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Electro  Magazin

Wipeout und der digitale Krieg

Vorgestellt: Wipeout
Wipeout und der digitale Krieg

Was ist Musik? Ich habe Wipeout aus Wickede im Ruhrgebiet diese Frage nicht ohne Grund gestellt, denn als Feierabend-Entspann-und-freu-dass-man- die-Arbeit-hinter-sich-hat-Musik, sind seine Stücke wohl am wenigsten geeignet. Unlängst sagte mir einer: "Musik soll doch schön sein!" Ich entgegnete: "Nein - Musik soll dich unterhalten!" Er: "Mich kann mich nur Musik unterhalten, wenn sie schön ist" Im Nachhinein habe ich wohl eher Mitleid mit diesem Zeitgenossen, denn dieser weiß - denke ich - nicht, was ihm durch seine - mit Verlaub - engstirnige Einstellung alles entgeht. Klar! Man muss allerdings auch fairerweise sagen, dass ein Noiseproduzent eine nicht ganz leichte Bürde von Unverständnis und Vorurteilen zu tragen hat. Trete Wipeout zum Beispiel vor 300 Leuten auf, würden 280 sicherlich schnell und fluchtartig den Saal verlassen, wobei - und das muss genauso festgestellt werden - die restlichen 20 zu süchtigen Fans werden, na ja und die sagen dann Gleichgesinnten bescheid: "Sowas hast du noch nie gehört!" und nach einem halben Jahr wäre der Saal wieder voll. Aber so schnell wird sich ein solcher Prozess wohl nicht vollziehen, denn Noiseparties oder gar -konzerte sind so häufig wie Schnee in der Wüste, und das zeigt eigentlich, wie groß der Nachholebedarf im Genre ist, und welche Pionierarbeit Wipeout mit seinem Tun leistet.
Wipeout heißt bürgerlich Sebastian Prünte und wurde am 18.12.1983 geboren. Aber um jetzt endlich mal auf den Punkt zu kommen, wie denn nun der Begriff "Musik" im Kontext mit den Stücken von Wipeout zu sehen ist, so sei auf den Elektronikinstrumentalisten Asmus Tietchens verwiesen, wonach dieser sich nicht vordergründig als Musiker sieht, sondern als Hersteller elektroakustischen Basismaterials. Dieses Basismaterial ist in der Natur und auch in einer industrialisierten Gesellschaft in Hülle und Fülle zu finden - der Ruhrpott bietet hier eine große Vielfalt - es muss quasi nur noch verarbeitet werden. Klopft jemand auf dem Tisch herum, so macht er Musik. Oder nach "The Can": Wenn ein Gitarist seine Gitarre auf den Boden legt, anschließt und anschaltet und die Gitarre fängt an zu brummen, dann spielt er bereits. Wenn man Musik so auffasst, dann ist doch einiges möglich. An dieser Stelle muss unbedingt auf www.digitalwar-records.de.vu hingewiesen werden:
Wipeout ist in den digitalen Krieg gezogen. Er spricht sich offen und öffentlich gegen jegliche Form von Kommerz und Kommerzialisierung aus, da hierzulande die großen Labels durch gigantischen Werbeaufwand meist entscheiden, was erfolgreich ist und somit der Presse stolz verkündet, was trendy sein soll, und der Konsument, der das eigentlich bestimmen sollte, hat hierbei gar nichts mehr zu melden. Sollte es dieser nur wagen, nach neuen unerforschten Musikwelten zu suchen - das geschieht heutzutage via Internet - so wird behauptet, er würde den CD-Markt zerstören, es werden Gesetze dagegen erlassen und Schluss damit! Der normale harmlose Internet-User wird somit zum Hochkriminellen und jeder findet das völlig normal. Angesichts dieser inquisitatorisch-diktatorischen Zustände in Deutschland ist es nicht allzu verwunderlich, dass sich junge Online-Musiker anschicken, in den digitalen Krieg zu ziehen. Ich darf an dieser Stelle bemerken, dass dieser Kampfesgeist a la "Ton Steine Scherben" in der heutigen Zeit immer seltener anzutreffen ist - zwar wird der Missstand schnell bemerkt, jedoch wird durch Gleichgültigkeit und Unlust, etwas dagegen zu tun, dieser eventuell erst ermöglicht und zur freien, ungehinderten Entfaltung gebracht... ...und ich finde nichts passender, als schon wieder mit den Worten von Kollege Tietchens anzukommen und abzuschließen: "Aus den vorgenannten Argumenten soll nichts weiter hervorgehen als die Forderung, an sich gut gearbeitete Geräuschmusik, egal welchen Genres, nicht mit törichtem Rankwerk künstlich aufwerten zu wollen. Wohlverstanden, sinnstiftende Hinweise dienen in der Tat der Transparenz, und mit ihnen sollte auch nicht gegeizt werden. Gibt es aber nichts zu sagen oder kann nichts oder nur Blödsinn gesagt werden, dann empfehlen wir, einfach das Maul zu halten." (aus der Essay "Der Böttger-Effekt oder Mythos 'Basismaterial'" von Asmus Tietchens)

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von  Sandro Sandalette am 04.05.2004
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