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STARBOARDER am 07.04.11 um 09:17

Aspie, Kanner, Savant, ADHS oder NT? Jeder hat einen "Whack" -Selbstanalyse heute

Über das weltenweite Netz kommunikativ weitergebildet, ist mir inzwischen klar geworden, wieso sich die für mich schwierigste aller Disziplinen, die intersoziale Kommunikation, Interaktion und das Verständnis der zwischenmenschlichen Austausch-Ebene, nur mit horrenden Schwierigkeiten begreifen lässt.
Inzwischen habe ich manche dieser Hürden ganz praktikabel und anwederfreundlich genommen, was ich nicht zuletzt einem sehr verständnisvollen Sommersprossigen zu verdanken habe.
Dinge, die für mich seit jeher unerklärlich blieben, wurden über Versuch und Irrtum über die Dauer von gut 20 Jahren analysiert und quasi am lebenden Web-Objekt getestet, an zahlreichen Kontaktversuchen allmählich erlernt.
Soziale Interaktion ist für mich mindestens so schwierig, als es anderen mit den quantenmechanischen Funktionen geht. Das war immer so, es blieben weite Bereiche dessen verschlossen, was für fast jede/n) in dieser Gesellschaft selbstverständlich oder natürlich ist.
So ähnlich wie ein Asperger Autist aufgewachsen zu sein, scheint ähnliche Schwierigkeiten hervor zu rufen, wie sie für echte Aspies alltäglich sind. Vorgänge, die mir als Kind und Jugendlichem unter "der ist bekloppt" oder "du spinnst" oder ähnlich angekreidet wurden, das kennen auch die Aspies treffend ähnlich. Ein Klischee-Aspie bin ich jedoch so gar nicht, und die bedeutenderen Merkmale dieser Variante des Natürlichen (andere Quellen halten es für eine Art Krankheit oder leichte Behinderung ) fehlen mir eher. Dennoch habe ich über das Kennen lernen der AS-Thematik wohl endlich aufgeschlüsselt, warum so vieles in meiner Welt so sehr anders als bei der gängigen "Norm" war und ist.
Mit dem Spruch "Du bist nicht normal" musste ich mich früher bald täglich konfrontiert sehen. Es führte dazu, dass ich mir als Mensch unerwünscht und nicht "richtig" vorkam. Akzeptanz bzw. Toleranz unter anderen, in einer Gruppe von Menschen geduldet zu werden, nicht draußen bleiben zu müssen, diese Dinge waren mir zeitlebens eher fremd. Wie ein Fremdkörper, oder eine Art Aussätziger, Alien, so kam ich mir als Kind oft vor, und diese Art Behandlung schwappte mir allenthalben entgegen, wo ich mich um Einlass bemühte, oder simpel Kontakt suchte. Das gelang seinerzeit nie. Mit verschiedenen Gedanken und Erfahrungen konnte ich mich an niemand wenden. Das Anderssein wurde mir ganz früh bewusst, und es lag nicht allein an den Dingen oder Eigenschaften, die in der sozialen NT-Welt typisch, gängig und anerkannt waren.
Ich brachte Akzeptanz spätestens mit 8 Jahren Alter damit zusammen, dass eine Selbstumformung zu einer "richtigen" = erwünschten Konstellation der Persönlichkeit und Eigenschaften der einzige Weg dahin sein würde. Da ich es kaum schaffte, mich selbst zum Wünschenswerten der anderen Menschen vollständig zu kontrollieren, oder besser, zu unterdrücken, war diese Kindheit und Jugendgeschichte eine ziemlich traurige, finstere Zeit. Mit ungefähr 9-10 Jahren Alter hatte ich die Idee, dass mein Ableben wohl die kostensparendste Alternative zu einem Leben bestehend aus den Vorgaben anderer sein würde, und meiner Murtter über einen neuen Ovationszyklus die Chance vermitteln könnte, ein weiteres Kind auszutragen. Ich hoffte, meine Eltern mögen sich die genetischen Eigenschaften vor der Zeugung aussuchen, damit nicht wieder ein für sie enttäuschendes Produkt entstehen würde. Meine Sicht auf mich selbst war sehr selbstdistanziert, und nicht vom üblichen Drang angeleitet, sich selbst eine neutrale oder hyperpositivierte Wertschätzung entgegenzubringen.
( Noch heute habe ich nicht richtig verstanden, welcher Anlass die hyperpositiviert selbsterkannten Menschen dazu bewegt, sich selbst so wenig rational zu bewerten ) Andere Ideen hätte ich damals für irrelevant befunden.
All meine persönlichen Eigenschaften kollidierten mit den Anforderungen, die aus dem System der Gesellschaft an mich gestellt wurden. Auch verstand ich die Zusammenhänge nicht, wie zum Beispiel dieses Maskerade-Spiel der aufgesetzten Fassaden, mit denen die Menschen herum liefen. Ich fand es höchst kompliziert und umständlich, anderen stets etwas anderes vorzumachen, als das, was man verkörperte. Und ich machte nie auf die selbe Weise mit, als diese meiner Familie gefällig gewesen wäre. Dagegen musste ich als Kind bestimmte Eigenschaften verschleiern und verbergen, weil sie in der Umgebung verteufelt undkrankhaft eingeordnet wurden.
Die Thematik der Homophilität war damit besonders behaftet. In einem Buch über Psychiatrie, das allerdings Ende des 19. Jahrhunderts verfasst worden war, las ich zum ersten Mal über die damals noch unter den Abweichungen eingestufte Sache. Mir war zwar schon als Kind mit 6 Jahren klar gewesen, dass als späterer Lebenspartner nur ein Mann in Frage kommen könnte, den ich mir als imaginären, damals älteren Kumpel herbei sehnte. Denn wirkliche Freunde, Kumpane, so, wie ich das unter anderem auch hier von Leuten erzählt bekam, dass es in ihrer eigenen Jugend üblich war, das kannte ich nie.
Bücher, Musik und Interessen, Feld-Wald-Auen-Exkursionen, Sammelleidenschaften, das war pretty well der Ersatz dafür. Menschen gaben sich mit mir eigentlich nur in der Art ab, dass ich Aufgaben erhielt, aus dem Weg gescheucht wurde, oder das übliche Prozedere der familientypischen Formalien absolvieren sollte. Oder durch Gewalt. Gewalt und Demütigung, Niederschätzung und Übergriffe, auch andere Dinge, über die mutigere Leute bessere Bücher abgeliefert haben, waren Umgangsmodalitäten, die mir gratis zugewandt wurden. Diese Art Umgangsweise konnte ich nie gut finden. Sie war zwar eine Form der Beachtung und Aufmerksamkeit, aber eine äußerst schreckliche, schmerzhafte und von mir mit Angst beantwortete Umgangsform. Ich mag Gewalt in vieler Hinsicht heute noch nicht, das ist wohl davon übrig geblieben, auch wenn ich verstanden habe, dass ich Ausnahmesituationen nur mit Gewaltanwendung Lösungen gefunden werden. Jedoch differenziere ich da stark nach Sinn und Nutzen. Irgendwie habe ich diese grässliche Kindheit rumgekriegt, mir ist es manchmal heute noch fraglich, wie überhaupt, und vielleicht doch nur dem Zufall übergeben, der die ganzen Versuche, mit dem Leben einfach aufzuhören, gründlich vermasselt hat. Ich hoffe, es ist niemand deshalb beleidigt. Ich könnte es mir im kleinen Rahmen der damaligen zwangsläufigen Vergesellschaftung einigermaßen vorstellen.
Zurück zu den sozialen Schwierigkeiten. Diese begleiteten mich ins frühe Erwachsenenalter. Einige Wochen lang sprach ein Windsurfer mit mir, der mit seiner Verlobten dann jedoch nach Australien auswanderte. Dieser Kontakt war mein erster richtiger Sozialkontakt, der also nicht rein zwangsläufig ablief, da war ich 14. Später habe ich erst mit 20 wieder Leute zum Reden kennen gelernt, wenigstens in Canada. Das waren so meine ersten Erfahrungen mit dem produktiven Knüpfen sozialer Kontakte. Ich hatte mir dazu jede Menge Bücher über das Sozialverhalten des Menschen reingezogen. Ich hatte erwähnt, dass meine Interessen sehr seltsam und eher ausgefallen waren, so interessierte sich während der ganzen Sonderschulzeit keine Sau für klassische Musik, prähistorische Tiere, Fossilien, Ornithologie, Neurowissenschaften, Science Fiction, Verwesungsprozesse, Anatomie, Astronomie oder Raumfahrt/Luftfahrt, und das waren bloß Auszüge. Überhaupt war die Schule auf der einen Seite ein ziemlich langweiliger Pflichtort, und auf der anderen Seite ein Pfuhl von Hänselei, Mobbing, Gewalt. Auch das lernte ich nie zu mögen.
Soziale Interaktion zu lernen, ausgezogen, ich war.
Ich beobachtete die Menschen so ähnlich, wie man als Verhaltensforscher irgend eine Spezies beobachtet und habe immerzu versucht, mich ihren Umgangsmethoden möglichst nahe anzupassen. Ich dachte, das müsste ungefähr hinhauen, wenn ich die wichstigsten Grundformen ihrer Kommunikationsformen nachahme, dass es mir mit der Zeit so gelänge, auch selbst Bekanntschaften zu erreichen. Oder wenigstens in einer Sub akzeptiert zu werden. Das klappte meist jedoch nicht besonders gut, denn es waren vor allem die Feinheiten, die ich nicht klar voneinander trennen oder richtig einordnen konnte. Es passierte mir eigentlich andauernd, irgendwie trotz aller Mühen, die richtige Verkleidung auszuwählen, und die szenetypischen Floskeln auswendig zu lernen, irgendwie als shraeg oder schroff wahrgenommen zu werden. Jedenfalls nicht passend zur jeweiligen Gruppe, und man ließ mich das meist schnell wissen. Auch verstand ich die nonverbale Kommunikation über kaum merkliche Gesten sehr lange nicht. Das versuche ich mir heute noch manchmal zu erschließen, denn es ist multikomplex dynamisch von einander abhängig, wie sich dort die Veränderungen ergeben. Ein solches Lernen kann nur dann funktionieren, wenn der Prozess des Lernens sich selbst flexibel dynamisch parallel der Entwicklung der Multikomplexitätserweiterung bewegt. Aber damit habe ich bisher anthropogene Probleme. Es gelang mir wohl vor allem fern von Europa in wenigen Gruppen und Bereichen geduldet und akzeptiert zu werden, das dauerte aber sehr, sehr lange und ist trotz allem Erreichten kein leichtes Spiel.
Das Kennen lernen einiger mit Asperger Syndrom Diagnostizierten hat mir vieles zu verstehen erleichtert, selbst die Synästhetische Sinnesverspulung oder die Sache mit dem überempfindlichen Gehör, durch welches ich als Kind so irre gehänselt und gequält worden war, lassen sich in die Erklärmethode einfügen, die mir durch diese Vergleiche mit am Plausibelsten erscheint. Die Unterschiede zum AS klären sich so auch immer deutlicher auf. Zum Beispiel bedarf ich keinerlei Routinen oder durchorganisierter, stereotyper Abläufe, um durch den Tag zu kommen, und ich glaube nicht, dass Pinkeln und Noise-Reduction zu benutzen, dazu gezählt werden. Auch bin ich in meinen Spezialinteressen kaum festgefahren und ticke nicht sofort aus, weil ein bisher als Verwandter der Geweih-Schnecken eingestufter, fossil erhaltener Schalenkörper plötzlich einer anderen Gattung zugeordnet wird, wenn neue fossile Funde gemacht wurden. Einen echten Aspie würde das nämlich komplett aus der Rolle bringen.
Mir fehlen Ordnungszwänge und alles ähnliche, und ich habe das Körperschaukeln bis auf ganz wenige unbedachte Momente gut im Griff, es kann also kaum zufällig vorkommen, so dass es mir nicht sofort auffällt. Auch sind meine Gebiete wesentlich breiter und in angrenzende Fachgebiete überlappend, dennoch schaffe ich es nicht, mich nur für ein Gebiet lange einzuschießen. Das spräche eher schon für ADS oder ADHS, aber dafür fehlen mir noch mehr Eigenschaften als bei den Aspergers.
Aggressionsentladungen kenne ich auch nur bei bestimmten Reizthemata, die mich als Mensch nicht anders bewegen könnten, als Ärger zu verursachen.
AS- Ähnlichkeit hat mir erschlossen, warum mir zum Beispiel die meisten emotionalen Zusammenhänge kaum mal bewusst sind. Ich bin eher theoretisch und werde oft als kühl oder gefühllos empfunden. Das sagen jedenfalls manche Leute. Gut, es muss nicht alles stimmen, was andere Leute so sagen. Einige sind schließlich auch der Meinung, dass meine Socken stark nach alt gewordenem Känguruhleder riechen sollen, ein Umstand, der mich inhaltlich wenig beglückt.
Die Tatsache, dass ich mich über Schrift und Briefe zu 95 % mit Menschen auseinandergesetzt habe, bevor ich Europa verließ, wird manchem eröffnen, wie Kommunikation und Sozialleben für mich seinerzeit ausgesehen haben. Außer 2 Leuten von MOM und einer knappen Clique von Tekkern, DJ's und Windsurfern kannte ich persönlich eigentlich keine Familienfremden. Ich war pretty well ein Internetsüchtiger und hing die meiste Zeit zwischen 1996-2004 hinter der Nulleinsnkiste rum und schraubte, frickelte, vermuhackelte und quälte Synths, Softwares und Plugins.
Mir erschien kein besonders großer Unterschied zwischen menschlichem Umgang oder dem mit Computern zu bestehen, denn mein damaliger Computer, "Murphy", hatte so etwas wie eine nutzer-unabhängige, eigene Sammlung von Marotten entwickelt, die zuweilen darin gipfelten, dass der schwere Ausnahmefehler sich mit anderen internen Prozessen verschwor, nur, um mir zu sagen, dass auf dem System kein System gefunden werden konnte. Das erschien mir doch sehr menschlich, und rief mich dazu zurück, dass Computer von Menschen programmiert werden, und somit auch die Möglichkeitsspanne der Fehler dem menschlichen Ideal entspringen musste. Menschen, in denen keine Menschen vorhanden waren, hatte ich bis dahin genügend kennen gelernt, und weiter ziehen lassen.
Der große Kontaktversuchsmodus lief eigentlich von ca. 1988 -2005, und das war im Versuch, mir das menschliche Sozialverhalten anzueignen, eigentlich die umfassendste Etappe. Nach der Selbstentfernung oder Flucht aus dem streng katholischen und homophob bis faschistoid durchsetzten Vaterland voll Muttererde versuchte ich auch in Sachen homophile Sphäre das Kontaktieren anderer Betroffener auszuloten. Es sollte allerdings dauern, bis ich 25 war, und die intrinsisch verankerte Angst davor, dass es jemals ein anderer erfahren könnte, sich durch das Lernen um die weltweit verbreitete Häufigkeit relativiert hatte. In Canada wurden 1994 die Gleichberechtigungsgesetze eingeführt, was dieses stetige, unterschwellige Gefühl einer Bedrohungssituation allmählich weichen ließ. Dennoch hatte ich keinen blassen Schimmer, wie man andere Schwule überhaupt erkennen sollte, und mich zogen überall nur Typen an, die garantiert Heteros waren. So waren auch die ersten 10 Jahre, die ich ab Alter 27 daran vergeudete, Schwule über das Internet kennen zu lernen, von viel Enttäuschung gekrönt, und von 2 recht netten solchen Irrtümern, einen Heteromann interessant zu finden. Gut, einer war selber Musiker / DJ ) und der andere Polizist, sehr verständnisvoll, ich musste es ihnen nicht mal erklären. Auch hier zeigte sich das Kontaktproblem in massiver Weise. Mit der Zeit lernte ich jedoch im Vorfeld von potenziellen Bekanntschaften die Signaturen zu lesen. Wenn man entsprechend Fragen stellte und beobachtete, konnte man sehr gut herausfinden, in wie weit man sich einer Person online anvertrauen konnte. Parallel lernte ich vor allem in Musiker-Chaträumen und einzelnen Schwulenchats die jeweils aktuellen Umgangsfloskeln, um mich mit den Leuten flüssiger unterhalten zu können. Sehr erstaunt war ich dahingehend doch über Erfolge, denn sogar die Leute, vor denen ich in der Wirklichkeit am meisten Angst gehabt hätte, ( Jugendliche - ca. 25 Jährige ) benahmen sich äußerst korrekt und überwiegend freundlich mir gegenüber. Ich lernte jedoch auch, dass während Internetkontakten die Ebene der Betonung, Gestik, Körperhaltungen, Mimik, Pausensetzung, Gerüche, allgemeine Ausstrahlung weg fallen, und durch das Setzen von Emoticons nur mangelhaft vermittelt werden konnten. Das führt bekanntlich zu den üblichen Problemen, die man beim Wahrnehmungs-Unterschiedlichkeitsproblem kennt, also der Diskrepanz zwischen der Meinung des Schreibenden und der Deutung des Lesenden, die zu wortgewaltsamen Forengefechten führt, und manchmal sogar zu komplett an einander vorbei laufenden Monologen mutieren kann, die von Dritten als vertrackte oder verfehlte Dialoge wahrgenommen werden.
Überrascht war ich in diesen gut 10 Jahren intensiver Chatnutzung auch darüber, wie viele, meist junge Leute es da gibt, die zwar 25 und mehr Freunde kennen, aber niemanden, mit wem sie über persönliche Probleme, Nöte, Ängste, Trauer oder komplexere Dinge reden können, dass da keiner von all diesen "Freunden" zuhörte. So kam ich mit der Zeit zu einer Art Nebenrolle als Briefkasten-Omma oder Ersatztherapeut, und konnte so gleichsam Lebensgeschichten einsammeln, die oft nicht ganz so herrlich verlaufen waren, wie das die Beschreibungen in den sozialpädagogischen Schriften am liebsten vermittelt hätten. Diese Dinge waren Seitenerkenntnisse mit gehaltvollem Vergleichspotenzial. Auch darüber ließ sich viel über menschliches Sozialverhalten lernen, besonders über die Schattenseiten der Fassaden-Gesellschaft, von dort, wo die Masken zu bröseln begannen. Mit dem Lernen darüber, dass wohl nicht alle Menschen Klänge sehen können, oder Zahlen bunt und in 3-D wahrhehmen, schmecken oder riechen können, kam ich endlich darauf, was man mir als Kind immer als "verrückt" vorgeworfen hatte, wenn ich etwas von grünen Fünfen oder runden Bässen in mahagonifarbenen Riffelungen erwähnte. Dass auch diese für andere geheime Wahrnehmung etwas mit sozialen Schwierigkeiten zu tun hatte, wurde mir erst allmählich bewusst. Ich war davon ausgegangen, dass selbstverständlich jeder Mensch das besitzt, dass es natürlich so sein muss, ich hatte aber auch nie viele danach gefragt. Über die Synästhesie und eine Bekannte aus Japan kam ich letztendlich auch zu der Asperger-Thematik. Ich hatte wohl darüber gelesen, wenn ich mal den ICD-10 nach etwas durchforstete, was ich für Buchprojekte brauchte, mir aber nichts weiter dabei gedacht. Mir war früher aufgefallen, dass bestimmte Formen des Autismus diese Sache mit den superdetaillierten Träumen mit drin hatten, oder mit innerlich erschaffenen Universen, in denen alles komplett anders läuft als in der faktischen Welt. Ich hatte es aber nicht übertragen können, da meine innere Fantasiewelt willkürlich betretbar ist, und nicht zwangsgerichtet oder ohne Interesse an der Interaktion nach "außen" besteht.
Einige Dinge waren auch bei den stärkeren Autismusformen ein bisschen ähnlich, aber viel zu gering, um dafür in Frage zu fallen.
Bis ich zu dieser AS-Gruppe kam, auf einem amerikanischen Forum. Zunächst kam eine längere Mitgliedschaft auf Asexuality.org dazwischen, da mir die schwule Szene höchst befremdlich und abstoßend erschienen war, zumindest das, was im Netz davon zugänglich ist. Ich war sogar im Selbstvergleich mit all denen noch zu sehr anders, um in diese Sub passen zu können. Die gängigen Schwulen waren seltsame Menschen, oder besser gesagt, riesengroße Ärsche mit Beinen und dem ollen Lötkolben da vorn dran. Zumindest erschien mir das fast ausnahmslos so, und von Romantik oder Liebe, bzw. dem Bestreben nach einer dauerhaften Lebenspartnerschaft, hatte diese Welt bestenfalls mal zufällige Einsprenkelungen. Es war nicht meine Welt, und um so mehr ich mich darin um Kontakt bemühte, desto grausamer erschien es mir.
Bei den Asexuellen war der Umgang erheblich zivilisierter und auch kulturell auf einer annehmbaren Stufe. Die hatten es auch nicht dauernd mit dieser bescheuerten Popperei, zumal das, wenn man eh keine Kinder plant, an sich eher uninteressant bleibt. Jedenfalls war mir danach nicht, und die Schwulen hatten immer ganz große Probleme damit, das zu begreifen.
Bei den Aspergers war ich diese Dinge endgültig los. Mit denen konnte ich mich auf meiner Höhe unterhalten, ohne dass die Gedankenzüge um die Partner- und Beziehungsschiene zirkulieren mussten. Ich habe dahingehend nie Hetero-Portale besucht und kann nicht dafür sprechen. Ich kenne inzwischen aber so einige Heterofrauen, die genau von diesen Themen auch die Schnauze voll haben, und sich einen Umgang mit Kerlen nur noch dann wünschen, wenn der Lötkolben keine Rolle spielt. Die kann ich sehr gut verstehen ;-)
Die Asperger unterhielten sich nicht wirklich, aber sie schrieben ihre Selbstempfindung oder Gedankengänge zu den verschiedensten, teils hochinteressanten Themen nieder. Zum beispiel zu der Frage, ob es irgendwann eine Verbindung zwischen Informationstechnik und Gehirn geben könnte, so etwas wie eine cerebrale Schnittstelle in etwa. Und ich hätte so gern noch das neuronal einbindbare Synthmodul für den Play live aus der Windung erlebt, deshalb blieb ich gerne dort. Da gab es plötzlich all diese Leute, die sich für ähnlichen Kram interessierten, wie dem meinen, und auch noch -- anders als einzelne Wissenschaftler, die ich auf Fachforen oder in den USA kennenlernte -- reichlich Zeit dafür hatten. Weil sie öfter mal als irgendwie behindert eingestuft werden, und somit auch so einige dabei sind, die nie einen Beruf erlernt haben, oder wegen der schwierigen Situation, eine geeignete Stelle zu finden, bisher noch keine Stelle haben. Konnte ich mich also deshalb mit denen verständigen, weil deren Art, sich zu verständigen, mit der meinen ziemliche Ähnlichkeit hat? Auch von ihnen berichteten viele davon, sich die Sprache, das Verhalten, Reflexe, Reaktionen oder für andere "gängige" Umgangsweisen nach und nach aneignen zu müssen, weil das bei ihnen nie intuitiv oder von alleine funktionierte. Und genau diese intuitiven Dinge, die fehlten auch mir immerzu. Viele können dort zwar hervorragend erklären, in welchen Stadien die Mitose bei einem Hefepilz am schnellsten abläuft, oder sie wissen gut über die Vorstellung der multikausalen Dimensionalität Bescheid, aber sie hätten ernstere Schwierigkeiten damit, den Blickkontakt mit einem Gesprächspartner aufrecht zu erhalten, oder denken nie daran, bei einem Witz im passenden Moment mitzulachen, damit der Witze-Erzähler zufrieden ist. Oder sie verstehen einen Witz erst gar nicht, oder einen sprichwörtlichen Zusammenhang nicht, weil sie alles wörtlich nehmen.
Bei den Leuten hatte ich so einige Aha-Erfahrungen bezüglich des Bereichs der sozialen Interaktion, zwischenmenschlichem Kontext und nonverbaler Interpretation bzw. Reaktion. Es ist wie eine Fakultät, innerhalb derer man analysiert, warum Kontakte bei NT's reibungslos möglich sind, und wie sie überhaupt richtig funktionieren, welche Verläufe und Abläufe zu beherrschen notwendig sind, um Kontakt bewerkstelligen zu können, und auf welchen Alass hin wann und wo punktgenau welche Reaktion erforderlich ist, damit man niemand wirklich vor den Kopf stößt.
Denn Asperger Autisten passiert sowas ganz gerne. Kommunikationsfehler oder Fehltritte kommen immer wieder vor, weil die Interdynamische Komplexität all der vielfältig individuellen Einzelprozesse, die während eines simplen Gesprächs mit Jemandem ablaufen und vorkommen können, von Situation zu Situation selbst bei ein und derselben persönlichen Konstellation wahnsinnig unterschiedlich sein können. Man müsste also den gesamten Kommunikationsschatz jedes Menschen in jeder möglichen Konstellation und pro Situation im Kopf behalten können, um soziale Kommunikationsfehler mehr oder weniger gut vermeiden zu können.
NT's ( Neurotypische) lernen das anscheinend vom ersten Lebensmoment an, oder deren Entwicklungslauf bringt dies spätestens ab der Geburt in Gang, sie haben so etwas wie eine Automatik der sozialen Interaktion, mehr Spiegelneuronen-Vernetzung oder Fertigkeiten, die bei Asperger-Behafteten fehlen. So genau weiß man das noch nicht mal.
Ich finde mich dazwischen wieder -- zwischen dem AS-Syndrom und den NT's, das habe ich inzwischen wohl herausgeschürft. Für eine klare Dioagnose nach den Diagnoseschlüsseln reicht es nicht hin. Lediglich eine akzentuierte Persönlichkeit stellt man in dem Fall vage in den Raum. Ich halte an sich eher wenig von der ganzen Absortierung aller natürlich vorkommenden Varianten, in die man Menschen einsortieren kann. Ich glaube so auch nicht an wirkliche Dummheit oder Intelligenz, auch wenn Brad mir jetzt gleich irgendwas über die Rübe hauen wird, denn er trifft eine Zahl, mit der es sich angeben ließe. Ich kann das nur im Kuhstall mal, wenn die beeuterten Damen meiner Lesung geneigt sind, und nicht an den unmöglichsten Stellen dazwischen moohen.
Allgemein bin ich dankbar, die sich mir über die Jahre als freundlich erwiesenen Kontaktpersonen so geduldig und teils als verständnisvoll vorgefunden zu haben.
Auch seit meiner Eingliederung in den Clan gibt es immer wieder noch interaktive Probleme und Schwierigkeiten im Kontakten, besonders der zwischenmännliche Bereich hat da so seine Tücken. Ich wollte grade "Türken" schreiben. Aber es gibt sicher auch türkisch Tückisches, und ich hoffe, das hat jetzt nicht direkt etwas mit dem Wort "tucke" zu tun, von dem ich eher denke, dass es von "tuck in" kommen könnte, weil Tucken doch immer so eingepackt rüber kommen. ;-b
Jedenfalls beschreibt das zum Thema so einiges, was sich geneigte Leute mal durchlesen mögen, oder auch nicht. Schließlich schreibe ich all meine Texte für Leute auf, die noch freiwillig lesen! Vielleicht erklärt es manches zu meiner Seltsamkeit als Mensch, jedenfalls denen, die mich so ein klein wenig auch kennen. In meinem Buch habe ich die Menschen dafür um Entschuldigung gebeten, dass es mich gibt, und dass meine Eigenschaften großteils immer unerwünscht blieben, oder manchen nicht "richtig" genug wurden. Man kann es nicht allen Menschen Recht machen, das ist klar, aber ich habe es doch ziemlich gut hinbekommen, so wenigen Menschen wie irgend möglich im Wege zu sein. Auch das ist eine rational gewonnene Selbstsicht, die mir allzu fieberhafte Psychointeressierte nicht als Schwäche antackern müssen. Mein Rat wäre an sie eher, eine Hermeneutik zu erreichen, die Menschen anhand ihres individualspezifischen Wertes betrachtet, und nicht in Kategorien von Störungen, Devianzen oder anderen wertmindernd interpretierbaren Kategorien. Vielleicht kommen sie so auch dazu, die immense Streubreite der Variationen anzuerkennen, welche sich in der Natur in sich ergänzt.

Und jetzt geh ich ersmal ne Runde in Reason rumklobben und Beats bauen!
Hang loose!



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