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Tim Tonic

Tim Tonic

Blog

Tim Tonic am 01.09.13 um 23:11

TV-Duell Merkel vs. Steinbrück

Na, habt ihr zugeschaut?

Ich fand Steinbrück hier klar besser. In fast jedem seiner Statements gab es eine ganze Reihe glasklarer Aussagen und eine jeweils nachvollziehbare Begründung dafür. Machmal noch etwas zu umständlich formuliert, aber da war Merkel auch nicht besser. Bei der Frage nach seiner Rolle in einer möglichen GroKo und einer Koalition mit der LINKEN ist seine Strategie aber einfach scheiße, damit musste er auf die Schnauze fallen.

Merkel hat nur rumlamentiert wie immer und versucht, die Zeit mit überflüssigen Ausschweifungen totzuschlagen. Inhaltlich hätte man ihre Redezeit auf ein Viertel komprimieren können. Und selbst dann gab es nur das Übliche zu hören: Alles ist gut, wir machen weiter so; und alles was wir schon vor 4 jahren machen wollten, tun wir ganz bestimmt in bald in der Zukunft. Nicht zuletzt hat sie ganz billig und schäbig versucht, Steinbrück eine Pensionskürzung unterzuschieben, wo der nur von der Verhältnismäßigkeit der Zuwächse! gesprochen hatte. Außerdem ist sie oft ganz schön ins Schwimmen geraten und hat auf die interessantesten Fragen letztlich überhaupt nicht geantwortet.

Was die Moderatoren angeht, hätten Anne Will und Stefan Raab genügt, die anderen beiden waren völlig über. Klöppel hat sich in meinen Augen richtig blamiert. 3 seiner 4 oder 5 Fragen waren so kreuzdämlich, dass man sie unmöglich beantworten konnte. Raab dagegen war tatsächlich eine echte Belebung und dabei bissig aber ausreichend seriös.

Wie habt ihr es gesehen?

Martial K
Martial K Januar 2014
Also ich fands besser als diese Debatte da:

http://www.youtube.com/watch?v=WpMPu5p_QXU .

Aber nur 0,01% besser :-)

stampeed
stampeed September 2013
Hmmm ... Dass sich ein ehedem durch und durch demokratisches System zunehmend in die Postdemokratie verabschiedet, laesst sich nicht nur in Laendern wie Deutschland beobachten, wo unter allen bedeutenden Parteien Einheitsmeinung herrscht und die Waehler "eingelullt" werden. Das selbe laesst sich z.B. auch in den USA beobachten, wo die gegenteilige Situation vorliegt, die Parteien extrem polarisiert, die politischen Lager quasi im permanenten Kriegszustand zueinander stehen. Das "Einlullen" per se scheint wenig mit dem Aufstieg der Postdemokratie zu tun zu haben.

Und woher Du nimmst, dass die Opposition oder die Gewerkschaften vom Waehler eins auf die Muetze kriegen wuerden, wenn sie sich gegen Merkel stellen wuerden, ist mir auch raetselhaft. Es hat doch gar keiner probiert sich gegen ihr System zu stellen. Kann doch keiner wissen, wie der Waehler entscheiden wuerde.

Und Gewerkschaften und Opposition haben sich doch selbst beschaedigt und sind nicht "von aussen" von Merkel beschaedigt worden. Es war doch nicht Merkel, die Hartz IV erfunden hat. Und es war auch nicht Merkel, die die Finanzmaerkte dereguliert und damit die Finanzkrise mit ausgeloest hat. Es war auch nicht Merkel, die den Spitzensteuersatz abgesenkt hat. Und die Gewerkschaften haben dort wo sie Einfluss hatten, doch immer alle Entscheidungen der Grosskopferten mitgetragen, oder nicht? Haben die sich nicht z.B. im VW-Betriebsrat in den Puff einladen lassen? Haben die nicht zustimmend genickt als Klaus Esser 50 Millionen DM in die Tasche gestopft wurden?

Von Widerstand hat man weder bei den Gewerkschaften noch bei der Opposition viel gesehen in den vergangenen Jahren. Das ist auch einer der Hauptgruende, dass sie zerbrechen. Sie erfuellen naemlich keinen Zweck mehr und der Waehler hat das gemerkt.

Tim Tonic
Tim Tonic September 2013
Merkels "Asymetrische Demobilisierung" - ja das passt defnitiv rein. Auch da wieder: Der Skandal ist für mich, dass es funktioniert! Typisch deutsch ist, dass dieses Volk sich dermaßen einlullen lässt, dass du als Opposition, Gewerkschaft o.ä. vom Wähler und der öffentlichen Meinung noch eins auf die Mütze kriegst, wenn du bei dieser Strategie dagegen halten willst.

stampeed
Tim Tonic
Tim Tonic September 2013
Ja, also um meinen Punkt nochmal deutlich zu machen: Die hier genannten Argumente sind ja alle vollkommen richtig - aber letzten Endes hilft es ja alles nix. Die Situation ist wie sie ist. Und der betroffene Bürger (gibt ja auch Profiteure der aktuellen Politik) hat doch nur die eine Chance, selbst aktiv zu werden und sich selbst zu bilden... oder neue Strukturen der politischen Bildung und Diskussion zu schaffen - oder sich in sein Schicksal zu fügen. Auf Parteien, Verbände, Gewerkschaften und Massenmedien, sowie auf eine Renaissance der alten politischen Kultur zu hoffen, wird niemanden weiterbringen.

Wini Walter
Wini Walter September 2013
@Max:

Ich glaube es ist zu einfach, immer nur alles auf den bösen Kapitalismus mit "Massenentlassungen, Rationalisierungen und Abwanderung von Betrieben in Drittweltlaender" zu schieben. So viel Selbstverantwortung muss der Durchschnittsbürger schon noch aufbringen, dass er seinen Arsch mitsamt der Jogginghose mal aus der Couch hoch kriegt ...

Aber vielleicht ist dieser generelle Rückzug auch ein brutaler Gegenentwurf zu den 70ern, in denen wir halt wirklich alles als "politisch" definiert haben, was nicht bei 3 auf den Bäumen war. Irgendwann kommt dann vielleicht einfach auch ein Gegenentwurf mit einem genervten "Jetzt lasst mich aber mal alle in Ruhe!", und dann löst eben ein Mario Barth einen Dieter Hildebrandt ab. Wobei letzterer irgendwnn eh nur noch eine Karikatur seiner selbst war. Barth ist das zwar auch schon lange, aber die Richtung scheint noch nicht totgelaufen zu sein, siehe "Joko & Claas" und ähnlichen Stuss.

Wirklich radikale Veränderungen werden eh nur von den wenigsten gewollt, im Allgemeinen ist man mit dem System arrangiert. Keiner will wirklich zurück zur D-Mark, keiner will wirklich noch Atomkraft oder zurück zu mehr Kohlekrasftwerken. Alle wollen alles extrem billig, aber die Löhne sollen möglichst hoch sein. Nur gewisse Dinge schliessen sich eben gegenseitig aus, und da beissen sich die Bedürfnisse gegenseitig den Kopf ab.

Während wir "unten" ein paar haben, die alles von "den Reichen" bezahlen lassen wollen (die haben ja eh genug!) hat die Mittelschicht lange davon geträumt, auch irgendwann mal reich zuw erden, und dann bitte sollte der Spitzensteuersatz nicht allzu hoch sein. Funktioniert aber eben so auch nicht.

Eine GroKo wäre vermutlich den meisten das Liebste. Dumm nur, daß die nix verändern würde - dazubedürfte es wohl schon einer Übergangsphase, in der ein mehr "links" gestricktes Bündnis die zu lange vernachlässigte soziale Gerechtigkeit wieder mal gerade rücken kann. Die Chancen dafür jedoch sehe ich im Nachkommabereich ...

Wini Walter
Wini Walter September 2013
@Tim:

"Du argumentierst aus einer Logik heraus, in der ein Wähler immer von irgendjemandem abgeholt oder gebildet werden muss: Politiker, Medien, usw. Vielleicht war das gestern - und heute ist selber-hingehen angesagt. "

Und genau das ist das Problem im digitalen Zeitalter: Es gehen zwar viele irgendwohin, aber jeder woanders ... Die "Dezentralisierung der Informationsgewinnung" hat eben auch Nachteile. Wenn jeder seine Nachrichten und Infos woanders herholt, schläft die Kommunikation ein - es gibt eben keinen "zentralen" Marktplatz des Austauschs mehr. Und wer sich nicht austauscht mit anderen, verliert auch irgendwann das inhaltliche Interesse an den Themen. Man liest was, OK, und das war es dann aber auch schon wieder. Diskurs, Streit gar - Fehlanzeige! Ich kann mich noch an Wahlkämpfe in den 70ern erinnen, da haben sich in Frankfurt an der Hauptwache täglich, meist nach Feierabend, spontan diskutierende Trauben gebildet, da brauchte es oft nicht mal einen Stand irgendeiner Partei ... heute unvorstellbar!

*****

Und zur Euro-Politik: Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob eine Steinbrück-SPD sich wirklich von der Linken und den Grünen zum Jagen tragen ließe und eine radikal andere Krisenpolitik machen würde, dazu sind die strukturell viel zu behäbig meiner Meinung nach.

stampeed
stampeed September 2013
Ja, ich glaube in der Tat, dass ein Waehler immer von irgendwem abgeholt und gebildet werden muss. Interesse an Politik kommt nicht von allein. Bei manchen wird das grundsaetzliche Interesse im Elternhaus von einem engagierten Vater oder einer engagierten Mutter geweckt. Bei anderen ist es moeglicherweise ein Lehrer oder Freund oder ein sonstiger sozialer Kontakt. Oder eben die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, einem Verein, einer Kirche, wo man mit entsprechenden Leuten in Kontakt kommt.

Du fragst wer die Leute gezwungen hat sich ins Private zurueckzuziehen. Direkt natuerlich niemand. Aber durch Massenentlassungen, Rationalisierungen und Abwanderung von Betrieben in Drittweltlaender sind z.B. Gewerkschaften so extrem geschwaecht worden, dass sie die Interessen ihrer Klientel nicht mehr durchsetzen konnten. Kein Wunder, dass die Mitglieder dann austreten. Und das fuehrt zu einem Teufelskreis, in dem das personelle Ausbluten die Organisation weiter schwaecht, was zu noch mehr Austritten fuehrt. Aehnlich hat sich wohl auch die immer weiter um sich greifende Armut ausgewirkt. Ein Hartz IV-Aufstocker wird sich wohl dreimal ueberlegen, ob er von seinen kuemmerlichen Einkueften, die kaum zum Leben reichen, einen Gewerkschaftsbeitrag, eine Parteimitgliedschaft, die Kirchensteuer oder sonst eine Vereinsgebuehr zahlt. Und so werden gerade diejenigen, die es am Noetigsten haetten sich politisch zu engagieren, aus den Kreisen gedraengt, in denen ueber Politik gesprochen und diskutiert wird. Die ganz Armen koennen es sich noch nicht mal leisten am Stammtisch zu sitzen, denn auch die Kneipe kostet Geld. Die sitzen zuhause, mit dem Fernseher als einziger Informationsquelle und diese Informationsquelle erzaehlt auf allen Kanaelen, dass es Deutschland gut geht, dass Merkel's neoliberale Politik alternativlos ist, dass Parteien wie die Piraten oder die LINKE unwaehlbar und Eurobonds verantwortungslos sind. 24 Stunden am Tag. Wie soll in einem solchen Umfeld die Mobilisierung geschehen, von der Du Dir erhoffst, dass sie irgendwann kommt?

Dass das Volk aber dieses "zwangs-mittige, nivellierte Wischiwaschi" will, wage ich zu bezweifeln. Politiker, die vor nicht allzu langer Zeit noch sehr populaer waren, wie z.B. Schroeder oder Fischer, selbst Stoiber, der in Bayern eine absolute Mehrheit holte, waren Polterer und nicht geschmeidige Leisetreter. Man bietet uns solche Politiker nur einfach nicht mehr an, denn Politik laesst sich am bequemsten machen, wenn man sich auf rein garnichts festlegt und maximal flexibel ist.

Tim Tonic
Tim Tonic September 2013
Du argumentierst aus einer Logik heraus, in der ein Wähler immer von irgendjemandem abgeholt oder gebildet werden muss: Politiker, Medien, usw. Vielleicht war das gestern - und heute ist selber-hingehen angesagt.

Schwarz-grün war nur ein Beispiel. Bei 3 der 5 Themen, die du aufzählst - Energiewende, Mindestlohn, Austeritätswahn - macht es schon einen Unterschied ob schwarz-gelb oder schwarz-rot regiert. Die SPD ist wesentlich durchsetzungsstärker als die FDP, bei diesen 3 Themen komplett anderer Meinung als die CDU, und es würde definitiv nicht bei allen Themen nur Merkel die Richtung vorgeben. Vergleich mal die Krisenpolitik von schwarz-gelb in Europa mit der Krisenpolitik von schwarz-rot in Deutschland 2008/09. Das macht einen Unterschied.

Du hast natürlich völlig Recht mit deiner Beobachtung, bzgl. der Unterschiede in der politischen Kultur in den 70ern und heute. Aber wer hat die Leute eigentlich dazu gezwungen sich ins Private zurückzuziehen? Liegt das wirklich nur an den Wischiwaschi-Politikern? Würde der Wähler es heute zulassen, dass sich ein Politiker wie Wehner oder Strauss aufführt? Selbst ein Kohl würde heute als arrogant, großmäulig und unhöflich abgekanzelt werden; das Publikum wählt sich stattdessen eine Merkel. Das Volk WILL doch dieses zwangs-mittige, nivellierte Wischiwaschi, das nur keinem weh tun darf - was anderes wählen sie nicht.

stampeed
stampeed September 2013
Ja, das Politische war frueher deutlich staerker im Alltag verankert. Aber eben nicht weil sich die Buerger damals ihre politische Meinung durch Lesen und Bueffeln hart erarbeitet haetten, sondern weil politische und gesellschaftliche Organisationen polarisiert haben. Da waren zunaechst die Politiker der verschiedenen Parteien, die sich wirklich in inhaltlichem Streit wie Feuer und Eis gegenueber standen. Nimm Strauss und Wehner etwa und vergleich die mit dem Duett Merkel/Steinbrueck. Da waren die Parteiorganisationen, die ihre Klientel in der Zeit vor dem dramatischen Mitgliederschwund (sowohl bei SPD als auch bei der CDU) angefeuert haben. Frueher war es ganz normal Mitglied in einer Partei zu sein. Heutzutage kenne ich in meinem Freundeskreis nicht ein einziges Parteimitglied, welcher Partei auch immer. Frueher gab es starke Gewerkschaften die fuer politische Themen polarisiert haben. Und die andere Seite war in den Kirchen organisiert. Heutzutage verlassen die Mitglieder in Stroemen sowohl die Gewerkschaften als auch die Kirchen. Frueher waren viele Menschen in Vereinen organisiert und seien es lediglich Sportvereine. Dort wurde dann abends nach dem Fussballspiel am Stammtisch diskutiert. Aber auch den Vereinen laufen heutzutage die Mitglieder weg. Und dann waren da die Medien. Es gab zig unabhaengige Zeitungen mit allen moeglichen Meinungen, jedes Bundesland hatte sein eigenes Fernsehen und Radio. Heutzutage ist alles aus Kostengruenden totgespart. Sender zusammengelegt, Zeitungen pleite oder von groesseren Presse-Konsortien aufgekauft, Journalisten gefeuert und stattdessen werden Meldungen der Nachrichtenagenturen kritiklos und ohne eigene Recherche abgedruckt. Unabhaengige Meinungen gibt es in der Presselandschaft praktisch nicht mehr.

Woher soll denn Deiner Meinung nach die "Mobilisierung der Massen" kommen? Wer soll die denn anstossen? Wer soll denn all die Frustrierten, die garnicht mehr zur Wahl gehen, zurueck an die Wahlurnen bringen? Peer Steinbrueck?

Und die politischen Themen, die Du ansprichst, bei denen es Unterschiede zwischen der FDP und den Gruenen gibt, sind alle belanglos. Die Zukunft Deutschlands und Europas wird sich nicht am Betreuungsgeld entscheiden (so aergerlich diese kontraproduktive Subvention auch sein mag). Und da die Wahrscheinlichkeit eines Atomunfalls in Deutschland extrem niedrig ist, wird auch der Ausstieg aus dem Atomausstieg bzw. der Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Atomausstieg das Land nicht nachhaltig veraendern. Die Themen die wirklich bedeutend sind fuer die Zukunft sind der Sinn und Unsinn von Euro, Schuldenbremse, Austeritaetswahn, Mindestlohn etc.. Und da sehe ich kaum deutliche Unterschiede in Koalitionen, die heute realistisch machbar sind (Schwarz-Gelb oder Schwarz-Rot; Schwarz-Gruen ist ein Hirngespinst).

Tim Tonic
Tim Tonic September 2013
@Wini:
Dazu gibt es ja klare Aussagen: Den Euro abschaffen würde das linke Spektrum nicht, aber eine völlig andere Krisenpolitik würde es betreiben. Und ich persönlich bin halt überzeugt davon, dass die erfolgreicher wäre als die konservative Strategie.

@Max:
Dann war das im Prinzip fast wie bei mir. Funktioniert.
Das wird nicht jeder leisten können, aber wenn es möglichst viele versuchen, ist irgendwann die kritische Masse erreicht. So war es bei uns in den 70ern mit der sozial-liberalen Wende; die ist ja auch nicht von der Politik oder den Massenmedien einfach ausgerufen und vorgekaut worden, sondern die wurde sich über Jahre hinweg mühselig und kleinteilig erarbeitet (also jetzt nicht die Parteikonstellation im damaligen Bundestag - sondern die öffentliche Meinung). Man war damals mehrheitlich politisch interessiert und aktiv, und zwar eher graswurzelmäßig. Die politische Debatte war damals immer und überall die allererste Selbstverständlichkeit: Am Küchentisch, in der Kantine, im Büro, im Verein, auf der Straße, abends in der Kneipe, ... Das hat sich ausgezahlt und das Land hat sich enorm verändert. Hatten die normalen Leute damals etwa mehr Zeit dafür als heute? Oder haben die sich ihre Freizeit nur anders aufgeteilt - bzw. das Politische anders in ihren Alltag integriert?

Die FDP hat ihre 2-3 Klientelgeschichten durchgebracht, der Stammwähler ist zufrieden. Hotte hat für die CSU auch mal was klargemacht - Betreuungsgeld z.B.. Alles Dinge, die es bei einer schwarz-grünen Koalition nicht gegeben hätte. Und den Ausstieg aus des Atomausstieg hätte es da 100%ig auch nicht gegeben. Es macht einen Unterschied.

stampeed
stampeed September 2013
@ Tim

Wie wir uns informiert haben? Ich kann nur ueber mich sprechen. Ich hab jeden Tag vier deutsche und eine amerikanische Tageszeitung bzw. deren Online-Angebot gelesen. Ich lese taeglich Blogs wie den Spiegelfechter, den Oeffinger Freidenker, Paul Krugman's Blog, die Nachdenkseiten und andere. Ich habe zu ausgewaehlten Themen unzaehlige Buecher gelesen. Und ich habe nicht zuletzt hier bei MOM mit Mart und Konsorten debattiert. Und Mart konnte man nicht mit einem bauchgefuehlten Argument kommen. Ich habe oft drei, vier Stunden im Internet nach Daten gesucht; mich oft durch bergeweise graue PDFs von Regierungspublikationen gelesen etc.. Dafuer braucht man aber sehr, sehr viel Zeit. Und der Normalbuerger mit Haus und Frau und Kindern und Arbeit und Hund hat diese Zeit nicht. Er ist angewiesen darauf, dass die Medien ihm die noetigen Information in verstaendlichen Haeppchen aufbereiten.

Und ob die FDP in der Regierung sitzt, macht mit Verlaub ueberhaupt keinen Unterschied. Was hat die "Versprochen-Gehalten"-Partei denn tatsaechlich gegen die CDU durchgesetzt, abgesehen vom bedeutungslosen Moevenpickgesetz und dem Praesidenten Gauck. Mit beidem kann die CDU uebrigens super leben.

Die Gruenen hingegen waren zumindest bis vor kurzem eine reine Spartenpartei fuer oekologische und moeglicherweise Verbraucherschutz-Themen ohne breites Profil und ohne Einfluss in anderen Sektoren.

Was Deine vielen "deutlichen Unterschiede" angeht, sind die in der Tat bedeutend. Rot-Rot-Gruen ist aber ausgeschlossen worden von allen Beteiligten, die SPD hat keine Perspektive den Kanzler zu stellen und die naechste Regierung wird eine CDU-gefuehrte Regierung unter Merkel sein. Die einzige Frage, die sich noch stellt, ist ob es Schwarz-Gelb oder Schwarz-Rot wird. Und unter keinem dieser beiden Szenarien spielen die von Dir angesprochenen Punkte eine Rolle. Es gibt keinen "deutlichen Unterschied".

Und selbst wenn Steinbrueck Kanzler wuerde. Er als Person, mit seinem politischen Hintergrund und mit dem Parteilfluegel, mit dem er verbuendet ist, bietet ebenfalls keine inhaltliche Alternative zu Merkel.

Wini Walter
Wini Walter September 2013
Na ja, Tim, die Nivellierungstendenzen sind aber nun mal da. Ich habe beim Spiel mit dem Wahl-O-Mat zwischen 49 und 66% Übereinstimmung mit den im BT vertretenen Parteien, soooo weit liegen die also nicht auseinander - oder ich liege blöderweise irgendwo in der Mitte herum, auch möglich.

Das andere sind die Koalitionsoptionen. Dadurch, daß die beiden "Großen" sich so nahe sind, nivellieren sie schon die Unterschiede zwischen den "Kleinen" automatisch ein Stück weit, einfach durch die Macht der großen Zahlen.

Ob z.B. ein "linkes" Bündnis wirklich eine strukturell andere Euro-Politik machen würde, wage ich mal dezent anzuzweifeln ...

Tim Tonic
Tim Tonic September 2013
In der ARD- oder ZDF-Mediathek dürfte es hoffentlich zu finden sein.

Tim Tonic
Tim Tonic September 2013
Wie haben WIR es denn geschafft, uns zu informieren?

Ich bin aber auch kein Freund dieser allgemeinen Nivellierungstendenz. Wenn ich Unterschiede zwischen den Parteien suche, dann muss ich halt mal die Augen aufmachen, anstatt mich von populären Vorurteilen leiten zu lassen. Die Unterschiede zwischen CDU und SPD reichen mir schon völlig aus, um mich für eine Seite zu entscheiden. Ob die FDP oder die Grünen mit in der Regierung sitzen macht mit Verlaub einen himmelweiten Unterschied.

Ob es einen allgemeinen Mindestlohn gibt oder nicht, macht einen deutlichen Unterschied.

Ob es eine "Bürgerversicherung" gibt oder weiterhin das bestehende System, macht einen deutlichen Unterschied.

Ob ALLE Einkommen zur Finanzierung der Sozialsysteme herangezogen werden oder nicht, macht einen deutlichen Unterschied.

Ob unser Schulsystem fördert oder lediglich selektiert, macht einen deutlichen Unterschied.

Die verschiedenen Krisenstrategien des konservativen und des progressiven Blocks bei der Finanz- und Wirtschaftskrise machen einen deutlichen Unterschied.

Ob man die Energiewende wirklich will, oder durch die Hintertür doch nochmal die Atomkraft wieder durchdrücken will, macht einen deutlichen Unterschied.

[...]

stampeed
stampeed September 2013
Welche Optionen hat das "Publikum" denn realistischerweise?

Eigentlich sollten es doch die Medien sein, die den Politikern unangenehme Fragen stellen, nachbohren, Schwaechen offenlegen. Aber die Medien machen nur noch Entertainment und keinen Journalismus mehr. Selbst die GEZ-finanzierten oeffentlich-rechtlichen Kanaele tumpfen lieber mit populaerer Unterhaltung und Soaps und Klatsch anstatt mit Information. Ausserdem sollte die Opposition die Schwaechen der Regierung offenlegen und aktiv fuer eine Alternative werben. Aber die vier Parteien CDU, SPD, FDP und Gruene sind sich bis auf Nuancen in allen Fragen einig, wuerden alle das selbe tun, bieten alle die selbe Politik an. Wirkliche politische Alternativen findet man nur bei einflusslosen Klein- und Kleinstparteien wie der LINKEN, der AfD oder den Piraten. Und die werden von den den konventionellen Parteien nahestehenden Medien (und das sind praktisch ALLE Medien) niedergeknueppelt und kleingehalten.

Wo soll sich das "Publikum" denn informieren?

Tim Tonic
Tim Tonic September 2013
@Max:
Jetzt verstehst du mich. :-) Ich lehne es aber ab, das "Publikum" als hilfloses Opfer zu betrachten. Merkel fährt diese Strategie, weil sie sich beim deutschen Wähler bewährt hat. Das funktioniert - und das wiederum ist das ganze Problem an der Sache (jedenfalls solange wir formell noch eine Demokratie haben). Das ist die berühmte "selbstverschuldete Unmündigkeit" nach Kant. Die wiederum kann ich niemandem vorwerfen, außer denen-da-unten selbst.
Die Unmündigkeit wird es in einer gewissen Größenordnung immer geben, entscheidend ist das Mengenverhältnis von Aufgeklärten zu Schafen. Das scheint mir momentan mal wieder nicht allzu günstig zu sein. Das wiederum begünstigt die "Postdemokratie".

Deinem zweiten Absatz kann ich voll zustimmmen. Wie gesagt: Man freut sich ja schon über jeden einzelnen kleinen Moment.

stampeed
stampeed September 2013
@ Tim

du schreibst die ganze Zeit - bewusst oder unbewusst - vom "Publikum", wo eigentlich der Begriff "Waehler" angebracht waere. Aber in gewisser Weise ist der Begriff "Publikum" sogar gar nicht so unangemessen. Ein "Waehler" ist ja schliesslich ein aktiver Mensch der Einfluss nimmt auf das Geschehen. Ein Publikum hingegen nimmt lediglich eine passive Betrachterfunktion ein. Und wenn man auf die Entwicklung der Wahlbeteiligung schaut, werden in der Tat immer mehr vom "Waehler" zum "Publikum". Gefoerdert wird das natuerlich von so voellig emotionslosen Kandidaten wie Merkel die aggressiv auf die "Demobilisierung der Waehler" setzt, wie ich heute zutreffenderweise in einem Blog las.

Was Stefan Raab angeht. Ich find den ja normalerweise wirklich prima. Absolut ein Entertainment-Talent! Und vielleicht war er ja tatsaechlich sogar der "beste Journalist" im Moderatorenquartett. Aber wo sind wir eigentlich hingekommen, wenn wir nach einer fast zweistuendigen Kandidatenbefragung, den einen Moderator wegen der einen Frage und dem einen Nachhaken loben muessen. Das ist so, als wenn bei einem Fussballspiel beide Mannschaften 88 Minuten lang auf der Bank sitzen und Poker spielen und anschliessend einer zum Mittelpunkt geht, anstoesst und anschliessend zum Duschen in die Kabine verschwindet ...

Tim Tonic
Tim Tonic September 2013
@Max:
Erstaunlicherweise hat nur Stefan Raab zweimal das getan, was wir beide von einem normalen Journalisten erwarten würden: Eine konkrete und interessante Frage gestellt, nicht abspeisen lassen, nachgehakt, und ne Antwort bekommen. Das Ganze natürlich auf seine typisch flippige Art. Das war vielleicht nicht sonderlich seriös, aber es war Journalismus. Und für diese seltenen Momente muss man ja dankbar sein.

Ach ja: Das "Publikum" sollte sich natürlich nicht damit abfinden; und zu der Frage was es sonst tun soll: Das Publikum ist ja eigentlich der Souverän dieses Staates, vielleicht sollte es sich im eigenen Interesse auch mal wie einer benehmen, anstatt sich in die Ironie zu flüchten.


@Rhymes
Woran liegt denn der Stillstand, das Durchwursteln, das Verschieben, das immer-weiter-so, das Ausbleiben von echten Veränderungen? Liegt das an "denen da oben" oder letzten Endes nicht doch an "denen da unten"?
Noch werden die-da-oben ja von denen-da-unten gewählt, und die Deutschen sind nunmal ne erzkonservative politische Kultur. Hier wirst du nur gewählt, wenn du es wie Frau Merkel machst. Wer ist daran schuld?

Wini Walter
Wini Walter September 2013
Ich muß gestehen, ich bin nach ca. 1 Stunde grußlos eingeschlafen ...

Am Anfang schien mir Merkel etwas fahrig, Steinbrück angriffslustiger, aber das hat sich dann bald nivelliert. Inhaltlich war es eh nicht spannend, da außer den zu erwartenden Sprechblasen kaum was kam außer Merkels Patzer bei der Maut und Steinbrücks Fauxpas bei den Pensionen.

Bei den Moderatoren war Klöppel der große Verlierer (wozu war der überhaupt da?) und Raab der kleine Gewinner, aber seine doch recht berufsjugendliche Art macht ihn noch nicht stilprägend für die nächste Generation der Politik-Moderatoren, das war dann doch stellenweise etwas zu flach.

Meine Wahlentscheidung hat es eh nicht beeinflusst, und ob es der SPD mehr als 2 Prozentpunkte bringt, wage ich mal zu bezweifeln.

Dass die Merkelsche Halskette thematisiert wurde, sagt wohl genug über den Zustand der Medienlandschaft und den Interessensschwerpunkt der Twitter-Gemeinde aus ...

stampeed
stampeed September 2013
Was soll das Publikum auch anders machen? Ich hab dieses spezielle Duell zwar wie gesagt nicht angesehen, aber wenn es auch nur so aehnlich war wie Politik-Sendungen normalerweise verlaufen, dann erschoepfen sich die Duellanten in den ewig gleichen, auswendig gelernten Phrasen und die Moderatoren haken nicht weiter nach. Und wenn ich mir die Berichterstattung vor dem Duell so durchlese, ging es doch bei der Veranstaltung ohnehin nicht um die Bundestagswahl, sondern in erster Linie darum, wie Stefan Raab sich in das Moderatoren-Team integrieren wuerde. Das ganze ist reines Entertainment und hat mit Journalismus oder Politik nichts zu tun.

Tim Tonic
Tim Tonic September 2013
Hehe, ja da ist was dran. Wahrscheinlich hat Steinbrück deshalb keinen Bock auf GroKo.

Mal ganz abgesehen von politischen Ausrichtungen und Inhalten - ich versuche mich in diesen Tagen mal wieder an ein paar soziologischen Beobachtungen rund um dieses TV-Duell.

Die Rezeption und Interpretation des Gesehen und Gehörten in der publizierten Öffentlichkeit ist schon erstaunlich; selbst wenn man berücksichtigt, dass die eigene Wahrnehmung auch subjektiv verzerrt ist. Es gibt auch einiges über Prioritäten und Bewertungsmuster zu lernen (wenn man es nicht eh schon geahnt hatte).

Und es bestätigt sich eine Erkenntnis über die Generation der Erst- und Jungwähler: Sie verarbeitet - jedenfalls öffentlich wahrnehmbar - das politische Geschehen höchstens aus einer rein ironischen Perspektive. Siehe Merkels Kette. Die Regelsetzung für unser aller täglich Leben wird dabei zu einem austauschbaren Unterhaltungsformat.

Das ist vielleicht 'ne Binse, aber da wird es zumindest politikwissenschaftlich interessant. Das ist im Prinzip die Vollendung der "Postdemokratie": Das Publikum fügt sich in seine Rolle und ist glücklich dabei.

stampeed
stampeed September 2013
Also ich hab das "Duell" nicht gesehen, da ich kein deutsches Fernsehen habe, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass ich viel verpasst habe. Merkel und Steinbrueck stehen im wesentlichen fuer die selbe Politik. Unterschiede sind bestenfalls in Nuancen vorhanden und selbst diese Nuancen sind eher rhetorischer Natur (oder wer glaubt etwa, dass der im Bankensektor bestens vernetzte Steinbrueck tatsaechlich zum "Bankenschreck" wuerde). Dazu kommt, dass die Wahl ohnehin gelaufen ist. Da Rot-Rot-Gruen von allen Beteiligten ausgeschlossen wird, gibt es zu Kanzlerin Merkel keine realistische Alternative. Es muss sich dann nur noch zeigen wer der Juniorpartner wird und da Merkel bisher noch jeden Juniorpartner zu Truemmern regiert hat, ist die einzig aufregende Frage, die verbleibt, welche Partei in vier Jahren keine wesenliche Rolle mehr spielen wird ...

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