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Robot Recordings

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Robot Recordings am 25.06.09 um 02:19

Musik nur für sich machen ?

"Wenn im Wald ein Baum umfällt, und kein Lebewesen ist in der Nähe, das das Umfallen hört - gibt es dann überhaupt ein Geräusch?" (Koan des Zen-Buddhismus)

Ich heule. Das war zuviel. Seit Wochen hatte ich mich auf den Auftritt vorbereitet, zwei Song-Playbacks fertig gemacht, um neue Stücke spielen zu können, da versagt die Technik, und es gibt keine Chance weiter zu spielen. Nach dem dritten breche ich ab.
Meine letzte Band Sirkorski hatte sich im April aufgelöst, wegen persönlicher und vor allem musikalischer Inkongruenz. Seitdem weiß ich nicht so recht weiter: soll ich mich auf Survival Kid konzentrieren, die alle zwei Monate für ein paar Stunden zusammenkommen können und ansonsten ein Tagtraum oder ein "im Prinzip"-Projekt bleiben? Soll ich wieder von vorne anfangen, mit Annoncen, kennenlernen, probehalber jammen etc.? (Erste Versuche zeigen: Arschlecken.) Soll ich in irgendeine Band einsteigen, nur um wieder eine zu haben? Oder einfach weiter aufnehmen, um dann auf MoM ein bisschen for compliments zu fishen?
Wie man's auch dreht und wendet, meistens scheitert es an einem Faktor: Zeit. Arbeit nervt.

Doch warum ist mir das Ganze immer noch so wichtig? Ich beteuere immer und immer wieder, dass ich eingesehen habe, dass der Rockstartraum ausgeträumt ist, dass ich inzwischen weiß, dass man davon in aller Regel nicht leben kann, dass ich zu alt bin, um noch ernsthaft an Plattenverträge zu denken. Und weiß: es ist gelogen. In mir drin ist dieser Traum noch immer am Leben, und seine Vernachlässigung führt zu diesem schmerzhaften Bohren, das in Momenten wie diesem erwacht.

"Ist doch egal. Die Hauptsache ist doch, du hast noch Spaß am Musikmachen." Hab ich das? Okay: Es ist ein wunderschönes Erlebnis, wenn ein Track fertig ist und ich ihn in diesem überschwänglichen Moment grandios finde, weil er endlich so ist, wie ich mir das vorgestellt habe. Reicht das als Motivation? Immer wieder muss ich mir das mit nein beantworten.

"Um Erfolg geht es doch nicht. Mach doch Musik einfach für dich selber." "Hm, du hast ja Recht" sage ich dann. Und weiß: Nein, verdammte Scheiße! Das stimmt nicht!"
Warum also mache ich Musik? Für mich oder für die anderen?

Versuch einer Positionsbestimmung. Vielleicht gibt es Autoren, die zufrieden sind, wenn sie sich etwas von der Seele schreiben können, egal ob das jemand liest. Früher hieß das Tagebuch, keine Ahnung ob das im Internetzeitalter noch jemand nichtöffentlich und nichtdigital macht. Würde man diese Personen als Schriftsteller bezeichnen? Wohl eher nicht. Schriftsteller, die schreiben Romane. Schriftsteller wollen, dass ihre Werke verlegt werden, dass sie gelesen werden und Käufer finden. Dass man sich mit ihren Gedankengängen auseinandersetzt, dass man mit dem Plot mitfiebert, dass man sich in die Protagonisten hineinversetzt, dass These nachvollzogen werden. Etcetera.
Ist ein Schauspieler zufrieden, wenn er vor leeren Reihen rezitiert? Ein Filmemacher, wenn niemand ins Kino geht, ein Architekt, wenn sein Entwurf nie realisiert wird?
Kurzum: kann der Schaffensprozess an sich so befriedigend sein, dass er alleine als Motivation reicht?

Glücklich sind die, die das bejahen können.

Ich kann es nicht. Ich bin von meinen Liedern überzeugt, und ich will sie zu Gehör bringen. Ich stecke da zum Teil über drei Monate hinweg Arbeit rein, wälze Arrangements und Melodien mitunter über Jahre hinweg in meinem Kopf herum, ich feile trotz beschränkten Wissens am Sounddetails, bis sie meiner Vorstellung nahe kommen, ich zeige hier einen Perfektionismus, wie man ihn von mir in keinem andern Bereich kennt. Ich fühle mich manchmal dabei wie Gott in der Schöpfungsgeschichte: und er sah, dass es gut war.

Hat das alles einen Sinn, wenn ich genausogut die ganze Zeit darauf verwenden hätte können, TV zu glotzen - weil es im Endeffekt ja eh niemanden interessiert? Das kann es nicht sein. Ich bin stolz auf das, was ich mache, und ich will, dass es jemand hört, ich will diese Lieder live spielen, ich will sie auf der Bühne leben. Ich mache Musik. Ich teile mich durch diese Lieder mit. Ich bin kein Tagebuchschreiber, ich bin ein gottverdammter Schriftsteller. Ich will, dass irgendwelche Menschen meine Melodien summen können, ich will, dass sie über meine Texte nachdenken, ich will, dass das, was ich tue, jemandem etwas bedeutet. Mir ist egal, ob mich die Leute dafür lieben. Mir ist es nicht egal, ob die Leute meine Musik lieben.

Was dabei praktisch keine Rolle spielt: Der monetäre Erfolg. Wer im Business ist, um sich mit Bling Bling behängen und Darmspülungen mit französischem Champagner leisten zu können, der verdient es nicht, auch nur eine einzige CD zu verkaufen. Nein, reich werden wollte ich nie. Gehört werden schon.

Rockstarträume sind schon echt hartnäckige Wichser. Meine Freundin kann nur immer wieder den Kopf schütteln, wenn ich sage, dass es mir im Prinzip egal ist, ob wir im Urlaub nach Schottland, Australien oder die Mecklenburgische Seenplatte fahren. Wenn sie mich nach meinem Traumurlaub fragt, horche ich in mich hinein, und es kommt immer wieder dasselbe raus: Drei Wochen Tour durch Europa mit einer Band. Endlose Busfahrten, schlechtes Essen, mangelhafte Hygiene, Warten im Backstage, kaum was von der Stadt sehen. Hell Yeah. Ich komme. Wenn Ihr nur auch kommt.


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