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Pop  Magazin

Auf Wohlklang geeicht - Interview mit Selma

Interview mit Selma
Auf Wohlklang geeicht - Interview mit Selma

Hallo Selma!
Ich freue mich riesig, dieses Interview mit dir führen zu dürfen, denn du bist kaum ein paar Monate hier auf myownmusic und hast schon alle mit deinen emotionalen, ehrlichen und so anspruchsvollen wie genialen Kompositionen verzaubert.
Man hört ja hier und da, du seist im Moment sehr beschäftigt was deine Musik angeht; die Angebote für Zusammenarbeiten flattern dir ja wie Stechmücken ins Haus.
Magst du uns dazu Näheres erzählen?


Das läuft zurzeit wirklich wie geschmiert. Im letzten halben Jahr habe ich Projekte mit circa 15 verschiedenen Künstlern, aus den unterschiedlichsten Stilrichtungen Musik gemacht.

Alle Achtung! Du schläfst aber schon zwischendurch noch, ja? ;0)
Gab es Highlights unter diesen Zusammenarbeiten?


Besonders beeindruckt und fasziniert hat mich die Arbeit mit der professionellen Sopranistin Viktoria Varga. Kennen gelernt auf Schloss Weikersheim, haben wir gleich gemerkt, dass wir musikalisch zusammenpassen. Eine Woche lang hab ich von früh bis in die Nacht hinein Arien für sie geschrieben, die wir dann in der bezaubernden Atmosphäre des Schlosses aufgenommen haben.
Im Moment widme ich mich aber ganz anderen Musiksparten, nämlich dem Reggeaton. Ich düse mehrmals die Woche nach Wiesbaden um Beats für J-estilo’s Album zu producen oder zu composen, wie man so schön sagt. Was zurzeit ziemlich stressig ist, weil das Album schon demnächst in Chile und in Deutschland veröffentlicht werden soll.
Nebenbei bin ich gerade dabei mit meiner all-female-crossover-rock-pop-soul-Band „Geminis“ zu planen nach dem Abi eine Tour quer durch Amerika zu starten.
Doch nicht nur der Rock, Pop, Klassik und der Reggeaton haben es mir angetan.. richtig verliebt bin ich in die Filmmusik. Das hat Thomas Nolte zufällig aufgeschnappt und mich gleich darauf gefragt, ob ich nicht Lust hätte Hörbücher zu vertonen. Jetzt muss ich nur noch ein Probekapitel als Test meistern und schon bin ich meinem Traum ein Stück näher.

Mein lieber Scholli! Du komponierst also klassische Werke, produzierst Beats und spielst nebenbei auch noch in einer Band? Was genau machst du bei den "Geminis", und wo kann man sich das anhören?

Bei „Geminis“ spiele ich Klavier aber auch Synthesizer, mit dem ich bei Live-Auftritten von Drum-Set, bis Streichorchester alles ersetze. Die Melodien entstehen meistens aus Jam-Sessions mit Paula und Franzi, die beide singen und Gitarre spielen. Anhören kann man sich bis jetzt noch nicht viel, da wir noch keine Studioaufnahmen gemacht haben. Im Januar nisten wir uns dann aber drei Tage lang zum Aufnehmen ein und erstellen ein Album. Das Ergebnis kann man dann auf www.myspace.com/geminisnew bewundern.


Da bin ich ja mal gespannt.
Selma, du bist eine junge Frau, ich sag mal, aus etwas provinzielleren Gegenden, die glaube ich sogar noch die Schulbank drückt - und dennoch hören wir von dir gereifte, ausgeklügelte Kompositionen mit Gefühl und Sachverstand; erklär uns doch bitte mal, wie ein solch erwachsenes und reifes Talent seinen Weg in das Dasein eines Teenagers findet!


Also meine Mutter ist ja der Meinung, dass mein musikalisches Verständnis daher kommt, dass sie in ihrer Schwangerschaft immer so viel Musik gehört hat. Lieblingsplatte: Suite for Selma ;)

...ein Schelm, wer jetzt denkt, das hätte sie bei der Namensgebung beeinflusst ;0) Also rührt deine Musikalität scheinbar daher, dass du bereits vor deiner Geburt auf Wohlklang "geeicht" wurdest?

Da könnte durchaus was Wahres dran sein könnte, denn ich habe schon seit dem Kindergarten etwas in mir was raus und ausgelebt werden will. So habe ich meine Kindergärtnerin immer mit Pfeifimprovisationen zur Weißglut getrieben und als ich mich dann endlich mit sechs Jahren ans Klavier gesetzt habe, habe ich zu jedem Stück eine Eigenimprovisation geschrieben.
Was aber auch nicht außer Acht gelassen werden darf, sind 13 Jahre klassische Klavierausbildung bei einer sehr guten, aber auch genauen Lehrerin. Da wird wochenlang an jeder einzelnen Note gefeilt, damit alles mit Ausdruck gespielt wird.
Wobei ich aber mein junges Alter aber auch nie als ein Hindernis für gefühlvolles Spielen gesehen habe.
Wenn ein Kind Angst hat oder traurig ist, dann weint es. Ich weine durch meine Klavierstücke. Viele Erwachsene haben verlernt zu weinen und ihren Emotionen freien Lauf zu lassen.

Also dieser letzte Satz hat jetzt aber echt gesessen. Du sprichst sicher von "normalen" Erwachsenen, "Eight-to-five" - Menschen, die weder kreativ sind noch sonst wissen, wie sie ihren Gefühlen Ausdruck verleihen können; was unterscheidet uns Künstler emotional gesehen vom Rest der Menschheit?

Ich bin ja der Meinung, dass alle Künstler im Inneren Kinder sind. Sie sind verspielt, leidenschaftlich, oft auch chaotisch und verpeilt ;).

Aber mal was anderes: die Szene der Komponisten in deinem Genre ist bei weitem keine Kleine; wie reagieren gestandene Notenzauberer, die schon seit vierzig Jahren oder länger ein Opus nach dem anderen raushauen, wenn da plötzlich ein Wunderkind wie du um die Ecke kommt und mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit alle an die Wand komponiert?

Von Komponisten bekomme ich immer ein gutes Feedback, vor allem von Mom-Usern. Bei reinen Klassikern, die nur interpretieren und nicht improvisieren oder komponieren, stoße ich oft auf Ablehnung.

Ablehnung? Warum, was erwarten die denn?!

Sie wollen etwas komplexeres, wollen meine Stücke auseinander nehmen und analysieren, finden aber nichts außer reine Melodie und Stimmungen.
Ich habe ein eigenes Stück von mir mal neben Schumann, Bartok und Bach bei Jugend Musiziert und Jugendkulturpreis vorgespielt und sie haben mir danach nur entgegnet, was ich mir dabei gedacht hätte, ein eigenes Stück zu spielen. Sie könnten ja gar nicht nachschauen, ob ich einen Fehler gespielt habe. Ein Satz den ich auch oft von meiner Klavierlehrerin höre ist, dass meine Musik nur Popmusik wäre.

Popmusik? Mitnichten. Da muss ich der Dame aber mal ganz heftig widersprechen. Wo wir gerade dabei sind: mal angenommen, ein Klassik-Label wird auf dich aufmerksam, nimmt dich unter Vertrag und beschliesst, deine Musik und dich selbst samt musikalischer Unterstützung um die Welt zu schicken. Gibt es Solisten, Dirigenten oder gar ganze Orchester, mit denen du gerne mal zusammenarbeiten würdest?

Das ist ja wie bei dem Spiel, was würdest du alles auf eine einsame Insel mitnehmen =).

Schade, das wollte ich direkt danach bringen ;0) okay, dann improvisieren wir: stellen wir uns eine Insel vor die aussieht wie ein Konzerthaus mit Palmen; es gibt genug Platz für alle, jede Menge Instrumente und natürlich ein kaltes Buffet - wen nimmst du mit?

Also was den Operngesang angeht, würde ich niemand anderes mitnehmen als Viktoria Varga, die zurzeit an der Budapester Staatsoper singt. Außerdem kämen noch hunderte von Streicher mit mir auf Tour. Einfach so viele wie nur auf eine Bühne passen… und wovon ich schon seit dem Film „Kinder des Monsieur Matthieu“ träume: ein Knabenchor.
Wenn ich ehrlich bin, kann ich dir aber gar keine großen Namen der Klassik sagen. Ich hör immer nur die Musik, find sie toll oder nicht, die Namen bleiben aber nie hängen.
Mit wem ich mal gerne zusammen arbeiten würde, wären Justin Timberlake und Timbaland, aber das sind ja keine Klassiker.


Hm, Klassiker sicher nicht, aber ihre Erwähnung ist durchaus interessant und zeugt mal wieder von deiner Vielseitigkeit. Die meisten unbedarften Hörer stellen sich einen Komponisten klassischer Werke wahrscheinlich als introvertierten, dauergrübelnden und unkommunikativen Stubenhocker vor, der den ganzen Tag über irgendwelchen Notenblättern brütet und im Kontakt mit anderen Menschen schnell ins Stottern kommt; mit dir allerdings haben wir eine nicht nur äußerst talentierte, sondern auch noch attraktive, aufgeschlossene junge Frau vor uns - was denkst du, unterscheidet dich noch von anderen Komponisten? Was macht dich "besonders" in der Welt der Klänge?

*lach* Ja, also introvertiert würde ich mich auch auf keinen Fall nennen und über meinen Stücken brüte ich auch selten. Hmm.. was mich besonders macht.. das klingt so eingebildet.

Finde ich gar nicht. Jeder von uns hat doch was, was ihn ausmacht. Du vielleicht ein bisschen mehr als andere, aber damit müssen wir leben ;0) Was ist es also bei dir?

Was mich von anderen Komponisten unterscheidet ist, dass ich mich wirklich für alle Musiksparten begeistern kann und mich auch in nahezu allen austobe. Die Erfahrungen, die man in einer Stilrichtung macht, kann man auch für alle weiteren gut gebrauchen. So bringt mich die Arbeit mit den zwei kreativen Köpfen Franziska und Paula Grohmann von meiner Band, immer wieder ein großes Stück weiter. Das stundenlange experimentelle Jammen oder Improvisieren, wie man es in der Klassik nennt, bringt mir mehr Flexibilität in meinem Stil und viele neuen Ideen.

Ich weiß, diese Frage wird in Interviews irgendwie immer gestellt - aber bei dir interessiert es mich wirklich ;0)
Woher nimmst du die Inspiration für deine Stücke? Was passiert in deinem Kopf, wenn du an einem Klavier sitzt und ein leeres Notenblatt vor dir hast?


Zuerst muss ich einmal sagen, dass in 99 % der Fälle kein Notenblatt vor mir liegt. Ich bin meistens zu faul zum Aufschreiben und mache es nur wenn es wirklich nötig ist, so wie für den Kompositionswettbewerb, an dem ich jetzt teilnehmen werde.
Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht woher ich die Inspiration für meine Stücke nehme.

Das macht dich nur umso sympathischer. Nehmen wir doch mal einige Selma-Werke kurz auseinander: dein Stück "Theatralisch" zum Beispiel klingt ja - in meinen Ohren - wie eine Mischung aus Rachmaninov und Avantgarde, fesselnd und verwirrend zugleich. Was geht in einem Menschen vor, wenn er so etwas komponiert?

Bei „theatralisch“ haben sich meine Finger wie von Geisterhand bewegt. Ich habe das tiefe cis am Anfang gespielt und der Rest kam von alleine. Ohne, dass ich mir vor dem Spielen, ja nicht mal vor dem nächsten Ton überlegt habe, wie es weitergehen könnte.

Sagenhaft. Deinen ersten Hit des Tages hier bei MOM, das wunderschöne Stück "Melancholy", hast du nach eigenen Angaben im Alter von 15 Jahren komponiert; war das ebenfalls eine Geisterhand-Situation, oder steckte da mehr dahinter?

Bei „Melancholy“ war es anders. Ich hatte zu der Zeit so viel Trauer in mir, die ich ausdrücken musste, mit Worten aber nicht beschreiben konnte und auch nicht wollte. Also habe ich mich im Dunkeln ans Klavier gesetzt, immer nur zwei, drei Töne gespielt und dann in mich reingehört, zuerst mal die Melodie in meinem Kopf entworfen und dann immer ein kleines Stückchen weiter gemacht. Das hat mir zu dieser Zeit sehr geholfen.
Was ich jedoch auch gerne und viel mache ist zu Klassik-, Jazz- oder Popstücken oder einfach nur zu einem Beat zu improvisieren. Wenn ich im Klavierunterricht ein neues Stück einübe, dann höre ich an manchen Stellen wie die Melodie anders weiter gehen kann und so entstehen aus bereits bestehenden -, neue Stücke .


Das ist sehr interessant. Wie bist du eigentlich hier bei MOM gelandet, und wo kann man sich sonst noch deine Musik anhören?

Zu MOM bin ich durch einen Freund, Konstantin Falahati, gekommen. Ich hatte schon länger den Traum meine Musik ins Internet stellen zu können, damit mehr als nur Familie und Freunde meine Musik hören. Bei ihm habe ich dann gesehen, dass es gar nicht so schwer ist :p.
Meine Musik kann man sich noch auf myspace.com/musicselma anhören. Eine eigene Website soll dann folgen, sobald ich ein bisschen Geld mit der Musik verdient habe.

Na, da drücken wir dir doch alle von Herzen die Daumen. A propos Geld verdienen: was willst du generell mit deiner Musik erreichen, wohin führt dein musikalischer Weg, und wie gedenkst du da hin zu kommen?

Ich will mit meiner Musik erreichen, dass ich Menschen berühre und inspiriere… und zwar möglichst viele Menschen! Zu diesem Ziel werde ich einen sicheren Weg gehen und zwar werde ich nächstes Jahr anfangen in Frankfurt Musik auf Gymnasiallehramt zu studieren. Nebenbei versuche ich dann in die Welt der Filmmusik rein zu finden.

Das wäre dir zu wünschen. Dein Standpunkt gegenüber der Musik deckt sich übrigens doch ziemlich mit meinem, das freut mich.
Nun, da wir uns ja ein klein wenig besser kennen, eine etwas tiefergehende Frage:
Was ist dein größter Wunsch, Selma, was müßte man dir geben, sagen oder sogar nehmen, um dich sagen zu hören: "Nun ist alles perfekt!"?


Eigentlich kann ich bereits sagen „Nun ist alles perfekt“. Seit einem halben Jahr läuft alles so wie es laufen soll und ich bin wunschlos glücklich... Nunja, so würde ich das jetzt im Moment mal formulieren.. in der nächsten Stunde kann die Welt schon wieder ganz anders aussehen. Das wechselt eigentlich stündlich. Aber ich bin schon ein glücklicher Mensch ;).

Ein glücklicher Mensch? Die gibts also doch noch?!!! Man sollte dich klonen :0) Sag mal, falls du mal einen Grammy für den besten Filmsoundtrack gewinnst - bei wem bedankst du dich dann (und sag jetzt bloß nix falsches ;0)))?

Ich würde mich bei Dennis Westenberger bedanken, weil er mir ein Studio zur Verfügung stellt, in dem ich mich immer austoben kann und bei Thomas Nolte weil er mir den Job als Hörbuchvertonerin verschafft hat. Außerdem würde ich mich natürlich bei Markus Schmitt bedanken, durch dessen Interview ein Klassik-Label auf mich aufmerksam wurde und die Aufträge für Filmmusik wie Stechmücken ins Haus geflogen sind.

Genau das wollte ich hören, hihi.
So, nun haben wir dich glaube ich recht gut kennengelernt, liebe Selma, und ich muss sagen, du bist eine wirklich interessante, vielseitige und mitreissende Künstlerin.
Und da mir jetzt langsam die Fragen ausgehen - gibt es etwas Essenzielles, was du mir, den Leuten auf MOM oder dem Rest der Welt gerne mitteilen möchtest? Das Evangelium nach Selma, die Zehn Gebote der rothaarigen Notenzauberin oder sonst etwas in der Richtung?


Was ich schon immer mal los werden wollte: Leute! Kämpft dagegen an, dass Filmmusik in Deutschland nicht ernst genommen und in die Schublade U-Musik gesteckt wird! Dafür aber "Moderne Musik", die sich kein Mensch in den Cd-Player schieben würde und das Notenbild manchmal aussieht, als sei die Katze mit dreckigen Pfoten über das Blatt marschiert, hochgelobt wird und als Ernste Musik durchgeht. Wie kann man das Geräusch eines Rasenmähers als Musik ernst nehmen und emotionale, gefühlvolle Filmmusik nicht??

Das ist in der Tat eine Frage, die ich mir auch schon gestellt habe :0) Also Leute, gebt der Filmmusik wieder eine Chance, denn sie hat mindestens genau so viel Seele wie der ganze PlastikPopMüll, den wir im Radio hören, eine weitaus höhere Daseinsberechtigung und vor allem sympathische, fähige und bewundernswerte Vertreter wie Selma.
Nun denn, Selma, ich denke wir genehmigen uns jetzt noch was zum Trinken und machen danach wieder das, was wir am besten können: Musik. Wie sieht's aus: Pepsi oder Coca Cola?


Keins von beiden. Ich trink lieber Tee oder Malzkaffe :D

Auch gut, dann bleibt mehr für mich :0)
Ich danke dir für dieses herrliche Interview und diesen wirklich aufschlußreichen und interessanten Einblick in dein Schaffen und deine Persönlichkeit!
Alles Gute!


Kommentare

Mona Lee
Mona Lee Oktober 2009
Wow!
Ein beeindruckendes Interview.
Oder nein - eher so: da hat eine beeindruckende Person Rede und Antwort gestanden :-)
Schöne Art und Weise, Musik so entstehen zu lassen - im Dunkeln, ganz allein mit ihr.
Selma, ich wünsche Dir sehr, dass Du Deinen Weg so gehen kannst, wie Du es möchtest und brauchst.
Alles Liebe und Gute und viel Erfolg (auch) für Frankfurt!
Mona Lee


von  Redaktion am 26.10.2009
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