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Vera

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Vera am 03.09.18 um 17:25

Die Wohnungsübergabe

Nachdem der Termin mit dem Vermieter auf 12:15 Uhr an diesem Tag festgesetzt worden war, erscheint er pünktlich um 12 Uhr mit seiner Luxuskarosse. Er steigt aus, und blickt wie immer unfreundlich und zornig um sich.
Die Hand gibt er uns gar nicht erst, schließlich gehören wir nicht zu der Klasse von Menschen, zu denen er und andere Anwälte gehören.

Die Wohnungsabnahme heute stellt für uns den Schlusspunkt einer 4 wöchigen Dauerstrapaze dar, und ist zugleich auch deren Höhepunkt: denn wir wissen nicht, welche Register er nun gleich ziehen wird, um uns die Kaution von 700 Euro nicht zurückzahlen zu müssen...

Er hat uns vor zwei Wochen am Telefon auf unsere Frage hin mitgeteilt, was wir bis zur Schlüsselübergabe noch in der Wohnung machen müssen: „Nur die Fenster putzen, die Türen abwischen, Böden besenrein“.
Denn es sollen im Anschluss sowieso einige Arbeiten in der Wohnung gemacht werden.
Unser Hausmeister hat uns letztens im Vertrauen genauer mitgeteilt, welche: die Böden sollen raus, und die Wände aufgestemmt werden: denn die Rohre und die Elektrizität müssen gemacht werden.
Glücklicherweise: denn für uns bedeutet es: kein Neutapezieren und Streichen!

Sein Haus, ursprünglich ein Sozialbau aus den 70ern wie wir ebenfalls zufällig irgendwann mal vor kurzem erfahren hatten, vermietet er seit Jahren zu Penthouse-Preisen, die er zusätzlich regelmäßig alle 15 Monate zum maximalen Satz erhöht. Nach 10 Jahren, die wir dort nun gewohnt haben, zahlen wir inzwischen rund das Doppelte unserer anfänglichen Miete.

Doch nicht nur billig ist seine Bausubstanz, sondern direkt marode: wenn samstags im Keller gewaschen wird, tritt aus den Wänden das Wasser und bildet auf dem Mittelgang vor jeder Kellertür eine pittoreske kleine Pfütze, die nach und nach im weiteren Verlauf des Wochenendes dann langsam trocknen wird...

Er kommt regelmäßig persönlich vorbei, um per Hand „Liebesbriefe“ an seine Mieter zu verteilen: irgendwelche Nötigungen bsp zum „richtigen“ Fensterputzen, zur Einhaltung der DIN seiner Flurwoche, oder eine strenge Ermahnung, wenn man die Miete mal einen Tag später überwiesen hat. Sogar zur besten Kaffeetrinkzeit an Heiligabend kam er letztes Jahr vorbei - so ernst nimmt er eben seine Verantwortung gegenüber uns Mietern.

Die Schäden an seinem Haus hat er aber noch nicht repariert.

Es klingelt. Da ist er nun also. Er tritt ein, grauhaarig und im schwarzen Anzug, würdigt uns keines Blickes. Er sagt
schlechtgelaunt: Dann will ich mir mal Ihre Wohnung angucken...

Er sieht sich um. Sofort fällt sein Blick auf die Wände und er macht augenblicklich ein fassungsloses, empörtes sowie unangenehm überraschtes Gesicht:
„Sie haben ja gar nicht neu tapeziert!?“

„Sie haben uns doch gesagt, wir bräuchten das nicht!“, sage ich irritiert.
Kopfschüttelnd zieht er daraufhin nur ein Papier aus seiner Ledermappe und hält es mir unter die Nase: die Vereinbarung, die ich vor 10 Jahren zu unserem Einzug unterschreiben musste: zum Auszug hätten wir die Wohnung neu zu tapezieren - andernfalls würde er die Kaution einbehalten.
Er hat Schauspielerqualitäten - denke ich, ebenfalls nun unangenehm überrascht, denn ich bin im falschen Blockbuster.
„Sie haben uns am Telefon doch etwas ganz anderes gesagt - Hallo?!...“ Ich kann das halt nicht so schlucken!
Doch er bleibt dabei: er kann sich an kein Telefonat mit uns erinnern.

Ich fange an zu kochen.
Während er unsere Küche betritt.
Sie ist leer und glänzt, nachdem ich stundenlang dort geschrubbt und gewienert habe. Sie ist sauberer als bei unserem Einzug.
Er sieht zu mir, mit einem Blick, der Ekel und totale moralische Empörung über mich ausdrücken soll:
„Verschmutzt!“, stößt er aus.
Ich blicke ihn an, er mustert meinen Blick, kann ihn aber so schnell nicht deuten, und tippt anscheinend, ich sei beeindruckt. So ganz sicher ist er aber wohl nicht, denn sein Blick bleibt weiter an mir hängen, und er sagt: „Ja, gucken Sie mich nicht so an! Was soll ich da noch sagen?! So ist es nun mal!“
Ich gucke ihn weiter ausdruckslos an und sage ihm: „Ja, ich höre zu und nehme auf, was Sie sagen.“

Damit poltert er an mir vorbei ins nächste Zimmer - ich muss einen Schritt schnell zur Seite gehen, um nicht von ihm angerempelt zu werden.

Er steht nun in der Mitte des ehemaligen Wohnzimmers, das genauso glänzend und leer ist wie die Küche. Sein Blick heftet sich erneut auf die Wände:
„Verschmutzt!!“, stößt er wieder aus, und blickt nun geradezu wütend auf uns. Kopfschüttelnd wird nun auch der Boden und die Zimmerdecke auf selbe Weise inspiziert. Wir ernten seine restlose Verachtung.

Er wiederholt nun immer nur noch stereotyp weiter melodramatisch wie einen Urteilsspruch den Ausruf "verschmutzt!", während er durch unsere restlichen Räume trampelt und auf seiner Mängelliste unsere "Übeltaten" genau und minutiös einträgt: Boden, Ecken, Wand, rechts, links, im oberen Drittel, usw. - alles ein Extrapunkt.
Ein Extra-Minuspunkt, versteht sich.

Als er inzwischen ungefähr zum 7. Mal „Verschmutzt!“ gesagt hat, mit bitterböser, ausspuckender Attitüde, sage ich zu ihm:
„Wie oft wollen Sie das jetzt noch sagen? Wir brauchen keine Belehrung von Ihnen. Machen Sie jetzt einfach Ihre Liste fertig, wir können ja hoffentlich darauf vertrauen, dass Sie das sachgemäss machen..."

Zum ersten Mal ist er verdattert. Er sucht nach einer Antwort und sagt dann lahm: "Ja! ... das mach ich ja!"...
Damit rennt er weg, in einen anderen Raum, denn das war ihm jetzt wohl irgendwie unangenehm.

Bald hat er sich aber wieder gefangen, und ballert nun von Neuem los, mit besserer Munition: er kommt aus dem Raum zurück und geht diesmal direkt auf uns los, mit der Anklage, wir hätten die Wohnung völlig runtergewirtschaftet: das sähe man an den Wänden: da sei überall Staub und Schmutz drauf! Er bohrt dabei seinen Blick in meine Augen. Ich soll mich wohl jetzt schämen: Sowas als Frau! und so...

Ich antworte ihm: „Ja stmmt! Und gucken Sie mal: der Staub setzt sich genau in dem Muster ab, wo innen in der Wand die Rohre verlaufen!"

Er glotzt nur dämlich, versteht aber nicht, noch nicht jedenfalls.
Er meint weiterzuwettern:
„Ja! Diese Wohnung ist unbewohnbar! Da müssen alle Schäden behoben werden, bevor man hier wieder drin wohnen kann!"
Ich pflichte ihm eifrig bei: „Stimmt!“
„Jaaa...!!“ sagte er, 10 cm vor mir stehend, seine Augen sprühen Funken, er vibriert vor Wut - und wartet offenbar auf mein Schuldbewusstsein.
„...Aber das ist ja nicht unsere Verantwortung!“
sage ich ihm stattdessen da.

Nun ist er verwirrt. Und in immer noch anschwellender Rage. Er kommt nun ganz dicht an mich heran, mit rotem Gesicht:
„Die ganze Wohnung ist versifft!“

„Ja, genau“, sage ich: „Denn Ihre Wände sind kaputt!“ ich mache eine kleine Pause, denn ich will sehen, wie er nun darauf reagiert.

Er steht kurz vor einem cholerischen Anfall, so scheint es. Er schreit nun los, irgendwas, was nicht so ganz Worten zuzuordnen ist. Ich setze meine Ausführung derweil fort:
„Man hört es in den Wänden plätschern! Die Rohre lösen sich auf, und man kann dieses Wasser auch nicht trinken, weil da Granulat von den Rohren drin ist!"

Damit habe ich jetzt wohl seine Rohre äh Schleusen geöffnet.

Er platzt vor Wut, widerspricht trotzig, das wäre Unsinn und seine Rohre völlig in Ordnung. Ich sage einlenkend: „Ok., wir wissen es ja auch nicht genau, da müsste man also einen Experten fragen, was der dazu meint...“
Er ist getroffen und rennt erneut aus dem Raum. Das hat er wohl nicht erwartet - die böse Drohung mit einem Gutachten, ohje!

Ich gehe ihm gemessenen Schrittes hinterher und plaudere dabei weiter auf ihn ein, wohlmeinend, um ihm zu erklären, dass er wirklich was tun muss, mit seinem kaputten Haus.
Er ignoriert mich inzwischen aber vollends, als wäre ich gar nicht da oder hätte gar nichts gesagt.
Er hat mich aber gehört.

Nun hat er sich wieder erholt und schnauzt und schimpft von Neuem, was wir alles für Schäden angerichtet hätten! Wie das hier aussehen würde! Wie man überhaupt so leben könnte! Sowas hätte er noch nie gesehen!! -

Er versucht es halt immer noch auf die Einschüchterungstour. Genau so macht er es wohl vor Gericht, denke ich.

Ich erinnere ihn kurz daran, dass seine Wände das Problem sind...

Er schleudert mir nun einen ganzen Wortschwall ins Gesicht, an seinen Wänden liegt’s natürlich nicht, wohl aber an uns: wir würden ja nie die Tür aufmachen, wenn bsp der Hausmeister klingelt oder er uns persönlich mal habe besuchen wollen, man müsse sich bei uns 4 Wochen vorher anmelden, richtige Schauermärchen habe er da ja über uns immer wieder gehört!...
er redet so schnell und bindet dabei eine unverschämte Absurdität an die Andere - Er will, dass ich nicht mehr dazwischenkommen kann und in die Defensive gerate.
Ich sage anerkennend, dass das ja viele Themen sind, die er da bringt - aber dass es ja vom Thema wegführt: denn das Thema seien seine Wände!

Er sieht aus, als wolle er mich gleich fressen, und natürlich will er immer noch den rechtschaffen Wütenden Geschädigten mimen und uns als die schlimmsten Mieter ever hinstellen...
Er hat es also immer noch nicht verstanden, und so bringe ich ihm in heiterem, gelassenem Ton eben weitere Beispiele für meine These, wie zb die Sache mit dem Keller...- die ich übrigens in weiser Voraussicht fotografisch dokumentiert habe.

Jetzt hat er es wohl endlich verstanden. So guckt er jedenfalls in diesem Moment - und versucht es dann plötzlich anders, indem er jetzt lückenlos umschwenkt auf den Vorwurf, das hätte ich ihm dann sofort mitteilen müssen, wenn da was kaputt ist!!!

So geht es noch eine gute Stunde weiter, es ist aber alles einfach nicht haltbar, was er da versucht, dann schreibt er plötzlich wie wild etwas zu unterst auf sein Übergabeprotokoll, und am Ende kommt er uns dann damit, dass es zwei Möglichkeiten gibt:
Entweder, er würde den Sachverständigen holen und dann eine Schadensersatzklage gegen uns vorbringen und vor Gericht ziehen - und damit blickt er mich drohend wie ein Raubtier an (blöd nur, dass sein linkes Auge dabei so nervös flattert!)...
Ich frage in seine Künstlerpause hinein, was die andere Möglichkeit wäre?
Und er sagt: die andere Möglichkeit ist, dass wir wegen der Mängel auf unsere Kaution verzichten und mit dem heutigen Datum und Unterschrift von uns dreien alle gegenseitigen Ansprüche dann aufgehoben sind. -
Die letztere Alternative ist interessanterweise auch das, was er vorhin schon auf sein Papier so verbissen dreinblickend geschrieben hat.

Ich experimentiere nun innerlich amüsiert mit seinen Lösungsvorschlägen: wie will er denn für 700 Euro unseren unvergleichbar schlimmen Vandalismus, der alles zerstört hat, wieder in Ordnung bringen?, frage ich mich in mich hinein grinsend. Und vor allem finde ich interessant, die Sache mit dem "gegenseitig", die so unschuldig und unauffällig als kaum bewusst wahrnehmbares Wort da nun in den letzten Satz mit reingepackt ist...
Ich überlege kurz, ob ich ihn damit noch ein bisschen aufziehe - lasse es dann aber sein. -

Tatsächlich war es nicht ganz so lustig, wie es im Nachhinein vielleicht wirken könnte, und wir haben uns wirklich noch sehr über diesen Mistkerl geärgert.
Das Gute ist jedoch: Ich bin sicher, er hat sich mehr geärgert: weil er komplett aufgeflogen ist vor uns.

Vor allem aber, weil er wohl weiß, dass es stimmt, was ich ihm als Letztes zum Abschied dann noch sagte:

„Sie werden Stress mit Ihrem Haus bekommen."

Alexander Supertramp
Alexander Supertramp Juli 2022
Das hatten wir auch. Die Vermieterin wohnte in dem Haus. Als meine Schwiegermutter zu Besucht kam, klingelte die Vermieterin und verdächtigte sie, dass sie die Tageszeitung geklaut hätte. Dumm nur, dass meine Schwiegermutter aus Frankreich kommt und kein Deutsch versteht. Und damit sicher kein Interesse hat, eine deutsche Tageszeitung zu klauen. Der Sachverhalt änderte sich auch nicht, als eine Nachbarin hinzugezogen wurde, die übersetzen sollte. Kurz darauf haben wir uns ein Haus gekauft und sind sehr glücklich.

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