Im Anfang waren nicht weißer Sand noch salzige Wellen, nicht saftiges Gras noch grüner Baum, nicht duftende Blume noch Hütte - im Anfang war Asgard, der Sitz der Götter im Nebelmeer der endlosen Zeit. Die Gitter der Paläste von goldenen Speeren, die Wände und Fußböden goldgetäfelt und geschmückt mit edlen Steinen, an den Decken die strahlenden Schilde seiner Helden statt der Sonne und dem Mond, breitet Asgard seinen Glanz über die Welt, lockend, und jenen, die den Weg finden, ewiges Glück verheißend.
Es wurde Zeit der sehnsüchtigen, unerfüllten Wünsche, der verzweifelten Gebete, der kühnen Phantasien und verbitterten Fluchten.
Man sagte Asgard und meinte unendliche Freiheit in gleichzeitiger Geborgenheit, meinte Liebe ohne Hass, meinte immerwährenden Überfluss, meinte gut und strich das Wort
böse aus dem Gedächtnis.
Immer wieder machten sich Menschen auf, den Weg zu finden, schritten dem fernen, diffusen Glanz entgegen, dem Licht, das keinen Schatten zu kennen schien.
Schön und unendlich fern strahlte Asgard. Nie kam einer nahe genug heran, um zu erkennen, dass die Spitzen der goldenen Speere verbogen, die getäfelten Fußböden fleckig und die edlen Steine aus der Fassung gebrochen waren, dass die Schilde von Asgards Helden nur strahlten, weil sie ihr Licht von der Sonne erhielten. Die Menschen aber schleppten ihn durch die Jahrhunderte, gaben ihn weiter von Generation zu Generation bis in die Ewigkeit - den Traum von Asgard.
Asgard, das ferne, nie erreichte war für sie das Ziel - die Freiheit in Geborgenheit, Liebe ohne Hass.
Im Anfang waren nicht weißer Sand noch salzige Wellen, nicht saftiges Gras noch grüner Baum, nicht duftende Blume noch Hütte - im Anfang war Asgard, der Sitz der Götter im Nebelmeer der endlosen Zeit...
Wolfgang Landgraf (1983)