vor einem Auftritt oder Gig? Hast Du nach so vielen Jahren noch Lampenfieber, wenn Du vor Tausend, Zehntausend, 1,5 Mio.(!) auflegst?

Paul van Dyk: Ich würde es nicht als Lampenfieber bezeichnen, es ist so ein Kribbeln, was ich eher mit Vorfreude bezeichnen würde.

DexStar: Also ist es noch schön?

Paul van Dyk: Ja, absolut!!! Es ist so dieses Ding... ich weiß nicht, wie es bei Dir ist mit Weihnachten, aber bei uns ist immer so: das „Muddel“ verpackt immer alle Sachen und stellt die dann so unter den Weihnachtsbaum und dann darfst Du so ne Stunde nicht mehr rein ins Wohnzimmer... da hast Du ja dann kein Lampenfieber auf das was da passiert, aber Du hast so ein Kribbeln, so eine Freude darauf. Und so ist das auch beim Auflegen.

DexStar: Wie denkst Du eigentlich darüber, wenn manche Leute sagen, dass man ab 35 nicht mehr auflegen sollte? Die DJs sind dann nicht mehr uptodate... nicht mehr so frisch und irgendwie eh schon out...

Paul van Dyk: Ich weiß nicht, wie ich mich fühle wenn ich 35 bin, aber für mich hat das was damit zu tun, dass ich ne sehr klare Idee von dem habe, was ich mache – meinen Sound, den ich rüberbringen will und auf der anderen Seite eben die Interaktion mit den Leuten. Und solange ich in der Lage bin die Leute zu fühlen, zu sehen und das verstehe was da passiert, solange bin ich glaube ich auch in der Lage das umzusetzen und rüber zu bringen. Und ich glaube, das ist egal wie alt man ist. Interesse an Musik hat nichts mit dem Alter zu tun.

DexStar: Du würdest also nicht sagen: Ich höre mit 40 auf ... jetzt will ich noch was anderes machen!

Paul van Dyk: Weiß ich nicht, kann gut sein, dass ich vorher aufhöre. Das hat halt wirklich damit zu tun, wie diese Connection, diese Interaktion funktioniert... wenn es irgendwann nicht mehr funktioniert, muss man es halt lassen. Und wenn man sich Frankie Nuckles anguckt, der schon über 40 ist, aber nach wie vor die besten House-Hits auflegt , die man sich so vorstellen kann... es hat was damit zu tun, wie man die Musik lebt und liebt, die man präsentiert. Ich glaube, wenn man nur Plattenaufleger ist, um das zu spielen, was gerade Hip ist oder was auf Platz 1 in den Verkaufscharts steht, dann verliert man einfach den Überblick und dann kann man nicht mehr beurteilen: Ist das jetzt wirklich was tolles Neues oder ein alter Scheiß-Abklatsch. Wenn man das Ganze aber ambitioniert betreibt, ist das Alter eine sekundäre Frage.

DexStar: Wie teilst Du eigentlich dein Privatleben mit deiner Arbiet auf? Du bist ja doch sehr viel unterwegs... Und was sagt Deine Frau dazu, dass Du ständig weg bist?

Paul van Dyk: Das funktioniert eigenltich wunderbar... So oft wie es geht, ist sie ja dabei, insofern ist das nicht so schwierig. Die Sache ist bei mir auch eine besondere... als ich meine Frau mittlerweile vor mehr als 10 Jahren kennen gelernt habe, da war ich nicht auf dem Level, wo ich jetzt bin... was ich erreicht habe, habe ich mit ihr gemeinsam erreicht. Das was ich aufgebaut habe, habe ich mit ihr gemeinsam aufgebaut und natürlich auch immer Wert auf ihre Meinung zu Allem gelegt, insofern: das sind wir schon beide und deswegen gibt es auch dieses Problem nicht.

DexStar: Bist Du eigentlich auch im Internet unterwegs?

Paul van Dyk: Nein, garnicht.

DexStar: Kannst du uns vielleicht trotzdem sagen, was du über MP3-Tauschbörsen denkst. Ist das Promotion oder ein Ärgernis für GEMA-Künstler?

Paul van Dyk: Na es ist illegal und nimmt natürlich das Einkommen der Künstler weg, insofern sollte sich jeder selber überlegen was er da tut. Das ist jetzt wieder etwas komplexer, aber wenn man mal überlegt: da ist jetzt mein Lieblings-Künstler und von dem lade ich jetzt was runter, irgendwann verdient der aber kein Geld mehr, weil das machen Hunderttausend Leute ja auch, dann muss der anfangen irgendwas anderes zu machen und macht keine Musik mehr. Das heißt: Meine Lieblingsmusik stirbt deswegen aus, weil ich sie selbst ständig runtergeladen habe. Jetzt könnte der Nächste kommen mit dem Argument: "Ich lade ja nur Mariah Carey und Robbie Williams runter". Das ist der nächste Punkt. Das Problem ist, dass die Musikindustrie so funktioniert, dass Gelder quasi quersubventioniert werden. Das bedeutet: Jemand, der nicht soviel Platten verkauft, wird subventioniert, durch das Geld, das ne Plattenfirma mit Robbie Williams verdient hat. Wenn die Plattenfirma das Geld mit Robbie Williams nicht mehr verdient, dann kann sie auch nicht mehr quersubventionieren. Das heißt: die kleine, coole Band um die Ecke wird niemals die Möglichkeit haben, einen Plattenvertrag zu bekommen, geschweige denn in irgendeiner Art und Weise aufgebaut zu werden. Und damit bleiben wir irgendwann auf den Madonnas, Robbie Williams‘ und Mariah Careys dieser Welt sitzen, weil es sich keiner mehr leisten kann Musik zu machen.


Kurz nachdem wir dieses Interview beendet hatten, saß Paul schon wieder im Studio und bastelte an ...... an dem, was noch geheim bleiben soll. Ich bin gespannt, wie sie sein wird - die neue Platte, bei der ich ihn gerade „gestört“ hatte... :o)

Auf diesem Wege möchte ich mich auch bei Jens und Marcus vom Paul Van Dyk Management bedanken, die mir dieses sehr ausführliche Interview (mit Fragen und Antworten, die ihr bisher nirgendwo sonst lesen konntet) ermöglicht haben.



Interview: Stefan Hoepner (DexStar)



Kommentare

Juckreitz
Juckreitz Mai 2010
respekt


Axess
Axess Juni 2004
cool
Sehr schönes Interview, macht spass zu lesen, wie einer der erfolgreich ist rumwerkelt. Danke!

Bryan Summerville
Bryan Summerville Mai 2004
wow echt goil
klasse idee und respekt an unseren dex das der den Pvd zum interview bekommen hat

bin mal gespannz wer da noch kommt

macht weiter so

Virtuose aus der Dose
Virtuose aus der Dose April 2004
gute Story
die Story war sehr interessant - das wärs, würde ich so ein Studio besitzen - ich hätte 100000 Ideen im Kopf (da hilft nur ein Lottogewinn) und mein Traum wird Wirklichkeit

Hari

Terrence Carter
Terrence Carter April 2004
wieso ,,die kleinen,,?:-))))

- alex reed -
- alex reed - April 2004
irgendwann vor 12 Jahren mal war er in Lindau im Dome, (ich kannte mich damals noch nicht wirklich in der Scene aus, legte aber schon auf) und spielte irgend ne geile Scheibe...

Peach - on my own

hiess dat Dingens wie er mir auf Nachfrage ohne zu zögern sagte, somit mein erstes "paul van dyke - erlebnis" *ggg

klasse interview, thx stefan, mehr davon !

greetz
alex

Sylvia
Sylvia April 2004
also Quote: DexStar: Wie denkst Du eigentlich darüber, wenn manche Leute sagen, dass man ab 35 nicht mehr auflegen sollte? Die DJs sind dann nicht mehr uptodate... nicht mehr so frisch und irgendwie eh schon out...
Stefan den nehm ich Dir übel.. :p , ansonsten tolles Interview.
Danke Paul für die interessante Philosophie dazu :)
Syl

Marc Ende
Marc Ende April 2004
gutes Interview
mit einer Techno-Trance Legende. In den frühen Neunzigern bin ich zu Sets von P.v.Dyk gut abgegangen und ich hatte größten Respekt vor diesem Mann, wie damals auch Kid Paul, als der Underground noch Underground war. Mittlerweile legt er aber nur noch so Großraumdissentrancegewurschtel auf und gibt gar keine neuen Impulse mehr..wirklich schade ..na ja, wenn man von dieser Musik leben will, muß man vielleicht auch den Schritt tun und sich für die dunkle Seite der Macht entscheiden...auf daß der Rubel rollt.....Amen und gut Nacht

Inter-City-Trance
Inter-City-Trance April 2004
Nettes Studio;o)
Der Junge hat ja ein nettes studio...;o)

NiteWork4
NiteWork4 April 2004
supi cool
kann mich nur anschliessen - super das Paul und hoffentlich noch mehr von diesen "Urgesteinen" der Szene sich die Türklinke bei MOM in die Hand geben - Respekt Dex!!!

Und die Ausage, dass man mit einer guten Idee kein teures Studio braucht, um etwas geniales zu schaffen haben mir auch sehr gefallen...wobei ich mich manchmal frage, ob die von Paul angesprochene Fähigkeit die Qualität zu erkennen wohl nicht jedermanns Stärke im Produzentenkreis ist...

...auch wenn es etwas "unaufgeräumt" aussieht das Studio von Paul - würde ich mich auch opfern falls es weg müsste- grins*** vielleicht sollte ich auch nicht so auf die Ordnung achten - vielleicht klappt es dann auch mit meinem Ergebnis??

Höre fast jede Woche PVD's Radiosendung bei Fritz (Mittwochs 20-22 Uhr) - is auch Cool und vorallem
interessant - also wärs empfangen kann ;-))

Und wat kommt jetzt als nächstes???

rauhfaser-klang-de
rauhfaser-klang-de April 2004
wird Zeit dass er ein neues Studio bekommt, sieht ja aus da tzzzztztzztzttztz
ob der mir das "alte" Studio gibt? ;-)

Was kommt als nächstes?

Store N Forward
Store N Forward April 2004
Jawohl Ja
sehr schönes Interview....

find ich gut, dass MOM auch mal an die großen rangeht und ich finds gut das die Großen auch sich den Fragen der "kleinen" stellt...

Also dickes Lob an Dex


von  Redaktion am 23.04.2004
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