Der Gratwanderer
Vorgestellt: casual
"Meiner Meinung nach ist es wirklich wichtig offen zu sein für jede art von Musik, denn fast überall findet man was, was einem gefällt und wenn man zu engstirnig an die Sache ran geht kommt meistens auch keine gute Musik hinten raus... "
Das sagt einer, der es eigentlich wissen müsste. Casual aka Fresh Phylix, aus Berlin, ist so einer, den man als Geheimtipp bezeichnen könnte. Einer, der im Hip Hop Bereich so einiges wagt, der einfach frische Musik macht, ohne auf die engenden Ketten, die sich die Hip Hopper selbst anlegen, zu achten. Casual ist einer, der seit seinem sechsten Lebensjahr Musikunterricht nimmt, zuerst Klavier, dann Oboe, Kontrabass und schließlich E-Gitarre.
Irgendwann kaufte er sich dann einen G4 und ein bisschen Equipment, "um meine Sachen selbst einzuspielen und unabhängig zu sein von anderen Leuten", wie er selbst sagt. Unter dem Namen Pimpstyle Productions produziert er heute mit Nooner, von Dejavue, Beats, unter anderem für das Proletnstuff Tape, Kalte Füße feat. Flash Robsen & Fumanschu und die Hälfte des Dejavue Albums Naturtalent. Gleichzeitig ist er Gitarrist bei der Alternative Band Daisy. "Das ist so ne Spaßsache...wir üben nur, wenn wir auch alle Bock drauf haben", sagt Casual. Doch vor ein paar Jahren hieß die Gruppe noch Lin, konnte zwei kleine Deutschlandtouren verbuchen, ein Demo und sogar eine 5 Track CD veröffentlichen.
Es sind zwei verschiedene Welten, zwei Essenzen, die aufeinander prallen. Es ist The Police gegen Public Enemy, Punkrock gegen Hip Hop, E-Gitarre gegen Sampler. Dabei hört man in seinen Beats Harfen, Rhodes und Trompeten.
Musikalisch nicht wirklich einzuordnen, bewegt sich Casual’s Sound zwischen Instrumental Hip Hop, Beats, Soundtrack, Easy Listening, Trip Hop und Elektro, was die Mischung nur umso interessanter macht. Aber nicht, dass hier wahllos verschiedene Musikrichtungen gemischt und einfach mit ruppig, dreckig, Hip Hoppigen 90 BPM unterlegt werden. Die Soundauswahl kommt nicht von ungefähr und die charakteristischen Drums haben einen Wiedererkennungswert, der nur schwer von der Hand zu weisen ist. Wiegen einen sanfte Streicher, wird die Träumerei durch trockene, happige Drumsounds unterbrochen. Plärren Bläser und funkige E-Pianos, bildet das dumpfe Schlagzeug den idealen Kontrast dazu.
Man versucht ein System in seinen Beats zu finden. Man möchte in seine Seele kriechen, die von Natur aus dunklen Beats als ein Portal direkt in seinen Kopf benutzen...Being Casual auf myownmusic.de. Nach vier Minuten ist der Spuk vorbei. Irgendwo wird man wieder ausgespuckt, fragt sich, ob man nicht einen Traum durchlebt hat und drückt wieder auf Play, um die Reise von vorne zu beginnen.
Die teilweise wirren und exzentrischen Harmonien sind nicht immer leicht zu erfassen. Findet man noch schmalzige aber solide Streicher Sampels, wie der Hip Hop Head sie liebt, wagt sich Casual nicht zu selten auch in musikalisch heiklere Gebiete, die den Witz seiner Produktionen unglaublich intensivieren. Hagelt es nämlich noch 3 Sterne und Beschwerden sein Style währe nicht Hip Hop, kann sich der geneigte Hörer in Welten führen lassen, denen er sonst nie begegnet wäre. Trotzdem gilt: beim ersten Hören, ist an den Instrumentals nichts besonders ungewöhnliches festzustellen. Erst nach aufmerksamem Lauschen offenbart sich einem die leichtfüßige Gratwanderung zwischen den Genres. Hier mischen sich dann schwer widerzuerkennende Instrumente mit hektisch, lärmenden Vocal Sampels, wunderbar verspielte Bassläufe mit abgehackt, aristokratischen Rhodes und ausladende Harfen mit zurechtweisenden Drums. Zwar immer nach Anerkennung suchend, bleibt Casual’s Musik doch trotzig und pfeift auf Konventionen.
Die Grundstimmung ist bedrückt. Düster. Fast melancholisch. Wer das Leben nicht nur einseitig betrachtet weiß, dass Gefühle sehr kontrastiert sind. Also findet sich auch der eine oder andere fröhliche Beat, auch wenn man die gewohnt dunkle Stimmung immer durchhört. Nicht, dass es stören würde. Eher kristallisiert sich ein neuer, eigener Style heraus, der deswegen so sympathisch ist, weil er eben traurig scheint. Selbstbewusst und zielstrebig setzt Casual dieses Stilmittel ein, wann immer ihm der Sinn danach steht. Mal vergisst man diese düstere Atmosphäre, dann erinnert er uns plötzlich wieder daran. Der Hörer befindet sich im ständigen Wechselbad der Gefühle. Casual’s Sound ist pures Leben.
Aber er hat auch die Gabe zu überraschen. Hat man mit der Zeit den Eindruck gewonnen, seinen Style durchschauen zu können, belehrt er uns eines besseren, in dem er uns einen völlig neuen Sound präsentiert. Nur seine Drums geben einem noch das Gefühl, demselben Produzenten zuzuhören. Trotzdem ist er nicht so naiv zu glauben, jeder Hörer würde sofort Gefallen an einer Sache finden, die er von ihm nicht gewohnt ist. Da kann man in der Beschreibung lesen, "Nicht vom Intro abschrecken lassen" oder "Nicht gleich wegschalten, hört es euch bis zu Ende an". Fast stellt man sich Casual wie ein kleines Kind vor, das seinen ersten Chemiebaukasten bekommen hat und damit so lange rumspielt, bis er seinem Vater stolz seine neuesten Entdeckungen präsentieren kann, der aber zunächst wenig begeistert davon ist. Also warnt man lieber vor. Lasst euch darauf ein! Hier wird kein konservativer Hip Hop geboten, hier wird experimentiert! Und wer sich nicht von ungewohntem abschrecken lässt und offen für neues ist, wird in Casual seinen Meister finden.
Aber Berlin verführt anscheinend hin und wieder, sich dem Rush hinzugeben. Einige Produktionen wirken unvollständig, wecken den Eindruck nur als Skizzen oder Studien auf konstruktive Kritik zu hoffen. Man hat nicht selten den Eindruck, hier wurde zwar präzise, aber schnell, vielleicht zu schnell, gearbeitet. Steht in der Beschreibung einfach "zurücklehnen", schlummert in einem doch der Wunsch, Casual selbst hätte sich noch einmal zurückgelehnt und hätte die letzten kleinen Schönheitsfehler ausgebessert. Aber ob dies wirklich ein Kritikpunkt ist, bleibt eine rein subjektive Sache. Einige werden es als "Underground" bezeichnen, andere als "dirty" oder "ruff". Jedoch ein paar werden Casual’s Sound als solches stehen lassen und einfach genießen.
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mickey knox
am 27.09.2003
mickey knox
am 27.09.2003
20217 











