"Die Notwendigkeit, durch die Organe direkt und nachhaltig auf die Sensibilität einzuwirken, regt vom klanglichen Gesichtspunkt aus zur Suche nach völlig ungewohnten Klangeigenschaften und Klangschwingungen an, nach Eigenschaften, die den jetzigen Musikinstrumenten abgehen und die zum Rückgriff auf alte, vergessene oder zur Erschaffung neuer Instrumente zwingen. Sie zwingen auch dazu, außerhalb der Musik nach Instrumenten und Geräten zu suchen, die neuen Umfang der Oktave erzielen, sowie unerträgliche Klänge oder Geräusche hervorbringen könnten, die einen verrückt machen.” (Antonin Artaud)

Kunstprojekt „Fourniersches Gangrän“

l´art pour l´art und der Dekonstruktionsgedanke

Künstlerische Strukturen sollen aufgebrochen, indem Grundschemata aufgegriffen und verfremdet werden. Jedes Kunstwerk setzt durch seinen Titel und durch seine Eingebundenheit in einen Diskurs eine bestimmte Erwartungshaltung fest. Diese umfasst sowohl Inhaltsaspekte, Aspekte der Form und Gestaltung so wie Grenzen, Wirkungen und Möglichkeiten von Kunst. Je nach Perspektive des Betrachters und dessen Grundhaltung zur Kunst gilt das Werk somit als gelungen, kohärent, angemessen, schön oder überhaupt im Rahmen der Kunst als ansässig. Mit diesen Vorstellungen gilt es zu spielen, denn alle Kunst ist ein Spiel, genau wie das Leben. Die Spielvarianten die gespielt werden sollen, heißen Aufbau, Enttäuschung, Zerfall, Dekonstruktion, Collage, Montage und Neuschöpfung. Sowohl die Zerstörung ist ein künstlerischer Akt, als auch das Wiederherstellen neuer Strukturen aus dem Zerstörten. Diese Variante des Spiels dient dem Aufbrechen gewohnter Denk-, Beurteilungs- und Empfindungsschemata. Selbst in postmodernen Diskursen herrscht trotz aller erdachten Mannigfaltigkeit, Polymorphie und trotz aller Durchdacht- und Durchlebtheit von Formen und Inhalten, trotz der Gewissheit ihrer Arbitrarität eine gewisse Logik und eine Sinnstruktur vor, die es auszuloten gilt, um sie denk- und veränderbar zu machen. Was liegt hinter dem Vorhang des Vorhangs des Vorgangs des Vorhangs….? Wie weit lassen sich logische Strukturen dehnen, bis zu welchem Grad von Leere lässt sich Sinn vakuieren? Wie weit lässt sich selbst die Dekonstruktion dekonstuieren?
So wird alles zu einem Gedanken- und Formspiel, das sich auf verschiedene Arten und Weisen realisieren lässt, da es künstlerisch gesehen vielschichtige Möglichkeiten der Ausdrucksform gibt. F.G. wird sich auf Klang- und Musikstrukturen sowie Denk- und Empfindungsmechanismen konzentrieren.

Inhaltliche Aspekte:
Was kann auf inhaltlicher Ebene aufgegriffen werden, um diesem Anspruch gerecht zu werden? Es ergibt sich aus der Natur der Grundintention, dass tabuisierte Themen zu zentralen Motiven werden müssen, um diese aus dem Nebel der diskursiven Randbereiche zu reißen und so Dinge anzusprechen, die niemand hören will, die als banal und realitätsfern gelten oder den gängigen Normen zuwider laufen. Darüber hinaus ist die Dekontextualisierung von großer Bedeutung, um Themenzusammenhänge zu zerschlagen, Ungewohntes miteinander zu verbinden und somit die inhärente Logik der Dinge zu unterwandern bzw. sie vielleicht erst einmal deutlich zu machen.



Industrial und Electro-Industrial

Was ich hier ab und an unter Industrial und Noise finde, sowohl im Electro-Industrial als auch im Indie Industrial lässt mich manchmal wirkliche verzweifeln. Wenn man eine verzerrte Gitarre mit querem Techno-Beat und Geschrei oder wahlweise Vocal-Samples aus Filmen mischt, ist das kein Industrial.

Durch eine bereichernde Diskussion wurde mir bewusst, dass es neben der Industrial-Vorstellung der „alten Schule“ auch noch einen weiteren Bereich gibt: „Electro-Industrial“. Dies ist die Industrial-Machart, die bei hier bei MOM auf häufigsten anzutreffen ist, jedoch finde ich dass klar herausgestellt werden sollte, dass es sich um Electro-Industrial handelt. Warum ich auf diese wortbildungstechnisch so gering anmutende Unterscheidung so viel Wert lege ist schnell erklärt und vielleicht am besten verdeutlicht durch folgendes Zitat:

„Als Monte Cazazza und Throbbing Gristle den Begriff Industrial Music prägten, war damit etwas gänzlich anderes gemeint als das, was die Musikindustrie heute in ihn hineininterpretiert. Ich mag Nine Inch Nails und Ministry, aber ich sehe nicht die kleinste Verbindung zu Throbbing Gristle, SPK oder den frühen Cabaret Voltaire. Die Industrie prägt einen Begriff von einer Art Musik, die nie unter ihrer Kontrolle war. Punk verlor an Ausdruckskraft, sobald sich die Industrie einmischte. Dem Industrial ist das nie passiert. Er entzog sich stets dem Mainstream. Und jene Bands, die vorgeben, dazuzugehören oder unfreiwillig in diesen Topf geworfen werden, haben nicht im Geringsten etwas damit zu tun.“ aus ZILLO

Somit ergibt sich: Die amerikanische Post-Industrial Tradition, die Künstler wie Skinny Puppy, Ministry oder später Nine Inch Nails umfasst haben NIE den Industrial-Charakter besessen wie die frühen Stücke von Throbbing Gristle, NON oder Nurse with Wounds, sie sind konzeptionell anders, vielfach tanzbar und auch „rockiger“, so dass man sie guten Gewissens als Industrial Rock oder Industrial Metal einordnen kann.
„Electro-Industrial ist ein Genre, das mit seiner starken Verbindung zum Post-Industrial insbesondere monotone, zumeist verzerrte, sehr maschinell wirkenden Rhythmusstrukturen mit harten Gesangslinien verbindet. Die Vocals werden dabei stark verfremdet, meist geschrien oder gesprochen. Generell ist Electro-Industrial klanglich durch Tanzbarkeit und puren Minimalismus gekennzeichnet, Texte werden oft sparsam eingesetzt oder dienen – durch ein mehrfaches Wiederholen einzelner Phrasen – lediglich der Untermalung.“ (WIKIPEDIA)
Es bleibt zu erwähnen, dass Electro-Industrial zudem sehr stark durch Synthie-Pop und EBM beeinflusst wird und zwischen diesen Bereichen eine interessante Verbindung darstellt. Diese zur Zeit sehr produktive Richtung hat jedoch keinerlei Bezüge mehr zur ursprünglichen „Industrial Culture“.

An alle aus dem Bereich Industrial: Lest bitte meinen zu diesem Thema erstellten BLOG


Über Fourniersches Gangraen

Fourniersches Gangraen ist ein Ein-Mann-Projekt, das sich musikalisch zwischen den Bereichen Noise, Dark-Ambient und Industrial bewegt. Beeinflusst wurde es durch Bands wie Haus Arafna, NON respektive Boyd Rice und Throbbing Gristle aber auch ruhigere Töne wie Apoptose. Ebenso ist eine geistige Verbundenheit zu zahlreichen Projekten des Neofolks charakteristisch für das Projekt. Besonders sollen an dieser Stelle Deutsch Süd-Ost und BUNNY Suicide erwähnt werden.
Fourniersches Gangraen gründet sich im Frühjahr 2007, hat jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits eine längere Phase der konzeptuellen Orientierung und Reifung hinter sich. Die Idee des Projektes ist es, nicht Musikprojekt allein zu sein bzw. zu bleiben, sondern sich darüber hinaus im Bereich Literatur und Film zu betätigen. Videoinstallationen sind als Bereicherung der noise-lastigen Soundscapes ebenso geplant wie das Herausbringen von Gedichtbänden mit unvertonten Texten.
Fourniersches Gangraen ist kein oberflächliches Kunstprojekt, sofern Kunst überhaupt jemals oberflächlich sein kann, sondern intensiver Ausdruck und Inszenierung des Lebensgefühls des Gründers in Klang, Wort und Bild.