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Electro  Magazin

Wipeout und der digitale Krieg

Interview mit Wipeout
Wipeout und der digitale Krieg

Das Interview mit Wipeout fand am 24.04.2004 via Fragebogen statt. Sandalette: Hallo und vielen Dank für die Zeit für mein Interview. Deine Musik ist ja nicht unbedingt gut zum kommerziellen Feierabendhörgenuss geeignet. Was hat dich denn dazu veranlasst, diesen auf Noise bedachten unkommerziellen Weg zu gehen? Wipeout: Also, eigentlich habe ich ja angefangen Techno zu hören und zu machen, bis es mir einfach zu langweilig wurde. Jeder Track hörte sich mit der Zeit gleich an, es gab keine guten Releases mehr. Aber ich wollte einen neuen und frischen Sound hören und machen. Im Techno war einfach alles ausgelutscht. Nun, dann ist mir mal die Platte "Squeeze the Trigger" von Alec Empire in die Hände gefallen. Vor allem die Breakcore-Tracks auf diesem Album hatten mit total gefesselt. Einfach diese Rohheit und diese Energie. Wahnsinn. Aus dem Booklet von "Squeeze the Trigger" hab ich dann auch den ausschlaggebenden Satz für mich gefunden: "...DJs who wanted their own identity, their own spezial Sound, a raw wild Sound...Young People who didn't want to comform to what the music press dictated…." Ich bin zwar kein DJ, aber dieser Satz verdeutlichte doch, was ich wollte: Meinen eigenen Sound, einen Sound mit dem ich machen kann was ich will. So blieb ich dann beim Breakcore und Noise hängen. Breakcore hat einfach die Freiheit, dass man in diesem Style alles machen kann was man will. Ob ich jetzt in einem Track ein Disco-Sample oder eine Trance-Melodie einbaue...das ist vollkommen egal. Es interessiert fast keinen ob es jetzt da rein passt oder nicht. Es kommt auf das Gesamtergebnis an, ob der Track einfach abgeht oder nicht. Merzbow aus Japan ist ein anderer Grund gewesen, warum ich Noise machen wollte. Diese Brachialität und diese Kraft in seinen Klanggebilden sind einfach unbeschreiblich. Die Energie wollte ich auch erzeugen und begann erst mit meiner Hardware, später dann mit meiner Software zu experimentieren, wie stark ich Sounds und Effekte verändern konnte. Somit wurden meine Tracks immer brachialer. Sandalette: Würdest du dich als Musiker bezeichnen - in Hinblick darauf, dass eine gängige Definition von Musik darauf hinausläuft, dass also "Musik eine geordnete Folge von Tönen" wäre? Wenn Ja, wie lautet denn deine Definition von Musik? Wenn Nein, als was würdest du dich denn bezeichnen? Wipeout: Hm...so eine Frage ist immer schwierig zu beantworten, nicht nur von mir. Aber ich finde die Frage trotzdem gut. Nein, als Musiker würde ich mich in erster Linie nicht bezeichnen. Ich programmiere Sounds, Geräusche und Effekte. Mehr nicht. Ich fühle mich eher als Musik-Programmierer. Außer wenn ich anfange mit Melodien zu spielen. Denn richtige Musik beginnt eigentlich erst, wenn eine Melodie vorhanden ist. Und wenn die Melodie nur aus kleinsten Fragmenten besteht, dass ist egal. Und Noise hat keine Melodie. Ich bezeichne es als Nichtmusik. Bei Breakcore treffen sich diese beiden Welten, Musik und Nichtmusik, da Melodie und strukturloser Noise aufeinander treffen. Sandalette: Oft sind industrielle Themen bei dir zu finden ("Sabotage the C64" oder der dreiteilige Zyklus "Mechanicuum") und man kann dir bestimmt nicht vorwerfen, dass du alles verschönst. Ich habe aber beim Hören deiner Stücke stark und immer mehr den Eindruck, dass es etwas mit deiner Lebensphilosophie zu tun hat, die dich immer wieder zu solchen Sounds und Themen hinführt. Stimmt das? Bin ich da völlig daneben? Oder wieso diese Themengebiete und dessen derart harte Auseinandersetzung damit?
Wipeout: Nein, so sehr liegst du nicht daneben. Ich denke, Industrie und Maschinen sind gleichzeitig ein Segen und ein Fluch für die Welt. Einerseits vernichtet die Industrie eine Menge leben auf der Welt, sei es menschlich, tierisch oder pflanzlich, andererseits hat die Industrie und die Technik der Menschheit vieles möglich gemacht. In Zukunft bleibt natürlich abzuwarten, welche Seite überwiegt, ich gehe aber davon aus, das durch die Industrie mehr zerstört als erschaffen wird. Ich bin jetzt natürlich kein Technik-Hasser, benutze sie ja selber jeden Tag. Man sollte aber eventuell etwas vorsichtiger mit der Industrie und den Maschinen sein. Sandalette: Wie muss man sich den Umstand vorstellen, der zu neuen Wipeout-Stücken führt? Hast du Ideen, die du dann umsetzt oder geschieht das aus der Improvisation heraus? Ist da Alkohol mit im Spiel? Wipeout: Nee, Alkohol ist niemals im Spiel. Ich trinke ziemlich selten, rauche nicht und nehme auch keine anderen Mittelchen. Sowas verurteile ich total. Ich setze mich immer ohne Idee vor den Computer, wenn ich mal eine Idee habe verhunze ich das sowieso immer. Noch ein Punkt warum ich mich übrigens nicht als Musiker bezeichne. Ich kann vorgefertigte Ideen immer nur schwer umsetzen. Ich fange einfach immer drauflos zu trackern (Ich benutze das Tracker-Programm "Buzz") und beginne meistens damit, einen Amenbreak zu verzerren und zu vercutten. Dann baue ich ein paar Noisefetzen und eine Bassline drum herum und so entwickelt sich langsam der Track. Meistens ist das ganze dann also improvisiert, manchmal habe ich aber auch einige Samples, die ich dann verarbeiten will und dann die Grundlage eines Tracks bilden. Sandalette: Auf www.digitalwar-records.de.vu gibt es "NO FUCKING COMMERCIAL SOUND!!!!!" zu hören. Erzählst du uns mal bitte etwas drüber? Was hat es denn mit dem "digital war" auf sich? Wipeout: Ja, NO FUCKING COMMERCIAL SOUND!!! war und ist das Hauptstatement von mir. Ich kann diesen ganzen kommerziellen Mist in den Regalen der Plattenläden einfach nicht mehr hören und sehen. Diese ganze Verlogenheit der Musik-Branche und dieses Vorschreiben von Trends. Ich finde es zum Kotzen. Meine "Musik" soll einfach keine einzige kommerzielle Attitüde haben. Es ist Sound für den Underground, ohne den Gedanken dick Geld zu machen. Klar verkaufe ich die CDs für ein paar Mark. Das deckt aber einfach die Kosten für die Rohlinge und das Drucken der Covers. Und mit dem minimalen Gewinn finanziere ich neue Rohlinge und Papier für die Cover. Mit dem "Digital War" hat es folgendes auf sich: Ich bin in den Digital War gezogen um den Leuten zu zeigen: Es gibt auch noch anderes als den billigen Trance oder den seichten NuMetal. Öffnet eure Augen und seit mehr Open-Minded. Es gibt ein weiteres Land hinter dem Horizont. "Digital War" ist der Krieg gegen den Kommerz und den Stumpfsinn vieler Musik-Konsumenten. Das "Digital War" kommt übrigens daher, dass ich meinen ersten Noise-Track einem Kollegen von mir vorspielte. Er meinte: "Das hört sich an wie Krieg". So war der Name und die Idee des "Digital War" geboren. Der digitalisierte Sound des Krieges... Das hört sich vielleicht ein wenig martialisch an, aber ab und an muss man drastische Mittel verwenden um aufzufallen. Ein wenig Provokation schwebt da natürlich mit. Ich bin im übrigen ein absoluter Gegner von realen Kriegen.
Sandalette: Gibt es Vorbilder, die du gern zugibst, an denen du dich orientierst/orientiert hast? Wipeout: Klar gibts Vorbilder, die mich inspirierten und es heute auch noch machen. Da wäre dann zu nennen Sickboy, ein extrem guter Breakcore-Producer aus Belgien. Dann ist da noch Venetian Snares aus Kanada. Er macht wirklich harte und düstere Industrial-Breakcore Tracks. Merzbow, Aube, Masonna und Nic Endo (von Atari Teenage Riot) sind meine Helden im Noise-Bereich. Die ersten drei sind Japaner, die machen wirklich den härtesten Stuff, nicht nur im Noise-Bereich. Ja Atari Teenage Riot und Alec Empire sind auch noch da...und noch n paar mehr... Da ich viel unterschiedliche Musik höre, von House über Grindcore und Metalcore bis hin zu Ambient habe ich viele Musiker an die ich mich ab und an orientiere und dessen Einflüsse ab und auch in meinen Tracks zu hören sind. Sandalette: Wie sieht denn nun der private Wipeout aus? Wie sehen dich die Leute? Wie siehst du dich selbst (gern)? Wie würdest du dich einschätzen? Wipeout: Der private Wipeout... Viel gibts da nicht, das ganze ist relativ langweilig. Keine Drogengeschichten oder Groupie-Skandale. Hehe. Nein, also privat zocke ich sehr gerne Arcarde-Emulatoren am Computer, zeichne und lese. Natürlich bin ich auch oft feiern, allerdings dann eher im privaten Kreis oder in einer Hardcore/Metal-Disco. Noise und Breakcore-Partsy gibts in NRW (noch) nicht. Die Leute sehen mich auch sehr unterschiedlich. Mal absolut verplant oder auch ganz nett. Kommt immer darauf an wie jemand mit mir klarkommt, da ich doch schon relativ verstrahlt und extrem bin. Ich bin oft ironisch und zynisch, kann aber genauso gut nett und freundlich sein. Auf jeden Fall bin ich manchmal zu spontan und trete dann ab und an in ein Fettnäpfchen und sorge dann für ein paar Lacher. Aber solange ich da mitlachen kann ist das egal. Ansonsten ist es für mich ziemlich schwierig mich selbst einzuschätzen...Vielleicht bin ich zu komplex...:P Sandalette: Gibt es nennenswerte Zukunftspläne? Wohin soll dich deine Musik bewegen? Wipeout: Nun, erst mal stehen zwei Releases an. Das erste ist eine DVD, auf der sich die unterschiedlichsten Breakcore-Artists versammeln und ihre Tracks mit Videos untermalt werden. Das ganze kommt im Sommer auf Noisecamp aus Österreich. Das zweite Release ist ein Compilationbeitrag auf Suizid-Records. Das Release-Datum steht noch nicht fest, das ganze werde ich dann aber auch dann zu seiner Zeit ins MOM-Forum posten. Dann habe ich noch ein Schalplatten-Release für DWR geplant, dass ganze befindet sich aber noch am Anfang... Sandalette: Du hast jetzt noch Gelegenheit, das zu sagen, was du schon immer mal loswerden wolltest... Wipeout: Erstmal danke für das Interview. Das war mein erstes überhaupt und echt klasse. Dann noch: NO FUCKING COMMERCIAL SOUND!!!! Denkt darüber nach, was ihr euch anhört. Seit immer offen für was neues! Ohne Innovation ist Musik tot. Das wars von mir, ich bin draussen....und seht euch http://www.digitalwar-records.de.vu an. Ordert Platten oder kommt so mit uns in Kontakt! Sandalette: Cool! Dann bedanke ich mich recht herzlich für das Interview und wünsche dir alles Gute für die Zukunft.

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von  Sandro Sandalette am 04.05.2004
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