emhead

Geräusche in der Küche. Ein Gespräch mit emhead.

Am 29. Juli 2023 erscheint "MUSIK", das dritte Album der One-Man-Band emhead.
Dahinter verbirgt sich der Kieler Wahl-Freiburger Micha Kopp, der neben seinen Eigenproduktionen auch mal als Remixer für befreundete Musiker, aber auch illegal für Bands, die davon nichts mitbekommen, unterwegs ist.
Exklusiv für "Musikzeitung" nahm sich emhead ein wenig Zeit und sprach über sein neues Album.

Musikzeitung:
Hallo, Emhead...oder Micha? Wie werden Sie normalerweise genannt?

emhead:
Och, das ist eigentlich egal. Kannst ruhig "Micha" sagen.
Mit Siezen hab ich's nicht so.
Und wenn du "emhead" sagst, dann bitte mit kleinem "e".

Mz:
Aber man hört das kleine "e" beim Sprechen doch gar nicht.

emhead:
Ja, das glauben viele. Wenn man ganz genau und konzentriert hinhört,
fallen einem die akustischen Nuancen auf.
Es ist insbesondere die Atemtechnik, die....

Mz:
...entschuldigen Sie, können wir auf das neue Album zu sprechen kommen?

emhead:
Darauf wollte ich ja hinaus.
Es sind die unauffälligen, leisen Klänge, auf die es ankommt.
Diese tauchen zu Hauf auf "MUSIK" auf.
Und wir wollten uns duzen.
Sie machen das noch nicht lang, oder?

Mz:
Was mach ich noch nicht lang?
Und Sie haben mich eben auch gesiezt.

emhead:
Ja. Stimmt.
Naja, du bist noch nicht lang Interview-Mann, meinte ich.
Was ich sagen wollte: Man muss bei elektronischer Musik,
die ja letztendlich aus wohlsortiert-arrangierten und miteinander
kommunizierenden Klängen besteht, sehr auf akustische Feinheiten achten.
Besonders beim "e".
Fragen Sie mal einen Gitarristen.

Mz:
Sie meinen E-Moll?

emhead:
Wir siezen uns schon wieder.

Mz:
Dann bleiben wir beim Sie, wenn dir das recht ist.

emhead:
Gern.

Mz:
Sie deuten mit dem kleinen "e" also darauf hin, dass Sie in Ihrer Musik gern die Tonart Moll verwenden?

emhead:
Nein. Es sieht geschrieben einfach besser aus.

Mz:
Ach.
Eben sprachen Sie von akustischen Nuancen oder so.
Jetzt geht es ums Sehen?

emhead:
Natürlich. ALLE Sinne spielen beim Musik hören eine Rolle.

Mz:
Auch die Nase?

emhead:
Ja.
Wenn diese große Trommel, die beim Schlagzeug immer hochkant steht,
zu tief-frequent ist und die Boxen zu billig, dann riecht man das eventuell.

Mz:
Apropos.
Deine.... Ihre Musik ist sehr beat- und basslastig geworden.
Das war auf dem Album "This is Electrique" noch ganz anders.
Haben Sie sich mit dem neuen Album "MUSIK" entgültig von den 80er Jahren verabschiedet?

emhead:
Was soll das denn heißen!?

Mz:
Naja. Sie verwiesen im Zusammenhang mit Ihren alten, pop-lastigen Songs immer wieder auf Bands der 80er Jahre.
Depesche Mord, Gerry Human oder Numan League und wie die alle hießen.

emhead:
Kann sein. Die Elektrosachen auf "MUSIK" besitzen aber teilweise noch immer Pop-Elemente.
Du musst natürlich genau hinhören. Hin-hö-ren.

Mz:
"Sie", bitte.

emhead:
Sorry.

Mz:
Kommen wir zur Produktion. Sie arbeiten in ihrem Home-Studio in Freiburg.
Wie kommen Sie als Nordlicht (Anm. d. Red.: emhead ist gebürtiger Kieler) mit den Bedingungen hierzulande zurecht?

emhead:
Die Küchen in Mietwohnungen des Schwarzwaldes ähneln denen im Norden sehr.
Tisch, Stuhl, Herd, Spüle, Kaffeemaschine...

Mz:
Ich meinte die Leute, die Sprache, Dialekt u.s.w.

emhead:
Beim Musizieren vermeide ich zu sprechen.
Und Menschen nerven generell. Das fällt mir insbesondere bei Interviews auf.

Mz:
Das heißt, Sie arbeiten komplett allein?

emhead:
Ja. Es sei denn, meine Freundin kommt in die Küche, weil sie beispielsweise etwas zu trinken holen will.
Ich halte ihr gern mal das Handy oder dieses Kugelding hin. Für den Song "Yipp" steuerte sie den Text bei,
als sie spontan "Jippi-ja-hee" rief und beim Lied "Streik" "Pferdekacke" in dieses Ding sprach.
Lyrisch muss man zupacken, wenn eine Idee quasi um die Ecke kommt.
Sie bringt oft unbewusst politische Hochbrisanz in die Lieder.

Mz:
Ich erinnere mich. Der Song vom gleichnamigen letzten Album "YIPP".
Was bedeutet der Titel?

emhead:
Können wir bitte über das neue Album sprechen?

Mz:
Gut.
Neben den sehr "technoid" klingenden Songs "Baustelle" und dem Opener "Dirty Harry" gesellen sich viele experimentelle,
teils schwer zu begreifende Titel.
Was bedeutet z.B. "Refluxionszerstäubung"?

emhead:
Redundanz.
Redundanzzerstäubung.
Auf die Bedeutung wird im Lied selbst ausdrücklich eingegangen.
Ich möchte da wegen der gespannten Hörer nicht zuviel vorweg nehmen.

Mz:
Was mir auffiel:
bei "Abschaltvorgang läuft" und "Baustelle" oder "Streik" verwenden Sie viele Geräusche aus dem Alltag.

emhead:
Ja. Das fiel mir auch auf.

Mz:
Laufen Sie den ganzen Tag mit dem Smartphone herum und drücken die Record-Taste?

emhead:
Wenn das Geräusch interessant ist, ja.
Ich arbeite in einer Klinik. Da surrt und piepst es an jeder Ecke.
Man muss natürlich aufpassen. Ich baute mal ein Beatmungsgerät ab, das grad einen Patienten versorgte.
Ich wollte ja nur die Sprach-Samples aus dem Gerät holen, um diese in einem Lied zu verwenden (Anm. d. Red.: "Abschaltvorgang läuft").
Der Patient hatte zum Glück Verständnis und Durchhaltevermögen.

Mz:
Herr ähm emhead, ich konnte nirgends Pläne einer Emhead-Tour entdecken. Überhaupt gibt es selten Konzerte von Ihnen.
Woran liegt das?

emhead:
Mir sind die vielen Leute, also die Zuschauer, zu laut. Sie rufen oft unpassende Dinge, die nicht zum Lied passen.
Oder sie klatschen ohne Timing auf der Eins herum. Vor allem in den deutschsprachigen Ländern.
Und nochmal: Bitte an das kleine "e" denken.

Mz:
Das KÖNNEN Sie nicht gehört haben!

emhead:
Die Atemtechnik hat individuelle Nuancen, die selbst bei nicht vorhandener Gravitation...

Mz:
Ja ja! Ich weiß.
Kommen wir zurück zur Musik. Ihnen wird oft vorgeworfen, dass Ihre Songs zu lang sind.
Was ist hierbei ihre Intention?

emhead:
"Intention", hui! Googeln Sie hier heimlich?

Mz:
Nein.

emhead:
Also...wie soll ich das für Sie verständlich erklären?
Die Füllhöhe und Mengen von Produkten der Nahrungs- und chemischen Industrie werden seit Jahren subtil verringert.
Und das bei gleichbleibenden Preisen.
Das mach ich nicht mit.
Dieser 3-Minuten-Wahn! Immer dieser Stress.
Gut, es gibt Lieder, z.B. in der Schlager-Branche, da ist man froh, wenn es schnell vorüber geht.
Aber ein Lied braucht Zeit sich zu entwickeln.
Und wenn man es nach 5 Minuten wirklich nicht mehr aushält, macht man es halt aus und hört z.B. diese Hannelore Fischer.

Mz:
Wird es eine Single-Auskopplung zu "MUSIK" geben?

emhead:
Nein. Soweit kommt's noch! Alle Lieder bleiben so wie sie sind auf dem Album.

Mz:
Äh, ok. Welche Geräte verwenden Sie für Ihre Musik?

emhead:
Ich werde hier keine Werbung für irgendwelche Firmen machen.
Ich benutze einen flachen Computer, wo der Bildschirm die Tastatur berührt, wenn man fertig ist.
Ein Netzkabel. Eine klavier-artige Tastatur mit Reglern zum Schieben und Drehen, sowie Knöpfe.
Und Gegenstände, die gut klingen.
Gesang nehme ich oft mit dem Handy auf, weil ich zu faul bin, diese externe Klangkarte mit der Sprachkugel zu verbinden.
Meine Freundin stolpert immer über die Kabel, wenn sie z.B. was kocht.

Mz:
Gibt es Zukunftspläne?

emhead:
Vielleicht heiraten wir irgendwann mal.

Mz:
Nein nein...ich...

emhead:
Ach so. Naja, ich wollte immer mal nach Neuseeland. Und neulich sah ich ein Elektrofahrrad, das...

Mz:
Ich meinte musikalisch!

emhead:
Meine Herren, sind Sie aggressiv.
Album Nr. 4 ist bereits so gut wie fertig und wird "PRODUKT" heißen.
Irgendwann im August 2023 wird es herauskommen.
Da sind dann auch wieder viele Lieder mit richtigem Gesang drauf.
Vielleicht geh ich damit dann auf Tour.

Mz:
Tour? Aber Sie sagten doch vorhin....

emhead:
Ja. Aber es wird ziemlich sicher eine Neuseeland-Tour. Sponsor wird eine E-Bike-Firma.
Sie sehen, meine Zukunftspläne von vorhin waren musikalischer Art.
Sie müssen etwas geduldiger sein.

Mz:
Können Sie vom Musik machen leben?

emhead:
Ohne geht's jedenfalls nicht.

Mz:
Möchten Sie zum Abschluss noch etwas sagen?

emhead:
Gern. Ich hab seit gestern Disney+. Mein Sohn freut sich darüber.
Und die grünen Tüten für den Bioabfall lösen sich zu schnell auf oder reißen. Das nervt.
Überhaupt...warum sind die grün? Und der Eimer, wo die später rein müssen, braun.
Jedenfalls im Schwarzwald. Grün, braun, schwarz. Ein einziges Durcheinander hier.
Ach ja, und ich verwende zusätzlich eine Maus. Also beim Musik machen.
Hatte ich vergessen.
Besuchen Sie doch mal www.emhead.de . Ist angenehm ruhig dort.
Sie können "MUSIK" übrigens jetzt schon bei myownmusic hören. Kennen Sie das?

Mz:
Wer nicht? Ich bitte Sie.
Das ist doch diese Musik-Community mit dem informativen Forum. Oder?

emhead:
Ähm...ja.

Mz:
Ich danke für das Gespräch.