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Electro  Magazin

Interview mit Stillnezz

Interview mit Stillnezz
Interview mit Stillnezz

"Oder Stillnezz ... da hat eine Freundin neulich beim Hören des Trax 'My Shelter' gefragt, wer denn der Kerl ist, weil sein Stück soviel Sex hätte...." war vor einiger Zeit in einem Thread zur Frage von frauentauglichen Chillacts zu lesen. Viel gibt Martin Speidel, der längst mehr als nur den Status eines ambitionierten Newcomers inne hat, auf seiner MOM-Seite nicht von sich preis. Wir erfahren nur, welche Musikrichtung er zu hören pflegt: DePhazz, St. Germain, Nils Petter Molvaer, Lamb sind musikalische Eckpunkte, zwischen denen Stillnezz sich spielerisch bewegt. In der locker-entspannten NuJazz-Atmosphäre einer 'Lazy Lounge', der "molesken" Stimmung von 'Touch', aber auch der nachdenklich machenden Melancholie von "Wenige Minuten" können wir jedoch nur erspüren, was den Schwarzwälder treibt. Und auf seiner kleinen, aber feinen Homepage bekennt er zudem: "making music make me mad". Nur Ironie?

Fragen wir ihn also selbst: "Wer ist der 'Kerl', der sich hinter der Musik verbirgt?" - vielleicht lüftet er ja das Geheimnis.

Stillnezz: Ich muss schon sagen das klingt alles sehr mysteriös - und ist eigentlich viel weniger spannend: "Der Kerl" ist einfach nur ein fanatischer Musikliebhaber auf Entdeckungsreise durchs tonale Universum. Besonders in den letzten Jahren sind mir immer mehr die ruhigen, eher melancholischen Klänge ans Herz gewachsen. Neben meiner Begeisterung für die wachsenden technischen Möglichkeiten bei der Musikproduktion am heimischen PC (welche mir erst meine elektronischen Gehversuche ermöglicht haben) bin ich nebenher noch verknallt in mein Schlagzeug (so richtig "analog") und meine alte Trompete (die leider im Moment ein wenig zu kurz kommt) - bin bekennender Fan klassischer Musik, des Jazz und des spanischen Rotweins. Und natürlich von Musik mit haufenweise Sex-Appeal ;)

a.ber: Das hört sich ja ganz so an, als kämest Du aus einem ziemlich musikalischen Umfeld, in dem das gute alte, analoge Musikhandwerk noch gepflegt wird. Da muss es doch mal eine grundlegende Ausbildung gegeben haben, sonst wäre doch eine solch innige Beziehung zu einem Instrument kaum zu erklären. Oder doch Liebe auf den ersten Blick?

Stillnezz: Nein, das stimmt. Keine Liebe auf den ersten Blick. Angefangen hat wohl alles mit der berühmt-berüchtigten "musikalischen Früherziehung". Danach wollte ich gerne Trompete lernen und hatte dann knapp zehn Jahre lang Trompeten-Unterricht, trompetete mich mit Musik-Leistungskurs durchs Abitur und war Teil verschiedener Ensembles und Orchester. Während des Zivildienstes erfüllte ich mir endlich auch den langgehegten Wunsch Schlagzeug zu spielen, plünderte mein Konto und hatte ein paar Tage später zum Leidwesen unserer Nachbarn eins im Keller stehen. Bis heute nehme ich Schlagzeug-Unterricht und bringe mir gerade selbst (oder versuche es zumindest) das Gitarrespielen bei. Die Musik am und mit dem Computer ist erst relativ spät in mein Leben getreten ...

a.ber: Dafür nimmt er jetzt wohl immer mehr Raum in Anspruch. Als bekennender Jazz- und Klassik-Fan müsstest Du doch eigentlich den Computer als notwendiges Übel ablehnen. Siehst Du ihn eher als ein Mittel zum Zweck oder als eigenständiges Instrument?

Stillnezz: Man muss dazusagen, dass ich mich auch beruflich zwangsläufig mit dem Computer mehr oder weniger kreativ beschäftige. Ich bin Mediengestalter und immer wieder begeistert was es Neues an technischen Raffinessen und Spielereien auf dem Markt gibt. Den Computer sehe ich eigentlich schon als Instrument - weniger als Mittel zum Zweck. Meine Musik besteht (noch) überwiegend aus Synthesizer-Klängen und Samples. Allerdings habe ich mir das Ziel gesetzt, immer mehr in den Recording-Bereich vorzustoßen, interessante Symbiosen zu finden aus "analog" und digital. Ein großes Vorbild ist mir hier z.B. der skandinavische Jazz-Trompeter Nils Petter Molvaer, welcher mit Electro-Künstlern und "normalen Musikern" faszinierende, fast schon poetische Klangcollagen kreiert. Ich bin also sehr gespannt was die Musik noch alles mit mir anstellt.

a.ber: Ich sehe schon, spätestens dann wird die gute alte Trompete wieder aus dem Schrank geholt. Ist Deine Vision eher die einer One-man-show oder möchtest Du in der Zukunft mehr mit anderen zusammenarbeiten?

Stillnezz: Leider habe ich bisher noch recht wenige Musiker getroffen, die mit meinem - manchmal doch recht aparten - Musikgeschmack übereinkommen. Solange ich mich kreativ einbringen oder Impulse geben kann, freue ich mich gerne über Projekte und lasse mich natürlich auch immer wieder von anderen Musikern inspirieren (ohne ging's nicht) - myownmusic.de ist gerade für diese Art von kreativer Gedankenübertragung ein tolles Instrument! Eine andere Vision von mir ist irgendwann eine Live-Band zu gründen - NuJazz + Downbeat mit "echten" Instrumenten. Also, wenn ihr Lust habt und aus meiner Ecke kommt - melden!

a.ber: Kommen wir noch mal zurück zu Nils Petter Molvaer, der ja u.a. das NI-Instrument 'reaktor' einsetzt. Welches sind denn die Programme, mit denen Du gern arbeitest? Hintergrund der Frage ist meine Erfahrung, dass so manches mom-interne Projekt sich nicht realisieren lässt, da die Software-Voraussetzungen zu divergent sind.

Stillnezz: Von Reaktor hab ich auch schon Interessantes gehört - hatte allerdings noch nie die Möglichkeit es auszuprobieren. Im Augenblick begeistert mich Reason von Propellerhead - seine experimentellen Möglichkeiten sind einfach unglaublich, insbesondere was das Routing betrifft. In Kombination setze ich manchmal auch Live von Ableton ein - weniger zum Arrangieren - mehr für interessante Timing-Effekte oder zur Soundbearbeitung. Live gefällt mir deshalb so gut, weil es einfach und intuitiv zu bedienen ist. Mit den Sequenzer-Riesen Cubase und Logic kann ich relativ wenig anfangen - das ist mir für meine Musik einfach eine Nummer zu komplex. Wer sich dennoch berufen fühlt mir eine Einführung zu geben - auch hier: melden! Bei der Nachbearbeitung meiner Songs kommt Wavelab zum Einsatz.

a.ber: Du sprichst von Deinem "aparten" Musikgeschmack und den wenigen Kontakten zu anderen Musikern, als würdest Du bei myownmusic etwas vermissen. Welche Genres empfindest Du denn unterrepräsentiert und was würdest Du gerne ändern?

Stillnezz: Ich vermisse oft Menschen, die sich für einen Song mehr Zeit nehmen als nur drei Minuten, die Offenheit Musik in ihrer Tiefe zu erfassen und vielleicht auch eben deswegen ein oder mehrmals ungewohnte Töne zu riskieren.
Bei myownmusic fühle ich mich eigentlich sehr wohl und vermisse kaum etwas - natürlich wünsche ich mir oft etwas mehr Leben im Easy-Listening Bereich. Manchmal habe ich auch schon darüber nachgedacht ob es sinnvoll wäre, das Genre NuJazz einzuführen (Bezeichnung umstritten, ich weiß), da Lounge doch irgendwie einen anderen Stil beschreibt. Über Einsamkeit kann man sich hier - im Vergleich zu anderen Musiker-Communitys - jedenfalls nicht beklagen. Über die Jahre bin ich ein richtiger myownmusic.de Fan geworden, habe die Entwicklung nun schon seit den German Trackers mitverfolgt und bin mehr denn je begeistert.

a.ber: Als Liebhaber guten Rotweines und der handgemachten Musik hast Du dich ja schon zum Genießertum bekannt. Insofern verstehe ich gut, dass Dir die Schnelllebigkeit, die die meisten Leute treibt, nicht gefallen kann. Liegt vielleicht in der (Wieder-) Entdeckung der Langsamkeit der Schlüssel zum erwähnten "Sex-Appeal" auch Deiner Musik?

Stillnezz: Und schon bin ich als Genießer entlarvt :) Das was du sagst hat weniger mit "Sex-Appeal" zu tun, meint auch nicht Geschwindigkeit oder Bequemlichkeit an sich - sondern ist vielmehr eine Haltung den Dingen gelassener zu entgegnen, sich in Details zu verlieren - eine Kampfansage an die Oberflächlichkeit und ein Plädoyer für die Vielfalt und Kreativität. Das Sprichwort "in der Ruhe liegt die Kraft" klingt antiquiert - trifft die Sache aber ganz gut.

a.ber: Ich sehe schon, das letzte Geheimnis ist Dir nicht zu entlocken – soll es auch gar nicht. Aber ich finde, Du hast da ein schönes Schlusswort gesprochen und danke Dir für die Einblicke, die Du uns gewährt hast.

Wer noch mehr von Stillnezz hören möchte, besorge sich schnellsten die neue Merging Lounge Pearls Vol.2 unter www.merging-records.de



PS: Die Klopfgeister haben mir auf den Kopf geklopft, auf dass ich doch gefälligst erwähnen soll, dass das einleitende Zitat von ihnen stammt! So sei es.


Kommentare


von  Redaktion am 05.08.2003
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