Plugin-Safari: Kenne deine Plugins!
Warum du deine Plugins wirklich kennen solltest
Jeder Musikproduzent kennt es: Man startet motiviert in ein neues Projekt, öffnet die DAW – und verliert sich schon im Plugin-Browser. EQs von fünf verschiedenen Herstellern, drei Vintage-Kompressoren, dazu noch ein halbes Dutzend „All-in-One“-Channelstrips. Die Wahrheit ist: Die meisten davon brauchst du nicht. Was du brauchst, ist eine gezielte Auswahl von Tools, die du wirklich verstehst – und die Fähigkeit, sie richtig einzusetzen.
Profis haben das längst verinnerlicht. Viele Top-Engineers arbeiten seit Jahren mit denselben Plugins, weil sie diese bis ins Detail kennen. Sie wissen genau, wie ein Kompressor auf einer Snare reagiert, wie viel Gain-Reduction ein Vocal verträgt oder welche Frequenzen bei einem Bassbereich problematisch sind. Das Geheimnis liegt nicht in der Menge, sondern in der Tiefe des Wissens.
Warum zu viele Plugins dich bremsen
Zu viele Plugins bedeuten nicht mehr Kreativität, sondern mehr Ablenkung. Du verbringst mehr Zeit mit Suchen als mit Hören. Wenn du fünf verschiedene Kompressoren durchprobierst, verlierst du den Überblick, wie dein Track eigentlich klingen soll. Außerdem gewöhnst du dich nie wirklich an die Eigenheiten eines einzelnen Werkzeugs, sondern bleibst an der Oberfläche.
Ein fokussiertes Setup zwingt dich, dein Gehör zu schulen. Du lernst, Entscheidungen schneller und präziser zu treffen. Das beschleunigt nicht nur den Workflow, sondern verbessert auch das Endergebnis, weil du weniger planlos an den Reglern drehst.
Meine persönliche Erfahrung... mit ADS!
Ich selbst habe ADS, und genau das war für mich der größte Augenöffner. ADS bringt eine extreme Hyperfokussierung mit sich – und gleichzeitig eine Tendenz, sich in Details zu verlieren. Für mich war das ein Albtraum, wenn ich plötzlich 10 verschiedene EQs und 6 Kompressoren hatte. Ich habe mich verzettelt, bin von Plugin zu Plugin gesprungen, habe jedes Preset durchgehört und am Ende war mein Mix nicht besser, nur voller Entscheidungen, die ich später wieder rückgängig gemacht habe.
Erst als ich mich gezwungen habe, mich auf einen EQ und einen Hauptkompressor zu konzentrieren, wurde es besser. Ich habe den FabFilter Pro-Q4 genommen, weil er visuell klar ist, und den Pro-C2, weil er alles von subtiler Vocal-Kompression bis zu aggressiver Parallelkompression kann. Plötzlich war mein Kopf ruhiger. Weniger Optionen bedeutet für mein ADS-geprägtes Gehirn weniger Chaos. Ich konnte mich endlich auf das Wesentliche konzentrieren: Wie klingt es wirklich?
Der Kern deiner Werkzeugkiste
Dein Ziel sollte sein, mit wenigen, aber vielseitigen Plugins alle wichtigen Aufgaben abdecken zu können.
Equalizer:
Ein moderner, transparenter Equalizer ist das Herzstück jeder Mischung. Ein Plugin wie der FabFilter Pro-Q4, der Kirchhoff EQ oder der Weiss EQ1 erlaubt chirurgische Korrekturen, dynamisches EQing, Mid/Side-Bearbeitung und lineare Phasen.
Kompressor:
Ein flexibler Allround-Kompressor wie der FabFilter Pro-C2, der TDR Kotelnikov GE oder der DMG Audio TrackComp 2 kann so ziemlich alles abdecken: Vocal-Kompression, Drum-Bus-Groove, Master-Bus-Glue.
Zusätzlich lohnt es sich, einen oder zwei Charakter-Kompressoren zu wählen:
-
1176-Emulation (z. B. UAD 1176, Arturia Comp FET-76, Analog Obsession FETish) für schnelle, aggressive Transientenbearbeitung.
-
LA-2A-Emulation (z. B. UAD LA-2A, Waves CLA-2A, Native Instruments VC 2A) für sanfte, musikalische Kompression von Vocals und Bässen.
Charakter-EQ (optional):
Ein Pultec-Style EQ kann Wärme und Farbe geben, wenn man es braucht.
Psychologische Falle: Plugin-G.A.S.
Das Gear Acquisition Syndrome
Die ständige Suche nach dem „einen“ besseren Plugin gibt kurzzeitig einen Dopamin-Kick – ähnlich wie beim Scrollen durch Social Media. Aber der Kick verpufft, der Mix klingt immer noch gleich, und man hat wieder das Gefühl, etwas zu verpassen.
Das bewusste Limitieren hat für mich viel Ruhe gebracht. Ich habe mir einen festen Ordner angelegt: 1 EQ, 1 Allround-Kompressor, 1 FET, 1 Opto, 1 Sättigungs-Plugin. Alles andere habe ich deaktiviert. Das zwingt mein Gehirn, im kreativen Flow zu bleiben, statt in die nächste Suchspirale abzudriften.
Persönlicher Tippkasten – Plugin-Ordnung
-
Minimalismus als Regel: Maximal fünf Kernplugins, alles andere in einen separaten „Archiv“-Ordner.
-
Visuelle Klarheit: Nur Plugins behalten, die eine klare, übersichtliche GUI haben – das reduziert kognitive Überlastung.
-
Favoriten-Ordner anlegen: Die wichtigsten Tools immer ganz oben, damit ich nicht lange suchen muss.
-
Feste Entscheidung treffen: Einmal im Quartal Plugin-Ordner checken und alles rauswerfen, was ich drei Monate nicht benutzt habe.
Das Training macht den Unterschied
Nimm dir Zeit, diese wenigen Plugins wirklich zu meistern.
-
Spiel mit Attack und Release, bis du hörst, wie sie den Groove verändern.
-
EQe eine Spur mehrfach, aber mit verschiedenen Strategien (zuerst subtraktiv, dann additiv) und vergleiche das Ergebnis.
-
Nutze A/B-Vergleiche, um dein Gehör zu schärfen und nicht in visuellen Kurven hängen zu bleiben.
Gerade für Menschen mit ADS ist diese Begrenzung ein Segen: Sie macht den Prozess überschaubar und nimmt die Entscheidungslast aus dem Kopf.
Klartext: Qualität statt Quantität
Ein aufgeräumtes Plugin-Setup ist für jeden Produzenten hilfreich – für jemanden mit ADS ist es fast eine Notwendigkeit. Weniger Auswahl bedeutet weniger Ablenkung und mehr Fokus auf das, was zählt: die Musik. Ein vielseitiger EQ, ein sauberer Allround-Kompressor, ein Charakterkompressor für Farbe – mehr braucht es nicht, um professionell zu klingen.
Je besser du deine wenigen Plugins beherrschst, desto weniger verhedderst du dich in endlosen Optionen. Du hörst mehr, du entscheidest schneller, du wirst kreativer. Und am Ende fühlt es sich nicht nur besser an – es klingt auch besser!
➤ Artikel von DAWtopia über G.A.S.: https://dawtopia.com/2023/05/25/724
Kommentare
Dein "Producer-Verhalten" ist nicht auf andere übertragbar, insbesondere wenn du eine neurologische Sonderheit hast.
Genau. Deshalb klingen Songs von diesen "Top-Engineers" alle gleich. In diesem Artikel wird so getan, als wäre das Resultat von "zuviele Plugis" = "ich muss suchen".
Nein. FINDEN ist der springende Punkt. Und zwar nicht, weil man sucht, sondern weil man sich wunderbar treiben lassen kann beim Arbeiten. Zufall und Probieren können neben der plötzlichen inneren Eingebung echt gute Kumpels sein. Wenn man immer den vollen Plan von allem hat, was da in den wirren Ordnern schlummert, vergrößert sich die Wahrscheinlichkeit für ein viel zu verkopftes Endergebnis. Chaos bremst nicht, Chaos ist Inspiration.
Mir ist klar, dass das keine populäre Denkweise ist. Aber der Bericht ist mir persönlich einfach zu pauschal.
Natürlich hab ich Lieblings-FX, -Kompressoren oder -EQs. Und ich weiß sogar, wo die sind :-) Aber der ganze Rest ist Chaos. Dauernd überraschen mich diese vielen neuen und zufällig ausgewählten VSTs/Plugins. Das heißt nicht automatisch, dass ich die verwende. Aber die Inspiration ist super.
Wegen meiner zerebralen Hypertonie (Temporallappen spinnt manchmal)...Epilepsie, Gedächtnislücken usw. kenne ich natürlich sehr gut dieses Gefühl von was Neuem. Das ist ziemlich cool bei Netflix & Co.-Serien, die ich schon dreimal gesehen hab und sie mir nochmal "neu" reinzieh. :-) Wahrscheinlich passt dieses Chaos einfach zu mir. Aber nicht nur, weil ich einen an der Rübe hab.
Ich verstehe den Ansatz des Berichtes - aber es gibt nicht nur DIE Herangehensweise.
Sturmwind Oktober 2025
Jetzt sind es maximal 40 Effekte, die ich noch nutze. Da sind dann die DAW eigenen Plug Ins dabei.
Damals habe ich mir durch die Suche bei 150 Efx den Workflow ziemlich verlangsamt
Bei Instrumenten sieht es schon anders aus. Der Freeware Markt gibt viel her.
suedwestlicht Oktober 2025
Generell habe ich in den letzten Jahren stark den Eindruck, dass die Qualität der Plugins immer schlechter wird. Neulich habe ich die Ur-Gurke Absynth wieder aktiviert und war erstaunt über dessen großartige Soundqualität. Auch der Massive X ist weit vom ursprünglichen Massive entfernt. Schade eigentlich.
Kategorien
Anzeige
246 

















