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STARBOARDER am 03.02.15 um 21:44

Deutscher Boden ... fremdes Land

Esi st zwar ein privat eher trauriger Anlass, wieder den deutschen Boden zu betreten -- ein piratenmäßiger Freund ist verstorben und da weht die Flagge auf Halbmast -- ungewohnt ist es allemal, von einem auf den anderen Tag einen Temperaturunterschied von fast 30 Grad zu schultern, um ein neblig tristes und halb verschneites Nest zu besuchen.
Flieger kommen heute zum Glück überall in der Welt herum, und Lord Howe's Island läuft nicht weg.
Schwieriger war es, unsere Peilung zu orten, oder besser, wir die vom Basisschiff.

Gut, 2 Tage eher war ich noch baden im Pazifik, habe Walhaie gestreichelt, und jetzt bin ich froh darum, die Nickelson mitgebracht zu haben. Für Lycrashirt und Boardshorts wäre mir das hier doch zu frisch gewesen. Meine Kältegewöhnung habe ich über die vergangenen Jahre eher eingebüßt, ach heute weiß auch ich, was Bibbern heißt. Es ist auch eine Gewöhnung an Lichtverhältnisse, die mir so vorkommen, wie am Südpol, wenn dann die Sonne gerade den Nordpol beleuchtet. Dann ist da fast keiner zuhause.
Sonnenbrillen brauchen wir hier keine. Sonnencreme auch nicht. Mein Sommersprossigerwelcher sieht mich an, als sucht er nach potenziellen Einflug-Schneisen an meiner Nickelson-Jacke, damit er bloß schnell aus der Kälte raus kommt.

Komische Musik, was die hier jetzt hören...

Beerdigung. Auf christianisch. Sowas kennen wir nicht mal mehr. Unsere Leute werden verbrannt oder der See übergeben. Einer hat sich in einer Höhle aufbahren lassen. Na ja, damit die Insekten und der ganze Kram da ran kommen, ist in seiner Kultur so üblich, er war Bougis.
Die Riten sind mir fremd geworden. Immer, wenn die was von ihrem Gott erzählen, kriege ich immer noch einen Hals. Erinnerungen kommen hoch, deutsche Erinnerungen, daran, wie es früher war, unter den Dörflern, denen mit ihrem teilfaschistoiden Konservationisten-Denken. Nach deren Gesinnung ich übrigens gar nicht am Leben sein sollte.
Das mit der Einreise war ja leichter als gedacht.
Brad scherzte darüber, dass die uns für Tee-Rohr-isten halten könnten, weil nun mal er -- Rote Haare, Sommersprossen, seelenlose Volksgenossen -- und der Eintrag mit unserem Adoptivsohn D. Danki ban, in den Papieren -- der ein Moslem ist, und im Yemen Islam studiert -- etwaige Irritationen verursachen können hätte. Das haben wir hinter uns. Nur die Geige von Brad sorgte für etwas Aufsehen, weil irgendwer nachsehen wollte, ob darin Schmuggelware sei. War zum Glück nichts drin.
Brad war schon dezent verärgert und hätte da um ein Haar noch was reingetan.
Den Officer von der Zollstelle, vermutlich.
Aber das ging gerade nochmal gut.

Irritationen gab es dann beim Hotel, warum auch immer. Brad bucht das immer, ich hab von so nem Kram keinen Plan, und die waren verwirrt, weil wir ganz normal als Ehepaar auch ein Zweibettzimmer haben wollten. Wieso, das habe ich zunächst gar nicht kapiert, bis wir darauf kamen, dass Deutschland in Sachen Gleichberechtigung ja doch ziemlich rückwärts gerichtet tickt!
Das fand besonders Brad unakzeptabel.Ich habe mir nichts weiter dabei gedacht, und Brad darum gebeten, das einfach zu übergehen. Wir blieben dann nur die erste Nacht im Hotel und er hat jetzt einen T-4 geliehen. Jetzt pennen wir eben im Bus, so wie sich das für Surfer auch gehört.

Das Nest, zu dem wir fahren, liegt fernab in the middle of nowhere nicht allzuweit von der Grenze zur Tschechei. Bis dahin ist ja noch was Zeit, und die Christianer sind mit ihren Beisetzungszeremonien meiner Erinnerung nach ohnehin nicht so schnell durch. Brad beschwert sich gerade bei irgend einer Stelle über die Behandlung von Homo-Ehepaaren ... er kann in so etwas sehr penibel sein und telefoniert sich bis zu den allerhöchsten Zuständigen durch, die seine Rüge wahrscheinlich so oder so nicht beachten werden. Ich nehme mal an, er wird sie auf Mandarin verwünschen. Das ist die Sprache, die er letzte 7 Monate gelernt hat, bevor Nuahatl und ... ich hab vergessen wie diese andere komische Sprache noch hieß ... dran waren.

Deutschland hat sich irgendwie verändert, aber ich kann noch nicht genau einschätzen, ob ich mich nur selbst im Verhältnis zu Deutschland verändert habe, oder ob sich die Leute anders verhalten, oder was es ist. Viele sprechen über IS und Islamismus, über Ängste und über Pegida-Aufführungen. Ich bekomme ein ganz unangenehmes Gefühl hier. Etage Magengrube. Zuhause fühle ich mich hier schon lange nicht mehr, das ging aber schon Anfang der 90er los.
Deutscher Boden ist mir fremdes Land geworden. Nach 2 Tagen des Zuhörens all der Gesprächsfetzen, die man im Flieger, in Bus und auf den Straßen gehört hat, steht für mich fest :
Beerdigung, danach ein paar Tage mit dem Chapter Nord vom Piraten-Clan, und dann nix wie zurück nach Hause!

Mein geliebtes Geschaukel. Meine sonnig Ecke auf dem Katamaran vorne links. Meine wohlig umlüftelte Wärme im Schatten des Segels. Meine MoM-Musik aus zwar billigen Kopfhörern, aber immerhin frei, wie ein Seevogel es nur sein kann.
Kein Gebibbere.
Keine Homophoben in Hotels und keine Anti-Islamisten-Front.
Kein IS, keine abgetrennten Köpfe in den Medien.
Kein neu klammheimlich aufpoliertes Deutschtum in braune Gesinnungsschnipsel eini gehüllt, das aus den Zeitungen spitzelt.
Keine zankenden Grüppchen in den belebten Einkaufsgassen.
Keine komische Musik...

Inshallah
Adios muchachos, tierra glacia germanica!
Welle! Wind. Meer. Swell. Tubes. 48 Knoten in Böen! QUAD -Schanzen am Dropoff... Ich will wieder nach Hause ...

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