Musik für das Volk.

Die Musik des Provinztheaters kann man gut und gerne, schlicht und einfach, ohne schlechtes Gewissen und ohne jemandem dabei auf die Füße zu treten, Volksmusik nennen. Das Provinztheater spielt dabei vielleicht nicht einmal Volksmusik, aber sehr wohl Musik für das Volk. Musik, die das Volk hören soll, komme was wolle. Dafür wird vom Theater sogar in Kauf genommen, als erste HaWazuZi–Kapelle* des ganzen Globus, durch die Städte und Fußgängerzonen Deutschlands zu reisen. Alles für den Traum vom prall gefüllten Stadion, der endlich zur gerechten Wahrheit werden soll.

Anno 2009 strebte das Theater zum ersten Mal in die Zone des Fußes und begeisterte prompt einige freudig überraschte Passanten, die das Glück hatten, sich gerade auf einem Platz im niederrheinischen Krefeld zu befinden. Oh, schönes Krefeld, du unterschätzte Weltmetropole. Tanzbeine aller Altersstufen wurden geschwungen und die Körper wundervoll geschunkelt. Es wurden sogar die ersten Liedtexte zusammen einstudiert und gesungen. Was für ein Auftakt. Was können wir von Rumpelpolka und Kartoffelrock, zwei Musikrichtungen, die sich nahezu jeder Klassifizierung entziehen und eigens vom Theater erfunden werden mussten, weiter erwarten?

Rumpel und Schunkel

Die sieben sympathischen Musiker rumpeln sich liebevoll und stilsicher mit Tuba, Akkordeon, Kontrabass, Stromgitarre, Kuhglocken und dem Biest am Schlagwerk quer durch die musikalische Botanik – direkt in die Herzen und Füße ihres Publikums.
Pawel Kowalczik regiert das Theater mit herber Stimme und treibt die Zuhörer zu Höchstleistungen an.
Die Energie und Spielfreude der Mannen überträgt sich sofort in Kopf, Arm und Bein des Zuschauers. Es ist aber nicht alles nur laut und Rumpel, sondern auch leise und Schunkel. Spätestens bei Stadionhymnen wie „Luftpost“ oder „Wie schön“ wickelt das Provinztheater jeden um den Finger. Wie schön sowas klingen kann, erfährt man durch Gänsehaut und einmalige Mitsing-Stimmung.

Herzschriftmacher

Die Texte von Kowalczik fügen sich verträumt in die Welt des Theaters ein, zeugen und überzeugen mit Tiefe und Weitsicht. Pawel singt und säuselt – selten schreit er laut – über Liebe, Vergänglichkeit oder auch den Strafzettel, der von den weltbekannten und geliebten Krefelder Politessen generell zu gern ausgestellt wird. Die Texte kommen aus dem Leben, dem Herzen und dem ganzen Rest – mit starker poetischer Kraft und großem Bummsfallara.

Ein riesen Theater

Neben der Musik ist das Wort “Theater” natürlich keine bloße Zierde.
Inszenierung ist immer ein Bestandteil des Provinztheaters gewesen und wird es auch weiter sein. Die Mitglieder haben z.B. jeweils ein Alter-Ego im Leben außerhalb der Band, das als Designer, Instrumentenbauer oder reumütiger Angestellter sein Dasein fristet. Das Spiel mit Identitäten, Rollen und Erwartungen wird auf die Spitze getrieben. Irgendwo zwischen dem Humor von Monty Python, einem Schnappschuss Dadaismus, kleinem Kindertheater und einer Prise Heino. Wie soll man diese Mannigfaltigkeit besser beschreiben, als mit dem neuen Attribut:
Hurra!

* Handwagen-zum-Ziehen-Kapelle; denn alle Verstärker und größeren Instrumente sind, handwerklich geschickt, in Handwagen zum Ziehen verbaut und absolut mobil. Omi lässt grüßen.

AKTIONISMUS

Fragwürdig, aber immer noch würdig
Durch einige Aktionen hat sich das Provinztheater bisher massiv Aufmerksamkeit erschlichen. So zogen Sie Anno 2010 für Deutschland gen Oslo und spielten beim Eurovision Song Contest unter den Holzaugen der ARD* und einiger norwegischer Fans. Eine große Geschichte, die man auf dem Youtube-Kanal der Band nacherleben kann. Auch standen Sie schon auf der großen Bühne des Schauspiel in Dortmund, bespielten das Folklorefest in Krefeld oder unterstützten Bands wie „Dear Wolf“ bei ihren riesigen Konzerten.

Tonträger

Der 2012 erschienende Debüt-Tonträger, welcher von der Band sinnigerweise „Tonträger” genannt wurde, ist eine weite Reise durch musikalische Gefilde, die den Hörer durch seelische und menschliche Abgründe sowie emotionale und geistreiche Höhen führt. Der Genre übergreifende Kladderadatsch aus Stilen aller Welt macht den Tonträger überraschend vielschichtig, zieht emotional alle Register und hinterlässt den bittersüßen Geschmack der Melancholie in der von der Medienlandschaft geschundenen Seele. Der handgemachte Luftballon-Aufzug fliegt direkt ins Herz der Welt, in das Herz der Provinz.
Auch wenn hier „Rumpelpolka & Karoffelrock” als musikalische Ausrichtung dient, schafft das Provinztheater das, was sonst nur „uns Herbert“ mit seinen Bombast-Produktionen schafft: Nämlich Deutschland einig sein lassen über die generelle Größe der Musik. Das Theater bleibt dennoch auf dem Boden der Tatsachen und trägt den Ton höchstselbst, nahm alle Spuren in der heimischen Zentrale oder nahegelegenen und befreundeten Tonstudios auf. Dass eine solch opulente Inszenierung aber nicht zwingend den Charme zerstören muss, beweist das Provinztheater mit rumpeligen und trotzdem dedizierten Tonaufnahmen, die der Straßenmusik Tribut zollen. So bleibt die Kapelle immer hörbar authentisch und glaubhaft.

Neben den leisen Tönen der Mitsing- und Herzschmerz-Ballade „Luftpost” rumpelt die Polka auch mal mit Speed-Pogo-Hymnen a là „Freihandelszone” durch die Lautsprecher. Da darf dann auch der spürbare Punkrock-Einfluss nicht fehlen, der sich aber weder anbiedert, noch unhörbar für nicht ganz so rebellische Ohren ist. Eine Platte, die den Grammy jetzt schon sicher hat. Den für Genre-übergreifendes Musizieren.
Dass das Provinztheater mehr als eine Volks-Band ist, nämlich auch großes Klang-Theater, beweisen die in den Tonträger eingeflochtenen Hörspiele mit stark dadaistischen Zügen. Diese brechen immer wieder aus den musikalischen Ausschweifungen des Langspielers aus, erzählen die Geschichte weiter und fügen sich so nahtlos in die Geschichte ein. Sie werden ein Rundum-Hörerlebnis in Händen halten.