Der Gratwanderer
Interview mit casual
Erzähl doch erstmal wo du aufgewachsen bist und was für eine Rolle die Musik da für dich gespielt hat.
Also, ich bin 23 Jahre alt und komme aus Berlin. Bereits mit 6 Jahren habe ich angefangen Musik zu machen. Damals habe ich Klavierunterricht gehabt für 6 Jahre – Ich kann aber leider kaum noch spielen- mit 11 habe ich mit Oboenunterricht angefangen und das für insgesamt 9 oder 10 Jahre. Mit 14 habe ich dann noch angefangen mit E-Gitarrenunterricht für insgesamt 6 oder 7 Jahre. Zwischenzeitlich habe ich auch mal für 2 Jahre Kontrabassunterricht gehabt. Inzwischen habe ich überhaupt keinen Unterricht mehr. Mit 16 bin ich durch Kumpels auf eine Berliner Alternative-Hardcore Band namens "lin" (auch auf myownmusic zu hören, AdR) gestoßen, bei der ich dann als Gitarrist eingestiegen bin. Wir haben ein Demotape, eine Split 7" und eine 5 Song-Cd veröffentlich und viel live gespielt, sogar mit 2 kleineren Deutschland Tourneen. Leider haben wir uns dann 2000 aufgelöst, da jedes Bandmitglied anderen Interessen nachgegangen ist. Seitdem existiert die band "Daisy" (auch auf MOM zu hören AdR) bei der ich Gitarre spiele. Die Musik geht in Richtung Punkalternative. Das ganze läuft aber ohne die Absicht große Rockstars zu werden. Demnächst veröffentlichen wir dann auch mal ein Demotape. Vor 3 1/2 Jahren habe ich mir dann einen Mac g4 und Logic Audio zugelegt, plus ein bisschen Equipment, um alleine meine Ideen einspielen zu können und unabhängig zu sein von anderen Leuten. Um mal auf meinen persönlichen Geschmack zu kommen, ich höre eigentlich so ziemlich alles, bis auf Techno. Es muß etwas an der Musik sein, was mich begeistert und berührt...dann ist das geil! Angefangen hat alles mit Cd’s, die mir mein Vater ab und zu aus Amerika mitgebracht hat, damals war ich so 11 oder 12. Das waren Public Enemy, Young MC, Chubb Rock und sogar Vanilla Ice! Dann bin ich durch einen Freund auf die Red Hot Chili Peppers gestoßen und wurde richtiger Fan. Die letzten Sachen finde ich aber leider relativ enttäuschend. Weiterhin bin ich, nicht zuletzt durch meinen 17 Jahre älteren Bruder, mit 14, zum Punkrock gekommen, da er mir zu weihnachten eine Eintrittskarte für ein Bad Religion Konzert geschenkt hat. Danach habe ich ein paar Jahre eigentlich nur noch Punk und Alternative gehört. Ich weiß nicht wieso aber irgendwann kam auch wieder Hip Hop in mein CD Archiv und mein Kopf öffnete sich eigentlich so für ziemlich alles. In meinem, bis jetzt über 1000 CD’s umfassenden CD Archiv, findet man so ziemlich jede Stilrichtung. Zu den größten Einflüssen, beziehungsweise absoluten Lieblingsbands, gehören auf jeden Fall die Beatsie Boys, Dj Shadow, Hot Water Music, The Police, A Tribe Called Quest, Refused, Promise Ring und etliche weitere Bands und Musiker.
Auch wenn deine Songs zum Teil sehr ausproduziert wirken und mit Instrumenten arbeiten, die gemeinhin für einen warmen Sound bekannt sind, bleiben die Tracks sehr trocken, geradezu schroff. Das Drumset spielt dabei eine große Rolle. Verachtest du den glatten, poppigen Drumsound, den viele andere Producer benutzen? Ist das etwas ganz präzises, worüber du nachdenkst, oder ist das so ein Automatismus?
Ich denke da schon drüber nach. Bei mir war es so, dass ich zur Musik durch Leute wie DJ Shadow und DJ Krush gekommen bin. Dabei habe ich immer gemerkt, dass ich das cool fand, wie die ihre Sounds behandelt haben. Zum Beispiel bei DJ Shadow ist mir aufgefallen, dass ich immer in eine bestimmte Stimmung verfalle, dadurch dass die Sounds nicht direkt trashig klingen, aber eben doch so einen ranzigen Sound haben, besonders die Drums. Dann habe ich irgendwann eine Sampel CD mit vielen guten Drumsounds in die Hände bekommen, die ich aber jetzt nicht eins zu eins übernehme, weil ich mich von den Loops nicht direkt beeinflussen lassen will. Sondern ich nehme die Sounds, zerschneide die und leg sie dann wieder anders hin, so wie ich das haben will. Ich denke mir dabei schon so einiges. (lachen)
Arbeitest du dann mit Sampels, oder spielst du das meiste selbst ein?
Das ist eine 50/50 Mischung. Meistens fange ich meine Tracks mit einem Sampel an, das ich cool finde und dann versuche ich eine Bassline zu finden, die dazu gut passen würde. Ich habe halt auch gemerkt, dass wenn man ein Sampel durchlaufen lässt, aber die Bassline ab und zu variiert, man, durch bestimmte Bassläufe, der Melodie des Sampels eine ganz andere Stimmung geben kann
Könnten Musiker nicht eine ungeheure Bereicherung für deine Musik sein? Wenn man nur mit Maschinen arbeitet ist es doch ziemlich anonym. Ist, grade im Hip Hop, etwas Persönlichkeit in den Produktionen nicht sehr wünschenswert? Ein Bassist kann einer simplen Bassmelodie viel mehr Gefühl verleihen. Hip Hop klingt doch, weil nur wenige diese Option benutzen, oft sehr statisch.
Ja, das finde ich eigentlich auch. Ich habe zum Beispiel die Roots schon zweimal live gesehen und es ist einfach der Hammer, wenn die komplett vorne auf der Bühne stehen. Ich finde das viel cooler, als irgendwelche anderen Hip Hop Konzerte, wo nur zwei MC’s und ein DJ stehen ... da passiert nicht so viel. Aber es ist immer schwierig. Ich war jetzt auch bei der letzten Curse Tournee und da ist er mit einer eingekauften Band aufgetreten, weil er auch Bock auf so was hatte. Aber da hat man einfach gemerkt, dass die nicht zusammengehören, denn jeder hat seine Leistung abgeliefert, aber es ist kein wirklicher Vibe entstanden, wie es bei den Roots immer der Fall ist. Also generell bin ich auch einverstanden, dass Instrumente sehr viel cooler sind, und ich hatte mit einem Kumpel auch mal darüber nachgedacht so was zu machen, aber das kostet zuviel Zeit.
Aber wie sieht das mit deinen Beats aus? Währen da Instrumente nicht sehr nützlich und könnten sie eine bestimmte Stimmung nicht unheimlich intensivieren?
Ja klar, ich werde in nächster Zeit auch mal wieder etwas mit Kontrabass und Gitarre machen...in diese Richtung. Bis jetzt sind einfach viele Samples drin und eigentlich nur die Bassline mit einem Keyboard eingespielt, bis auf "First Laugh", wo auch eingespielte Gitarren- und Kontrabassparts sind. Ich würde auch super gerne von einem Kumpel richtige Drums einspielen lassen aber dafür hab ich im Moment jedenfalls noch nicht die Möglichkeit. Ansonsten finde ich Live Instrumente natürlich sehr schön...allerdings würde ich auch nie komplett auf’s sampeln verzichten wollen, das bringt meistens einfach ne coole Stimmung mit rein...
Siehst du deine Beats, die du produzierst, generell als Hip Hop an? Oder sagst du, es ist Musik und ordnest es nur dem Genre ein, dem der Vibe am nächsten kommt?
Also richtig Hip Hop Mäßig finde ich meine Beats nicht, ich habe sie nur darunter online gestellt, aber ich wusste auch nicht richtig, wie ich es nennen sollte. Aber ich weiß nicht, wie nennt man so was?
Keine Ahnung, Musik ...
Ja, eben. Die Leute ordnen das ja auch mehr ein. Vielleicht sind dann ein paar enttäuscht, wenn sie sich das anhören und da Hip Hop steht. Ich kenne auch Leute, die damit absolut nichts anfangen können. Zwar Hip Hop hören, aber zu sehr darauf festgefahren sind. Ich zumindest würde das jetzt nicht unbedingt in eine Kategorie stecken.
Kannst du dich dann also damit anfreunden, dass deine Sachen gemeinhin als Hip Hop gelten, auch wenn du es nicht unbedingt so siehst?
Generell habe ich damit kein Problem, ich finde es ja auch eben gut, dass Hip Hop so vielseitig ist. Ich denke mir dann, dass die Leute, die meine Sachen cool finden, auch Leute sind, die zuhören und selber offener für etwas anderes sind. Genauso wenig würde ich sagen, dass meine Instrumentals nur Hip Hop sind. Weil ich weiß, dass Leute, die andere Musikrichtungen hören, das auch cool finden können.
Wie stehst du eigentlich generell zur restlichen Berliner Hip Hop Szene? In letzter Zeit geht da ja ziemlich viel ... kannst du dich damit überhaupt identifizieren?
So richtig drin bin ich da nicht...es gibt einfach viele Sachen die ich nicht kenne, einige, die mir nicht so gefallen aber andere finde ich auch richtig cool, wie zum Beispiel Fumanschu oder das kommende DJ Derezon Album...und natürlich Dejavue. Ich höre aber ehrlich gesagt eher wenig deutschen Hip Hop.
Bist du einer von diesen Perfektionisten, die ihre Tapes überall mit hinnehmen und die Tracks anhören? Oder lässt du die Studio Arbeit manchmal einfach sein und hörst was anderes, um den Kopf mal freizubekommen?
Es kommt drauf an. Manchmal, wenn ich Sachen mache, die mir wirklich gefallen, und ich sehen will, ob sie mir am nächsten Morgen immer noch so gut gefallen, brenne ich die auf CD und höre sie mir noch unterwegs oder in der Küche an. Aber ansonsten übertreibe ich das nicht damit mir meine eigenen Sachen auch nicht auf die Nerven gehen. Aber in letzter Zeit habe ich sowieso weniger etwas in der Hip Hop Richtung gemacht, sondern eher Punkrock und das höre ich mir dann auch ganz gerne so an.
Möchtest du durch deine Instrumentals also bestimmte Gefühle beim Hörer wecken? Oder lässt du ihn hineininterpretieren und ihn entscheiden, was die Tracks bei ihm bewirken?
Auf etwas bestimmtem möchte ich mich nicht festlegen, was ich in dem Hörer wecken will, aber natürlich gehen meine Tracks auch in die Richtung, dass sie Gefühle auslösen. Bei mir zählt es auch oft. Wenn ich mir Hip Hop Sachen anhöre, finde ich das auch schon cool und so, aber eigentlich ist mir aufgefallen, dass man doch eher, wenn man Musik hört, Gänsehaut kriegen möchte. Und das wäre dann schon schön, wenn mir das gelingen würde beim Hörer auszulösen (lachen) Aber ich weiß nicht, ob ich das bisher so geschafft habe.
Im Hip Hop ist es doch aber auch grade so, dass viele Gänsehaut Effekte durch den Rapper und Lyrics ausgelöst werden. Würde es für dich in Frage kommen, dass über deinen Instrumentals gerappt wird? Ich meine, damit auch wirklich ein Gefühl, das du in die Musik legst, durch die Texte noch mal an Ausdruck gewinnt?
Klar, die Instrumentals sind zwar nicht wirklich dafür konzipiert, und ich könnte mir nicht wirklich vorstellen, dass über ihnen jemand rappt. Ich persönlich kenne auch keinen in meinem Umfeld, der sich dessen annehmen würde. Aber wenn es jemand versuchen würde, sähe ich das nur als Bereicherung.
Du hast mit Nooner von Dejavue zusammengearbeitet...
Genau
Wie kam das zustande und wie kann man sich eure Zusammenarbeit vorstellen?
Also, seit 3 Jahren machen wir regelmäßig zusammen Musik und es kam dadurch, dass ich mit ihm auf einer Schule war. Nach dem Abitur haben wir uns dann zeitgleich, keiner wusste es vom anderen, fast das gleiche Equipment gekauft und haben zu Hause angefangen selber Musik zu machen. Irgendwann haben wir uns dann darüber unterhalten, dass wir einmal zusammen etwas machen könnten. Seit dem läuft das ziemlich gut und es macht Spaß. Dadurch das Nooner gute Connections in der Berliner HipHop Szene hat, konnten wir auch schon so einiges veröffentlichen . Wir treffen uns meistens einmal die Woche und produzieren gemeinsam ein paar Tracks und arbeiten an unserer Internetseite www.proletnstuff.de.
Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit mit Nooner davon, wenn du alleine produzierst?
Es ist auf jeden Fall sehr verschieden. Er kann wenig mit den Sachen anfangen, die ich Solo produziere und mag auch eher weniger die Drumsounds, die ich benutze. Daher trenne ich das auch. Manchmal kommen mir dann auch Basslinien, die mir gefallen würden, die er dann nicht so mag und dann hebe ich mir das dann einfach für meine eigenen Sachen auf.
Aber du findest dich trotzdem in den Produktionen wieder, die du mit ihm zusammen machst...
Auf jeden Fall. Es ist aber eine komplett andere Sache. Ich finde die Beats cool, sonst würde ich da ja auch nicht mitmachen. Es macht einfach Spaß zu zweit Beats zu machen und zu sehen, was der andere für Ideen hat, wir ergänzen uns da auch ziemlich gut. Natürlich gibt es Tage, an denen es nicht läuft, aber eben auch andere an denen man mal eben 3 Beats auf die Reihe kriegt. Alles in allem macht es sehr viel Spaß und es ist halt richtig HipHop, wie ich meine, also eine weitere Bereicherung für mich...
Das bedeutet also, dass es für dich schon eine Rolle spielt, dass deine Beats einen gewissen musikalischen Anspruch haben. Wenn man sich nämlich ein paar Beats, auch auf MoM, anhört, hat man oft den Eindruck, dass keine musikalische Bildung dahinter steckt. Dass die Beats nur gemacht wurden, weil derjenige denkt, dass Hip Hop Beats einfach zu produzieren sind und er dafür nicht musikalisch sein muss.
Ja, das denke ich auch. Besonders im Internet, wenn man in manchen Foren sich Beats anhört, fragt man sich manchmal, „was hat er da gemacht?“ (lachen) oder „hören das die Leute nicht?“ Von daher ist es mir schon wichtig, dass meine Sachen musikalisch sind. Wenn mir auch etwas nicht gefällt, dann würde ich es nie rausbringen oder ins Internet stellen. Es ist oft so, dass wenn ich mit Hannes (Nooner. AdR) zusammenarbeite, dann kommt es auch öfters vor, dass ihm etwas nicht gefällt, oder dass er in bestimmten Dingen einen anderen Geschmack hat als ich, aber dann wird das auch gesagt und es wird auch geguckt, dass beide mit dem Ergebnis zufrieden sind. Wenn ich etwas alleine mache, ist es natürlich auch so. Aber du hattest es auch schon mal angesprochen, dass einige Sachen von mir angefangen und nicht vollendet klingen und das sind Sachen, wo ich mich selber dann auch ärgere und wo du vollkommen Recht hast. Wenn man dann so Sachen macht und es dann auch selbst cool findet, aber dann eine Weile nichts mehr dran macht oder nicht weiterkommt ... (zögert) aber eigentlich sollte man sich dafür mehr Zeit nehmen.
Wie stehst du eigentlich zu Synthis? Kommt das für dich generell in Frage, oder magst du so Sachen wie meinetwegen die Neptunes nicht?
doch die Neptunes finde ich voll geil...
Echt? das würde man bei deinem Sound aber nicht grade meinen...
Also Synthis find ich cool...ich hab leider nur einen zuhause aber dafür ein paar Plugins...ich hab aber gemerkt, dass man nicht ausschließlich mit denen arbeiten sollte, weil das ganz schnell halt so 80er Jahre mäßig kommt. Ich hab da auch schon ein paar Dinger gemacht...das ist dann einfach n komplett anderer Sound. Aber die Mischung wie bei den Neptunes find ich hammermäßig...
Wenn du sagst, es ist ein komplett anderer Sound, gehst du dann anders an die Tracks ran?
Naja, also ich hab teilweise dann ohne Sampels gearbeitet und halt Sachen eingespielt. Das fand ich auch cool aber alles klang automatisch dann so sauber...jetzt hab ich n paar ältere Sachen genommen, halt mit Sampels und so, und dann dazu selber Sachen mit den Synthis eingespielt und dann find ich die Mischung gut...damit kann ich mich selber besser identifizieren...das andere hört sich halt so nur nach Computer an.
Was sind jetzt so deine nächsten Projekte? Ist noch was mit'm Nooner geplant, mit den Alternative Sachen? Erzähl mal ...
Also mit Nooner machen wir grade sein Soloalbum, was das Nächste Release sein wird. Das ist eine super witzige Sache und auch mal n bisschen was anderes. Ich mag einfach seine Art Humor. Dann werden wir mit Daisy demnächst ein Demo veröffentlichen auf dem Label von unserem Sänger, Froggirecords. Halt einfach so just for fun...eventuell auch nur auf Tape, der guten alten Zeiten wegen. Und dann werde ich natürlich weiterhin meine Instrumentalsachen machen und werde dann mal irgendwann auch alle angefangenen Sachen soundlich und songlich aufbessern und wenn ich dann genug Sachen hab das ganze gut abzumischen, um mal zu gucken wem´s gefällt...vielleicht auch einfach ein Demo machen. Aber erstmal weiter machen und Spaß haben.
Siehst du dich in Zukunft Hip Hop produzieren, andere Musik oder ist es nur ein Hobby, das du nicht unbedingt zum Beruf zu machen versuchst?
Ich würde mir nie vornehmen in Zukunft nur zu produzieren...natürlich wäre das cool und das beste, was es gäbe, wenn man sich mit Musik über wasser halten könnte aber ich denke das ist relativ utopisch....und irgendwie muss ich anders Geld verdienen mit einem job der mir auch Spaß macht, deshalb mache ich zur Zeit meine Ausbildung zum Mediengestalter für Bild und Ton. Das macht auch Spaß und man lernt sogar ne ganze menge zur Tontechnik und so weiter dazu. Deshalb werde ich es weiterhin erstmal nur als Hobby ansehen und vielleicht hab ich ja mal irgendwann Glück und kann mein Hobby zum Beruf machen...
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von
mickey knox
am 27.09.2003
mickey knox
am 27.09.2003
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