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Chillout  Magazin

Eine Reise durch die Witterungsverhältnisse: Wetter

Asgard
Eine Reise durch die Witterungsverhältnisse: Wetter

Nun, Ende Juni 2009, liegt ein nur wenige Wochen altes Album zum Download und zur Bewertung vor, wie von Asgard gewohnt mit Covermaterial und Brenninformationen. Das Wetter moderiert mit seinen allseitig bekannten Facetten und den dazu in uns allen innewohnenden Assoziationen das Programm auf dieser Scheibe.

Als Asgard Anfang 2003 aus dem Nichts kam und mit Asen und Hitler gleich zwei Alben vorlegte, die nicht nur musikalisch ein bemerkenswert individuelles Bild erzeugten, sondern auch hitzige und kontroverse Diskussionen entfesselten, war eine Minderheit von interessierten Hörern zu überzeugten Asgard-Fans geworden. Insbesondere Asen erzeugt einen Sog, eine unvergleichliche Atmosphäre, die ihresgleichen sucht und hier jenseits jeder Wertigkeit als musikalisches Statement zum Download verharrt.

Das Album
Wetter ist das mittlerweile 11. Album, das Asgard hier der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, und umfasst insgesamt fünf eigenständige Tracks, die ambienttypisch fast durchgängig die 10-Minuten Marke nicht nur knacken, sondern weit hinter sich lassen und zusammen satte 73 Minuten Spielzeit ausmachen.

Kaum ein uns umgebendes Phänomen hat einen solchen Einfluß auf uns und unser Befinden wie es das Wetter vermag. Obgleich die unmittelbar wirkenden Kräfte des Wetters sich bisher jeglicher Beobachtung entziehen konnten, weil sie schlicht zu groß und auch wieder zu kleinteilig sind, ist es eben jenes Wetter, was uns in Bewegung hält.

Regentage sind Zeiten der Besinnung, der gedanklichen Wanderung, Erinnerung. Als vor Milliarden Jahren im Archaikum die Temperatur auf der Erde langsam in den Bereich absank, dass Wasser in Massen zu kondensieren begann und sich über die überall entstehenden Wasserbecken im öden Gestein eine Art Lebenszyklus, das Wetter in einer der heutigen nicht unähnlichen Form bildete, als die ersten Lebensformen, sogenannte Eobionten begannen, sich in dieser Ursuppe zu ernähren und zu teilen, muss es ähnlich gewesen sein wie heute - wenn es regnet. Und Regen ist Leben. So wie Regen unablässig auf uns niederprasselt, so öffnet er ein ums andere Tröpfchen einen Mikrokosmos, in dem sich, ob Pfütze, See oder Tropfen, nach und nach eine Symmetrie des Lebens hervortut - hier im Takt der synkopierten Synthiesounds, die Wurmbewegungen ähnlich an den Ohren des Hörers entlangkriechen.

Irgendwann, als die Natur das Prinzip der ungleichgeschlechtlichen Vermehrung ersonn und sich die Evolution mit einem den Erdball umfassenden Drang ihren Weg bahnte und allerlei Arten ihren Weg aufnahmen, da muss es gewesen sein, als die ewigen Wechsel aus Tag und Nacht, die Aggregatszustände wie auch Sonne und Regen komplett im Fluß waren. In diese Zeit fallen die ersten, bereits auf zellulärer Ebene stattfindenden Ränke und Kämpfe, Spiele und Launen. Wie auch dem Frühling jede Art, vom kleinsten Getier bis zum Menschen, mit mehr oder minder sportlichem Wettstreit Tribut zollt, so besingt Heiter bis wolkig mit seinen stets wiederkehrenden Themen postwendend das zelebrierte Aufleben des gesamten, sphärischen Klangspektrums. Ein abwartender Frieden, der sich seiner nicht ganz gewahr ist, gespannt und etwas unsicher, entfaltet eine Klangsphäre, die stets in Bewegung bleibt, vielen, unsichtbaren Zwecken dienend.

Es scheinen immer jene Zeiten günstig für Katastrophen, die dem Leben einen besonders reichhaltigen und vielfältigen Spielplatz beschert haben. Nicht erst das Ende der Kreidezeit hat uns eine klare Grenze gelehrt zwischen einem phantastischen Sammelsurium an Leben und auf der anderen Seite dem mühsamen Neubeginn des wenigen, verbliebenen. Auch Meteorologie skizziert auf einem nur fragil zusammengehaltenen melodischen Gerüst die ganze Welt des Wetters, oft nah am Abgrund, wenn Dissonanz der Tod des ureigenen Harmonieempfindens ist. Gleichzeitig enthalten die ins Ungewitter entlassenden Meereswellen jene drohenden Schwingungen, die nur wenig aus dem Wasser ragen und schon das Highlight des Albums verraten.

Ein Gewitter der Stärke 6 setzt erst subtil und nahezu unsichtbar, dann immer eruptiver Gewalten in Gang, denen man als einzelner, kleiner Mensch nicht habhaft werden kann. Ehrfurcht erbieten die mit Donner herannahenden Massen an flüchtenden Wesen, Massen an Elementarteilchen, die gemeinsam den größten irdischen Organismus erzeugen, und nicht zuletzt Massen an vorgeschobenen und verdrängten Elementen, die die Randzone aus dem temporären Spielplatz der Wettergewalten und den Rettungsgebieten im äußeren bilden. Jene Bereiche geben den entstandenen Schäden schließlich einen Rahmen, lassen von Furchen und aufgeschobenen Deichen die Klänge der Katastrophe ins Innere widerhallen, wie eine harmonisierte Reflektion des Geschehenen - angemessene Ruhe nach dem Sturm selbstredend vorausgesetzt. Dann verstummt auch der vorletzte Track langsam, ehe wir uns mit einem jäh niederschreienden, zynischem Thema befassen müssen.

Die entrückende Leere, die uns den Niedergang des Status Quo verkündet, ohne ein deutliches Wort dazu zu sprechen, ist die klangliche Metapher auf das große Fragezeichen, dass das Thema Klimawandel gegenwärtig in vielen von uns hinterlässt. Es ist neben der etablierten Unsicherheit zur Zukunft aller auch das morbide Gebilde, das durch unsere Vorstellung geistert und eine unsägliche Sensationslust weckt. Wie ein Abklang vergangener und durchwegs vergänglicher Größe zeugt die Hallkraft von der düsteren Prognose, die nicht wir uns stellen, sondern das Wetter selbst. Das, was bleiben wird, sind die Armeen von Kakerlaken und anderen Insekten, die ein neues Fundament auf den Spuren vergangenen Lebens aufbauen werden. So verraten es die letzten Minuten einer akustischen Reise ins Selbst.

Fazit
Wie gewohnt erzeugt Asgard mit repetitiven Sequenzen und dazugehörigen, durchgehend weichen Modulationen und einer Vielzahl atmosphärischer Sounds ein Beet aus hintergründig wirkender Musik, die sich stilistisch im Einzugsgebiet von Easy Listening wohnhaft gemeldet hat, ohne ernsthaft einfach zu werden. Kritik bleibt außen vor, da die Musik sich zu sehr im spannenden Kreuzgang von Konzeption und kreativer Freiheit eingeigelt hat - wohltuend und überzeugend nichtsdestotrotz.

Wer Filmmaterial für sein nicht all zu alltägliches Kopfkino-Programm sucht, und auch gern dokumentarisch belehrt werden möchte, ohne seinen eigenen Verstand ausschalten zu wollen, findet in diesem Album einen lebendigen und inspirierenden Inhalt. Wer es auf reine Entspannung anlegt, ohne gedanklich transportfähig zu bleiben, sollte dieses Album wahrscheinlich besser nicht probieren.

Kommentare


von  Redaktion am 27.06.2009
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