Musik, als Massenware
Für den Musikhörer von heute ist Musik schlichterweise ein mehr und mehr den Alltag durchziehendes Selbstverständnis. Nicht nur, dass Musik und anderes Klangwerk mit Hilfe von mobilen Playern und / oder technischen Lösungen wie Clouds & Co. jeder Zeit hörbar gemacht werden können, sondern auch das komponieren und produzieren von eigener Musik, ist in der Freizeit vieler nicht mehr wegzudenken.
Was in den vergangenen Jahren die eher selten anzutreffende familiäre kleine Hausmusik war oder von einigen wenigen sehr ambitionierten Kreativen in Schulbands mit improvisierten Mitteln oft schwerlich realisiert wurde (…und bei letzterem weiß ich sehr wohl wovon ich schreibe ;), ist heute ein akribisch gepflegtes und konfiguriertes Home Studio, dass durch erschwingliche Musiktechnik im Hard- und Softwarebereich auf oft vorbildlich neuestem Stand gehalten wird.
Jeder einigermaßen talentierte Hobbymusiker hat in diesen Tagen die Möglichkeit Musikproduktionen zu schaffen, die semiprofessionellen Ansprüchen absolut genügen.
Hier, da es gerade gut passt, eine kleine persönliche Rückblende… Wer ist heute noch beeindruckt oder sonderlich interessiert wenn ihr mal so nebenbei sagt, dass ihr eigene Musik produziert…. Na? Richtig! Was in den 80'ern oder 90'ern noch mit „is ja Hammer“ oder „Manomann, das muss ich hören“ und so ähnlichen Sprüchen kommentiert wurde, wird heute mit einem Lächeln oder „oh ja das ist gut, dass mache ich doch auch schon seit ein paar Jahren…“ honoriert. Nahezu jeder von uns hat diese Szene schon mal erlebt oder? Okay, zurück zum Thema.
Ein Rückblick: Wir sehen zurück in eine Zeit ohne Internet und Flashplayer.
Ja, vor 20 bis 30 Jahren sah es bekanntlich noch ganz anders aus… allein um den neuesten Track der favorisierten KünstlerInnen sein eigen zu nennen, war weitaus schwieriger, sprich mit deutlich mehr Aufwand verbunden… entweder die Single, Maxi oder das Album im Fachgeschäft erwerben (Amazon & Internetversand bzw. DAS Internet, so wie wir es heute kennen, gab es ja noch gar nicht) oder die Musikbegeisterten saßen stundenlang in eiserner Geduld vor dem Radiorecorder bis endlich der heiß erwartete Titel gespielt wurde. Dann galt es schnell reagieren und den Aufnahmeknopf drücken und inständig darauf zu hoffen, dass die oft schon strapazierte Mechanik im entscheidenden Moment nicht versagt bzw. auf der eingelegten Kassette noch genügend Platz zur Verfügung steht und das evtl. auch für die jeweilige Maxiversion des Titels…. und…., dass der jeweilige Radiomoderator nicht wieder in den Titel hineinquatscht (wer kennt ihn noch: Jürgen Jürgens und seine Sendung „Hey Musik“ am Sonntag Nachmittag). Bereits gekaufte Schallplatten wurden auf Kassetten gebannt und allein für diese „Leerkassetten“ wurde in jenen Tagen ungefähr so viel Geld ausgegeben, wie heute etwa bei ITunes für ein aktuelles Album zu berappen ist. Musik war also in diesen Tagen ein wertvolles Kulturgut, da es nur mit einem gewissen finanziellen und / oder zeitlichen Aufwand zu bekommen war.
In den 90'ern kam dann die Compact Disc… endlich Musik und Akustik in nicht verschleissbarer digitaler Qualität… der Soundtrack von „Twin Peacks“ (Angelo Badalamenti) war in jenen Tagen mein absolutes Highlight. Doch bevor der Discman, - das mobile CD Abspielgerät - in hohen Stückzahlen kam und für die breite Masse bezahlbar wurde, kopierten wir Musikfans weiterhin unsere Musik auf Kassetten für den Walkman. Na, wer von Euch (Lesern) hat noch einen „Walkman“ zu liegen?
In den 90gern wurde mit dem Dateiformat „MP3“ die speicherlastigen „WAVE“ Files in ein kompaktes Format gewandelt (das war ein Quantensprung für die Entwicklung der Flash- und Speicherkartenplayer, da Festspeicher und Speicherkarten nur mit geringen Kapazitäten und außerdem hohen Anschaffungskosten zur Verfügung standen). So war es möglich auf einem MP3 Flashplayer mit ca. 32 bis 64 Megabyte Kapazität bis zu zwei Musikalben zu bannen. Ich selbst hatte einen PONTIS MP3 Player mit CF- und SD- Schacht und war stolz auf eine 32 Mbyte CF-Karte für schlappe 199,00 DM.
Parallel zu den immer besseren Möglichkeiten, Musik auf allen Wegen des Lebens dabei zu haben, entwickelte sich auch das Internet mit diversen Möglichkeiten die gesuchten Alben sich zuzulegen und dieses im legalen und zunehmend leider auch illegalen Sektor zahlreicher Daten- und Tauschbörsen. Die über Jahrzehnte gewachsene Selbstverständlichkeit für gute Musik auch gutes Geld zu zahlen wurde innerhalb eines Jahrzehntes in ihren Grundfesten erschüttert und eine neue Generation von Musikkonsumenten mit einem äußerst liberalem Werteschemata was den Gebrauch von kommerzieller Musik betrifft, macht bis dato den Profimusikern und der gesamten Musikindustrie zu schaffen. Apropos Musikindustrie… die aktuellen Musikmessen bestätigen den Trend, dass insbesondere der Musikinstrumentemarkt noch nie zuvor so viele Kunden zählte wie es momentan der Fall ist. Waren es vor 2 bis 3 Jahrzehnten noch fast ausschließlich Profimusiker und wenige gut betuchte Hobbymusiker die auf Musikmessen nach neuen Produktionslösungen Ausschau hielten, sind es heute zunehmend Hobby- und nichtprofessionelle Musiker, die auf dem heutigen Musikinstrumentemarkt die Kassen klingeln lassen.
Es besteht ein äußerst günstiges und in sich gegenläufiges Verhältnis von sinkenden Instrumentenpreisen bei gleichzeitig steigender Produktionsqualität.
Das Thema Musik hat also im Bereich des Konsumenten anscheinend an Wert(schätzung) verloren und erlebt doch eine noch nie da gewesene Marktchance im Bereich der aktiven Freizeitmusik. Die Profi-Musikszene der Neuzeit wird dadurch immer mehr durchdrungen und in wahrstem wörtlichen Sinne regelrecht aufgemischt mit nicht kommerzieller und GEMA freier Musik, die dazu „erschwerend“ und „schrecklicherweise“ durch erschwingliche Produktionstools an Qualität und Anspruch stetig an Zuhörer und Fans gewinnt.
Es ist eine somit eine logische Konsequenz, dass in Gesprächen mit Profimusikern und Produzenten eines klar wird: Die Wertschätzung bzw. das gesamte Wertegefüge hat sich für den Musikgebrauch und für das Musikverständnis im allgemeinen total verändert. Ich kenne einige studierte Musiker, die sich die „alten Zeiten“ zurückwünschen und am liebsten per Gesetz verbieten möchten, dass jeder Musik machen und anbieten kann.
Gerade die altvorderen Profimusiker sind nun in einem hohen Maße gezwungen, um dauerhaft in diesem hart umkämpften Markt noch genügend Geld für ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sich die Medien und Chancen Internet und Fannetzwerke gegen eine immer breiter werdende Front von „Freimusikern“ zu eigen zu machen und so direkten Zugang zu ihren Fans wieder bekommen bzw. zu erhalten.
Hochwertige populäre Musik hat es in Zeiten des scheinbaren Überangebotes um so schwerer, überhaupt vom User erkannt oder besser formuliert, in diesem riesigen heute verfügbaren Musikjungle „entdeckt“ zu werden… Hörer sind nicht mehr gezwungen sich auf einen Künstler bzw. eine kleine Künstlergruppe zu fixieren, da einfach viel mehr Angebote in allen Genres und Styles zur Verfügung stehen.
…und wir, die freien MyOwnMusic & Co. Musiker, die nicht gezwungen sind mit unserer Musik Wohnung, Heizung, Essen etc. zu bezahlen, haben gerade in diesen Tagen schier unbegrenzte Möglichkeiten. Nie zuvor war es für uns so einfach, hochwertige Musik zu produzieren, die von einem Publikum zu jeder Zeit gehört werden kann.
…nur eines gilt auch heute noch: „Ohne Fleiß, keinen Preis.“
Kommentare
breakfruits März 2012
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Ein sehr guter Artikel deinerseits, da sollte sich jeder mal drüber Gedanken machen, über heutige Hobbymusiker ist wahrhaft keiner mehr überrascht es sei denn er entwickelt ein komplett neues Genre, welches sich in naher Zukunft in die Musikbranche einfindet.
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Jens Ladwig
am 31.03.2012
20060 














