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Dynamik: Feinjustiert statt plattgemacht

Marco Torrance
Dynamik: Feinjustiert statt plattgemacht

Wenn man Ambient, Filmmusik oder klassische Stücke mischt und mastert, steht man schnell vor dem gleichen Problem: Die Streamingdienste wollen alles auf eine einheitliche Lautstärke bringen, aber genau diese Musik lebt von leisen Details und großen Dynamikunterschieden. Wenn man versucht, sie auf denselben Level wie Pop oder EDM zu prügeln, klingt sie flach, eng und verliert ihre Seele.

Ich habe für mich festgestellt: Das Ziel ist nicht maximale Lautheit, sondern Transparenz und Luft. Lieber lasse ich den Track etwas leiser, als dass ich riskieren würde, dass die feinen Schattierungen verschwinden.

Vorab: Ein kurzes Glossar

LUFS – Loudness Units Relative to Full Scale: Lautheitsmessung nach Gehör. Moderne Norm, wie laut Musik wirklich empfunden wird.

LUFS
Integrated Der Durchschnittswert über die gesamte Spieldauer eines Tracks. Das ist die Zahl, die Streamingdienste als Referenz verwenden.

LUFS-M (Momentary)
– Zeigt die Lautheit innerhalb eines sehr kurzen Zeitfensters (ca. 400 Millisekunden). Gut, um spontane Lautstärkeschwankungen zu beobachten.

LUFS-S (Short Term) – Misst über drei Sekunden. Damit siehst du besser, wie sich die Lautheit in Phrasen oder kurzen Abschnitten entwickelt.

LKFS – Fast das gleiche wie LUFS, nur im Rundfunk-Jargon. (K-weighted)

Peak – Der höchste digitale Punkt im Signal. Sagt nichts über die empfundene Lautstärke.

True Peak – Realistischere Messung, die auch Zwischenwerte zwischen den Samples berücksichtigt. Wichtiger, weil genau hier Verzerrungen beim Streaming entstehen können.

Wie wird LUFS am besten gemessen?

Am zuverlässigsten misst du LUFS mit einem dedizierten Loudness-Meter. Viele DAWs haben inzwischen ein solches Messwerkzeug eingebaut, ansonsten gibt es Plugins wie Youlean Loudness Meter oder iZotope Insight.

Wichtig ist:

  • Nicht nur auf Momentary schauen. Ein Track kann kurzzeitig viel lauter sein, aber im Schnitt leiser. Entscheidend ist der Integrated-Wert über die gesamte Länge.

  • True Peak aktivieren. Normale Peak-Anzeigen zeigen oft nur die „rohen“ digitalen Werte. Mit True Peak erkennst du, ob dein Stück beim Encodieren in MP3 oder AAC ungewollt clippt.

  • Messung in Echtzeit durchlaufen lassen. Ein Loudness-Meter rechnet nicht einfach am Stück, sondern muss das gesamte Audio abspielen, um den Integrated-Wert korrekt zu bestimmen.

Meine Faustregeln

  • Ich peile meistens -16 bis -18 LUFS an. Das ist leiser als typische Streaming-Referenzen, aber perfekt, um die Dynamik zu bewahren.

  • Den True Peak begrenze ich bei -1 dBTP. Alles darüber kann im Streaming-Encode knistern oder ungewollt verzerren.

  • Der Limiter ist bei mir eher Sicherheitsnetz als Waffe. Spitzen fange ich ab, aber ich presse den Mix nicht zusammen.

Warum das funktioniert

Spotify normalisiert auf etwa -14 LUFS, Apple Music auf -16 LUFS, YouTube liegt bei -13 bis -14 LUFS. Das heißt: Wenn dein Master bei -16 LUFS liegt, wird es nicht „abgestraft“. Im Gegenteil – es wird sauber wiedergegeben und behält die Dynamik. Ein lauter Master wird dagegen von den Plattformen nach unten gedrückt, klingt am Ende kleiner und weniger offen.

Gerade bei Ambient oder orchestraler Musik wirkt ein Track mit Raum, Tiefe und Atem oft beeindruckender, selbst wenn er etwas leiser erscheint.

...und die Stereo-Korrelation?

Ein oft übersehener Aspekt beim Mischen und Mastern ist die Stereo-Korrelation. Sie zeigt an, wie stark die beiden Stereokanäle miteinander in Phase stehen. Der Wert reicht von +1 (beide Kanäle sind identisch, also komplett mono) bis –1 (die Kanäle sind phaseninvertiert, was bei reinem Mono-Wiedergabegeräten zu Auslöschungen führt).

In Pop- oder Rockproduktionen achtet man meist darauf, dass die Korrelation möglichst im positiven Bereich bleibt. Das hat dort praktische Gründe, weil die Musik oft auf Mono-Lautsprechern (Smartphones, Radios, Clubs) gut klingen muss.

Für Ambient, Filmmusik oder Klassik gilt das nicht so strikt. Hier sind breite, schwebende Klangflächen, Hallräume oder orchestrale Räumlichkeit zentrale Gestaltungsmittel. Dass die Korrelation dabei zeitweise in den Minusbereich rutscht, ist völlig normal. Besonders bei aufwendig aufgenommenen Orchestern oder bei stark bearbeiteten Pads kann es sein, dass Signale phasenverschoben wirken.

Wichtig ist:

  • Kurze Ausflüge ins Negative sind unproblematisch. Sie erzeugen oft genau die räumliche Tiefe, die das Genre ausmacht.

  • Dauerhaft stark negative Werte vermeiden. Wenn der gesamte Track über längere Zeit im Minusbereich hängt, besteht die Gefahr, dass Teile des Mixes bei Mono-Wiedergabe verschwinden.

  • Bewusst einsetzen. Bei Ambient und Filmmusik ist die Breite Teil der Atmosphäre. Solange der Klang auf deinen Haupt-Abhören stabil wirkt, ist eine gelegentliche negative Korrelation kein Fehler, sondern ein Stilmittel.

Gerade in diesen Genres gilt also: Die Korrelation ist eher ein Kontrollwerkzeug, kein starres Regelwerk. Atmosphärische Musik darf sich in der Breite ausdehnen – auch über die „Mono-Sicherheitszone“ hinaus.

Aus meiner Erfahrung

Wenn du leise Musik masterst, musst du dich vom Gedanken lösen, lauter sein zu wollen als andere, insbesondere bei ruhigen und sanften Musikstücken. Die Streamingdienste gleichen das sowieso aus. Setz dein Augenmerk lieber darauf, dass deine Musik atmen darf. Ein Master bei -16 LUFS mit -1 dBTP True Peak klingt auf jeder Plattform sauber, klar und respektiert die Dynamik, die deine Musik ausmacht.

Am Ende wird genau das beim Hören den Unterschied machen!

Und nun viel Spaß beim producen! =)

Weiterführende Links:

➤ Youlean Loudness Meter: https://youlean.co/youlean-loudness-meter
➤ iZotope Insight: https://www.izotope.com/en/products/insight.html
➤ Externe Messgeräte von RTW: https://www.rtw.com
➤ Tutorial für Lautheit bei EDM: https://www.edmprod.com/lufs



Kommentare

Ohrdinär
Ohrdinär vor 17 Tagen
Wow! Danke Marco! Das hat mir jetzt echt weitergeholfen! Ich war schon dabei meine gesamten Song durch Loudness zu zerstören, und es hat mich teilweise auch noch Tage gekostet dies zu tun.

Dennoch ist es ja immer noch so, das ein hochkomprimierter, lauterer Mix, immer noch Standart ist im professionellen Bereich.. nur das die es auch hochpuschen können.
Hab letztens Metallica Remastered gehört, ist immer noch recht laut, aber hier zerrt nichts. Ich weiß daher nicht ob deine Angaben wirklich für alle Genre zutreffend sind? Aber dein Erfolg auf Spotify gibt dir ja auch recht.
Auf jeden Fall Dankeschön!

Marco Torrance
Marco Torrance September 2025
@Filterpad: Was einmal platt gemacht wurde, bekommst man nicht wieder spitz. Der Unlimiter erkennt Transienten und macht sie nur dynamischer. Die Spitzen der Amplituden sind immer noch platt gedrückt.

Filterpad
Filterpad September 2025
Von iZotope gibt's es jetzt ganz neu auch den sog. Unlimiter. Damit werden plattgedrückte Tracks wieder dynamisch und luftig gemacht. Keine Ahnung wie dieser funktioniert - unglaublich aber wahr.

LIONWOLF
LIONWOLF September 2025
Interessanter Beitrag was hier auf MoM auch gut für den Player funktionieren dürfte. Der Player im übrigen ist hier etwas weniger feiner in der Ausgabe als bspw. von Hofa oder auch Recording.de.
Vielleicht könnte man ein Update ins Auge fassen….nur mal ein G3danke auf Ray ;-))


von  Redaktion am 21.08.2025
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