Cookie Consent by Free Privacy Policy Generator website
MyOwnMusic

Electro  Magazin

Haltet eure Ohren frisch und "hungrig"!

Interview mit mauerhuhn
Haltet eure Ohren frisch und

Diesmal versuchen wir den Schleier des (noch) unbekannten Artistprofil "mauerhuhn" etwas zu heben. 

Wer steht hinter dem Projekt "mauerhuhn", und wie hat es sich ergeben. Wie kamst du zur Musik im allgemeinen ?

Das Projekt "mauerhuhn" besteht nur aus mir. Zur Musik bin ich auf dem "klassischen" Wege über Klavierunterricht in meiner Kindheit gekommen. Die Effektivität des Unterrichts litt allerdings schon sehr früh darunter, dass mein Interesse am reinen Reproduzieren von Musikstücken relativ begrenzt war. Es machte mir schon immer viel mehr Spaß, auf dem Klavier zu improvisieren, statt stur nach Noten zu spielen, obwohl das Üben natürlich letztendlich sehr wichtig war und ist. Bis 2002 habe ich dann immer in irgendwelchen Bands Keyboards gespielt, seitdem mache ich nur noch alleine Musik.

Das "Projekt" besteht eigentlich schon immer, denn "Homerecording" (wer benutzt eigentlich noch diesen Begriff?) betreibe ich nun seit einigen Jahrzehnten, zu Beginn zu DX7-Zeiten (1983) mittels zweier Cassettenrekorder und PingPong-Methode (wem das noch was sagt ;-)

Im Internet präsentiere ich meine Musik allerdings erst seit ein paar Jahren.

Seit Jahrzehnten! Bei Künstlern mit vieljähriger musikalischer Vergangenheit hört man den (alten 70er) Retrostil heraus. Bei Dir aber hören sich die Tracks viel moderner an, sprich losgelöst.

Danke, für mich ist das ein großes Kompliment! Mir ist es sehr wichtig, keine ausgetretenen musikalischen Pfade erneut zu durchtrampeln, weil mich das langweilen würde -- eben wie früher im Klavierunterricht die endlose Reproduktion der immer gleichen Musik.

In wie weit profitierst du von deiner handmade Erfahrung hinsichtlich der heutigen rechnerorientierter Arbeitsweise ?

Die Erfahrung, ein Instrument spielen zu können, ist für den musikalischen Inhalt meiner Stücke sehr wichtig. Es geht aber sicher auch ohne (dafür gibt es Beispiele genug), wenn Talent, Gehör und "Musikalische Intelligenz" vorhanden ist.

Um einigermaßen ordentlich klingende Musikstücke zu produzieren, ist für mich die Erfahrung mit Musik-Hardware, also Synthesizern aller möglichen Arten (Analog, FM, Wavetable usw) sowie mit der Peripherie (Mischpulte, EQs, Kompressoren, Effekte usw) jedoch unabdingbar, auch und letztendlich gerade in der heutigen softwarezentrierten Produktionswelt, denn die ganze heute erhältliche Software führt im Wesentlichen keine neuen Konzepte ein, sondern bildet nur die schon seit Jahrzehnten bestehenden und bewährten Konzepte virtuell nach.

Jedem Hobbymusiker steht in der aktuellen Sequenzer-Software das virtuelle Pendant eines Hardware-Parks zur Verfügung, für den man vor 30 Jahren locker 100.000 Euro und mehr hätte hinblättern müssen, einschließlich der entsprechenden Komplexität. Wenn man da nicht durchblickt und die "Geräte" unter Kontrolle hat, nutzt man die ganze wunderbare Funktionalität letztendlich nicht aus. "Musik produzieren" kann man natürlich trotzdem, aber den ständig steigenden Sound-Ansprüchen der heutigen Hörer kann man dann nicht gerecht werden.

Wer erst heute in die softwareorientierte Musikproduktion einsteigt (also ohne jemals Hardware angefasst zu haben), muss sich letztendlich trotzdem in dieselben Konzepte einarbeiten, die vor 30 und mehr Jahren auch schon galten. Insofern ist "handmade" eigentlich auch heute noch notwendig für gute Produktionen.

Das heißt du arbeitest 'hybrid'. Sprich eine Kombi aus Hardware und Software.

Nein, der hybriden Arbeitsweise habe ich schon länger abgeschworen. Also früher bestand dies aus dem Rechner mit Sequenzer (nur MIDI, später auch Audio) und externen Tonerzeugern (Synthis). Irgendwann habe ich dann den Koller bekommen, denn ein spontanes kreatives Arbeiten war damit nicht möglich. Also "einfach mal schnell den Kram anwerfen" war nicht drin, meist passten irgendwelche MIDI-Kanäle nicht mehr usw., dann war ich immer erstmal 1 Stunde beschäftigt, bis alles wieder richtig eingestellt war.

Perfekt für mich passende Arbeitsbedingungen gibt es, seit es integrierte Produktionssoftware gibt, also wo die Tonerzeuger enthalten sind (VST Instruments oder in meinem Falle eben Reason). Das passt für mich perfekt, weil ich "mal zwischendurch", auch wenn ich nur eine Stunde Zeit habe, an dem aktuellen Song ein kleines Stückchen weiterarbeiten kann. "Schnell rein und schnell wieder raus" heißt die Devise. (Man muss sich das mal vorstellen: ein Total-Recall-Mischpult, was paralleles Arbeiten an mehreren Songs ermöglichte, war früher ein Privileg der Superstars in den Super-Highend-Studios, nicht unter einer halben Million zu haben. Heute hat das jede Popel-Software drauf -- das ist eigentlich der Wahnsinn!)

Ein großer Vorteil dieser "Zwischendurch-Arbeitsweise" ist, dass man ständig genug Abstand zu der eigenen Kreation behält. Wenn man sich in stundenlangen Sessions zu sehr darin verliert, kann man am Schluss die Qualität des eigenen Werks gar nicht mehr richtig beurteilen.

Bist du jetzt der Intuitive oder mehr der Planerische, der zum Beispiel Akkordformel als Grundlage entwickelt, und dann als Trackbasis verwendet.
Oder wie gehst du bei der Gestaltung deiner Tracks vor ?

Die wichtigen Grundelemente, die Aufhänger meiner Tracks entstehen oft nur im Kopf. Ich "höre" in Gedanken eine Melodie oder ein Riff oder einen Groove. Diese Ideen sind einfach plötzlich da. Sicher auch inspiriert durch alle möglichen Dinge, die ich höre (ich verbringe allerdings selbst eher wenig Zeit mit Musik hören). Da solche Ideen leider sehr flüchtig sind, versuche ich ein paar Tage lang, sie im Kopf etwas auszuarbeiten und mir sie einzuprägen. Wenn sie "gut" sind, dann klappt das auch, andernfalls verfliegen sie von alleine wieder. Früher habe ich mich meist zu früh ans Keyboard gesetzt und versucht, die Idee hörbar zu machen, was dann meistens in Frust endete, weil die Idee einfach noch nicht "reif" war - es hörte sich schlussendlich nicht so gut an, wie ich es mir ursprünglich vorgestellt hatte. Mittlerweile habe ich aber gelernt, wie ich mit meiner eigenen Kreativität umgehen muss, damit sie auch produktiv ist.

Wenn der Kern des Tracks steht, mache ich als nächstes den Ablauf, das ist immer das Wichtigste, da der Spannungsbogen und die Struktur "gut", spannend und gehaltvoll sein müssen. Erst wenn das alles geklappt hat, weiß ich, dass der Song was wird und er nicht in der Tonne landet. Und erst dann gehe ich an den Feinschliff von Arrangement und Mix.

Aha, du hast dich neben den musikalischen, sogar gleich den 'alten' Produktionstechniken mit entledigt.

Nein, ich wende heute letztendlich die gleichen grundlegenden Produktionstechniken an wie damals. Ob ich einen Tonerzeuger oder einen Kompressor oder einen Mix-Kanal nun in echt (als Hardware) habe und bediene oder nur virtuell in der Software macht für mich keinen Unterschied. Der Unterschied besteht letztendlich nur darin, sich nicht mehr durch eine beschränkte Menge an Hardware kreativ einschränken zu müssen.
Um es mal krass auszudrücken: Mit den heutigen Produktionsmöglichkeiten ist ein Traum in Erfüllung gegangen, den ich 30 Jahre lang geträumt habe.


Ich sehe auch, du hast auch schon Kollaberationen mit Plattformmitgliedern wie zum Beispiel mit Ilonka Rudolph gemacht. Ist das die letzte Konsequenz daraus, der vollständige Schritt ins digitale Musikmachen ?

Kollaborationen werden durch die Software und das Internet natürlich auf eine Weise möglich, die früher nur mit sehr viel Aufwand zustande kommen konnte. Und dass "wildfremde" Menschen zusammen Musik machen können, ist auch eines der unzweifelhaften Verdienste des Internets und insbesondere von Musikerplattformen wie MOM. Myriaden an Hobbymusikern und Talenten, von denen noch vor 15 Jahren niemand Notiz genommen hätte, können sich nun präsentieren. Das ist eine unheimlich wichtige Errungenschaft dieser Zeit, denn Musik und ganz allgemein Kunst muss gesehen und gehört werden, sonst hat sie ihren Zweck verfehlt.


Wie stehst du denn im allgemeinen zu Musikerplattformen.
Oder wie bist du zu myownmusik gekommen?

Zu myownmusic bin ich gekommen, weil ich mit meiner vorigen Plattform nicht so ganz zufrieden war. Was ich hier bei MOM wirklich richtig gut finde, ist, das es auch ganz offiziell eine Plattform für Hörer und nicht nur für Musiker ist und dass die Struktur der Plattform gerade auch die Kommunikation zwischen Hörern und Musikern fördert. Der zentrale Aspekt ist hier ganz einfach das "Musik hören" - die Charts, die Auswahl und die Präsentation der (neuen bzw. ähnlichen) Titel spielen hier die Schlüsselrolle. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang finde ich auch die Funktion der Redakteure. Redaktionelle Betreuung auf solchen Plattformen finde ich ganz allgemein sehr wichtig, wird aber in diesen Zeiten leider immer stärker vernachlässigt und man findet das leider auch nicht oft.

Den letzten Satz hören wir doch gerne :-).
Jetzt kommt die schon fast unvermeidliche Frage nach deinen musikalischen Vorbildern, da du schon recht lange Musik machst. Welche waren es früher (oder sind es heute noch); welche besonders zur jetzigen Zeit ?

Elektronische Musik hat mich schon immer fasziniert. Kraftwerk kam da aber eher spät an mich heran, und traf auch nicht so ganz meinen Nerv, da die mir damals schon nicht "untergroundig" genug waren (so würde man es wohl heute ausdrücken). Da waren auch noch andere Künstler und Stücke, die mich sehr inspirierten z.B. Giorgio Moroder (Midnight Express), Popcorn (1969!), Pink Floyd allerdings auch, ich liebte auch alles, was ins Psychedelische ging.

Danach kam eine lange Zeit, wo ich mich dem Progressive Rock und danach dem Jazzrock und Fusion zuwandte. ELP, Yes, später Chick Corea, dann auch die frühen Level 42 usw. um nur einige zu nennen. Herbie Hancock brachte 1980 das Album "Mr Hands" heraus, auf dessen Titel "Just Around The Corner" sehr viele Synthies zu hören war, was mich total faszinierte. Damit war der Bogen von Jazzrock wieder ein wenig zur Elektronik geschlagen.

1993 bin ich durch berufliche Kontakte dann definitiv mit dem Elektro-Virus infiziert worden, seitdem fahre ich ununterbrochen auf dieser Schiene. Acid, Jungle/Breakbeat (ich liebe es!!), später dann Schranz (yeaaaah!!!), aber ich bin immer schön progressiv geblieben. Die kommerziellen Auswüchse jeglicher Musikrichtung, inbesondere aber im Bereich Elektro, waren mir schon immer ein Greuel.

In der neueren Zeit höre ich sehr gerne The Timewriter, Terry Lee Brown Junior, Chris Liebing, Mauro Picotto, Deadmau5…aber insgesamt höre ich momentan eher wenig Musik, da ich mehr am Produzieren interessiert bin. Ich finde, das schließt sich irgendwie ein wenig aus. Zuviel Hören ist nicht gut für's Machen. Zumindest bei mir ist das so.

Allgemein sind meine Vorbilder diejenigen, die mit wenigen musikalischen Mitteln eine möglichst große Wirkung erzielen. Viel mit viel bewirken, das kann noch irgendwie jeder hinkriegen, aber mit wenig Viel bewirken, das ist die Kunst, die ich auch stückweise versuche, zu lernen. Aber das ist ein sehr harter Weg.

Was möchtest du als abschließendes Statement, beziehungsweise persönliches Motto der Community noch mit auf den Weg geben ? 

Jeder, der Musik wirklich aus Leidenschaft produziert, möchte irgendwie "besser" werden.
Aus meiner Erfahrung klappt das am besten, wenn man drei Dinge beherzigt:

- Konsumiert nicht zuviel Musik, haltet eure Ohren frisch und "hungrig".
- Wenn ihr Musik hört, hört ganz genau hin und versucht zu verstehen, was da passiert und wie es gemacht ist.
- Haltet ausreichend Abstand von eurer eigenen Musik - auch wenn das schwer fällt.

Ich bedanke mich hier nochmal ganz herzlich für dieses Interview!

Wir uns auch für die spannenden, informativen und sehr umfangreichen Antworten !



Kommentare

Ray van Miles
Ray van Miles Mai 2013
Ich finde das Interview auch sehr gut und interessant!
Vor allem die Aussage bzw. Erkenntnis das reine Hardware-Produktion am ende nichts anderes ist als die heutige reine Software-Produktion, nur mit dem Unterschied das die Software flexibler, günstiger und Platzsparender ist aber Produktions-technisch basiert alles auf den selben Grundmustern vom Musik machen. Bei mir war es immer umgedreht, ich habe mit Software angefangen und kannte lange zeit nichts anderes und war immer scharf drauf einen Hardware-Synthie zu haben. Als ich dann einen hatte wurde mir erstmal klar wie komfortabel ich es bis dahin mit der Software hatte. Midi-Kanäle, Midi-Steuerung, Takes/Sounds aufnehmen, Presets nur begrenzt speichern, Platzmangel usw. waren dann die Probleme mit den ich konfrontiert wurde. So hatte ich mir das nicht vorgestellt, von daher kann ich mauerhuhn nur zustimmen, mit einem Software-Studio zu arbeiten ist eigentlich eine Erlösung bzw. ein Traum der bisherigen Hardware-Probleme. Auch den abschließenden Worten kann ich nur zustimmen! Und ja mir fällt es auch oft schwer ausreichend Abstand zur eigenen Musik zu halten und ich höre zuviel andere Musik und versuche ihnen nachzueifern, dabei hab ich doch meinen eigenen Style! ;-)

Musikalische Grüße
Ralf (R-V-M)

...ilonka rudolph...
...ilonka rudolph... April 2013
tolle fragen - tolle antworten - ein schönes interview! :)

ich vermisse nur den "grüne-daumen"-button?!

dann eben nur ein imaginäres *klick_like* ;)


von  BobT2nd am 28.04.2013
Aufrufe  11417



Anzeige


Weitere interessante Artikel