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Unreal Reality am 16.10.22 um 14:22Lizenzierungsverfahren mit und ohne Dienstprogramme
Liebe Leserinnen und Leser,Eigentlich wollte ich diesen Artikel etwas später schreiben, denn mich drängt etwas die Zeit. Da ich gerne am Wettbewerb "Ambience 2022" teilnehmen möchte, liegt meine Priorität bei meinem Stück, welches ich einreichen möchte. Aber aufgrund von positivem Feedback ziehe ich nun besagten Beitrag etwas vor.
Ich habe mir auch überlegt, zunächst hier nur auf die Dienstprogramme einzugehen. Hier liegt mir ein ganz dicker Stein im Magen und mein Ansinnen ist es, andere User möglichst schnell darüber zu informieren. Hier kann nämlich extrem viel Geld den Bach runter gehen. Das versprochene Thema "Plugin-Discounter" werde ich noch etwas nach hinten schieben. Ich bitte hier um Nachsicht. Zum Thema:
Lizenzierungsverfahren mit Dienstprogrammen
Lizenzierungsverfahren sind ein absolutes MUSS für die Hersteller von Plugins. Gibt es doch eine (mutmaßlich) große Gemeinde, die versuchen mit Cracks eben dieses Verfahren zu umgehen. Das wissen auch die Hersteller und so ist es dann wie im echten Leben. Ein Katz u. Maus Spiel beginnt. Wie komme ich darauf? Nun, als ich mich im Netz etwas schlau gemacht habe bezüglich eines Problems, dazu gleich mehr, kam mir das Wort "Crack" in den Suchergebnissen erschreckend häufig vor. Somit dürfte klar sein, dass auch die Hersteller immer ausgefuchstere Wege gehen, um ihr Plugin zu schützen.
Der einfachste Weg ist natürlich eine Serial-Number, die man nach dem Kauf per Mail oder als Eintrag in seinem Kundenportal erhält. Das ist aber auch der unsicherste Weg (zumindest per Mail) ein Plugin zu lizenzieren. Andere Hersteller, z.B. reFX (Nexus) oder Spectrasonics (Omnisphere) sind da etwas weiter. Die dort benutzen Verfahren sind zwar etwas frickeliger, aber wenn man sich mit ein wenig Ruhe daran setzt funktioniert es problemlos. Bei U-he ist es ganz ähnlich. Nun scheuen sich aber so einige Hersteller ein aufwendiges Lizenzierungsverfahren selbst zu programmieren, also quasi eine "hauseigene" Lösung anzubieten und benutzen eine sog. Dienstsoftware.
Der Platzhirsch in diesem Bereich ist wohl der iLok License Manager. Viele bekannte Firmen, z.B. Air Music oder Eventide, bedienen sich dieser Methode. Aber bleiben wir doch mal bei Eventide. Die dort angebotenen Plugins, meist im Effekt-Bereich, sind extrem teuer. Ein einfaches Hall-Plugin (z.B. Blackhole, Shimmerverb, Mangledverb) ist dort nicht unter 100 Euro zu bekommen. Es gibt dort sogar ein Plugin-Bundle für ca. 2000 Euro (Anthology XII). Warum ich hier auf die Preise eingehe, wird unten im Artikel sehr klar werden...
Diese Plugins sind sehr professionell und natürlich will sich der Hersteller von solch hochwertigen Plugins entsprechend schützen. So bedient sich Eventide der Dienstsoftware iLok. So weit so gut. Solange das System, sprich der PC mit den installierten Plugins funktioniert ist ja alles prima. Wer aber mit einem Windows-PC arbeitet, dem dürften Begriffe wie Hardwarecrash, Systemabsturz o.ä sicher gut bekannt sein. Und genau hier liegt das Problem von iLok.
iLok ist sozusagen systemgebunden und registriert intern (also innerhalb der Software) das Plugin. Registriere ich nun ein Produkt über iLok, ist das Plugin quasi mit iLok verbunden. Beim Aufruf des Plugins innerhalb der DAW werden im Hintergrund diese Lizenzinformationen abgefragt. Das hat den Hintergrund, dass ich das Plugin auf keinem anderen System einsetzen kann, sondern nur auf dem PC wo es installiert, registriert und auch mit iLok verbunden ist. Ich vermute sogar, dass iLok bestimmte Systemkonfigurationen speichert, was nämlich bei einer Lizenzübertragung essentiell wichtig ist. Dem Missbrauch ist somit vorgebeugt. Jetzt kommt allerdings das große ABER:
Im Falle eines Systemcrashes hast Du allerdings ein Riesenproblem. So wie ich, als mir genau das passiert ist. Anfangs habe ich gedacht, nicht so schlimm, ich installiere eben auf dem neuen PC alles wieder von vorne. Das hat soweit auch gut geklappt bis auf die im iLok registrierten (systemgebundenen) Plugins. Die funktionierten nämlich nicht mehr, weil jetzt unter dem selben Lizenzschlüssel ganz andere Systemkomponenten vorhanden sind. In diesem Falle geht iLok davon aus, dass die Plugins unberechtigt auf einem anderen PC installiert wurden und sperrt die Plugins. Daher rühret auch meine Vermutung, dass iLok Systemdaten speichert.
Toll nicht...? Aber iLok ist da ja supermodern und bietet die Möglichkeit seine Lizenzen von einem auf den anderen PC zu übertragen.
(siehe Bild-rote Markierung)
https://user.myownmusic.de/photos/83344.jpg
Gut mitgedacht möchte man meinen... Allerdings funktioniert diese Lizenzübertragung auch nur dann, wenn BEIDE PC's funktionieren. Ist der Quell-PC nicht mehr fähig zu starten und somit online auch nicht mehr erreichbar, nützt dieses Feature mal gleich gar nichts. Das Kundenportal von ILok bietet dieses Feature erst gar nicht an. Und sich die Lizenzen über den neuen Ziel-PC qusi rüber zu ziehen funktieniert nicht. Dies nämlich lässt iLok aus Sicherheitsgründen nicht zu. Eine Lizenübertragung geht immer vom Quell-PC aus, d.h. in meinem Fall vom gecrashten PC auf den neuen PC. Und das geht nun mal nicht. Mit anderen Worten: Es ist nicht möglich eine Lizenz von einem "toten PC" auf einen neuen PC zu übertragen. Das macht auch durchaus Sinn, denn ansonsten wären bei einem Hackerangriff die Lizenzen einfach zu übertragen, sprich zu klauen. Aber leider haben die Programmierer hier nicht zu Ende gedacht.
So, was nun? Jetzt beginnt meist ein lustiges Happening, für Menschen mit schwacher Herzleistung nicht zu empfehlen... Das Happening besteht jetzt darin, dem Support der Plugins eben genau dieses Problem zu erklären. In der Mail musst Du nun dem Support auf Englisch erklären, warum Du einen neuen Lizenzschlüssel benötigst. Ich z.B. muss aufgrund meiner recht rudimentären Englischkenntnisse, immer einen Übersetzer (meist Google) benutzen. Und ein solches komplexes Thema mit technischen Fachbegriffen durch eine Übersetzungssoftware laufen zu lassen, ist recht abenteuerlich und sicher in Teilen auch schlicht falsch übersetzt. Somit könnte der Support von einem Betrugsversuch ausgehen, ganz ähnlich wie bei Phishing-Mails, um an besagten Lizenzschlüssel zu kommen. Und ob die Motivation hier weiterzuhelfen gegeben ist, lasse ich mal dahin gestellt sein.
Jetzt wird auch klar, warum ich etwas weiter oben die Preise von Eventide (als stellvertretendes Beispiel) erwähnt habe. Stell Dir vor, Du hast für Dein Studio das Bundle für 2000 Euro gekauft und hast jetzt genau dieses Problem. Nun, spätestens jetzt weißt Du auch, warum Du Deine Notfall-Herztabletten in Griffnähe haben solltest... Als Beispiel meinerseits möchte erwähnen, dass ich bei einem anderen namhaften Hersteller ein Bundle im Wert von mehreren Hundert Euro im Black-Friday-Deal für knapp 10 Euro geschossen habe. Also bei aller Liebe, aber hier hat der Support vermutlich kein echtes Interesse einem so billigen Jakob wie mir, auch noch aufwendig weiter zu helfen. So zumindest war mein Eindruck. Lieblose Mails, also nicht wirklich freundlich. Da ich auf diese Weise nur 10 Euro verloren habe, juckt mich das nicht weiter. Naja, in Teilen hat es ja funktioniert. Aber ich habe heute immer noch Teile des Bundles, welche nicht mehr funktionieren. Offenbar rechnen manche Firmen nicht damit, dass der Black-Friday-Kunde ja vielleicht auch mal ein teures Plugin kaufen könnte...
Genau das beschriebene Problem und die Erfahrung mit dem Umgang damit, auch auf der Supportseite, haben mich dazu bewogen, keine Plugins mehr zu kaufen, die über iLok lizenziert werden. Ich bin mal gespannt, wie sich das zukünftig so weiter entwickelt.
Alternative Lösungen - es gibt viele positive Beispiele
Es geht auch anders: Erwähnenswert sind die über eine Dienstsoftware zu erreichenden Kundenportale. Als Beispiele möchte ich hier das iZotope Product Portal, aber auch Waves Central, die reFX-Cloud, Native Access oder den Steinberg Download Assistenten nennen. Diese Dienstsoftware verbindet Dich quasi mit Deinem Kundenaccount. Hier hast Du u.a. auch die Möglichkeit Updates zu installieren und sogar noch weitere Produkte zu erwerben. Eine - aus meiner Sicht - tolle Lösung und vollkommen problemlos und kundenfreundlich. Ebenfalls wenn Dir Dein System crashed ist die Wiederherstellung i.d.R. kein Thema. Vor allem bei Native Instruments und auch bei Steinberg hat man sich da richtig gut Gedanken gemacht. Toll, es geht also tatsächlich auch anders. Übrigens, bei dem iZotope-Product-Portal besteht die Möglichkeit sich über dieses Portal mit iLok zu verbinden. Soweit ich das allerdings bisher gesehen habe, ist dies eine optionale Geschichte und nicht zwingend notwendig. Aber hier sieht man mal wieder ganz klar, dass wirklich große Firmen wie z.B. Steinberg und NI wesentlich professioneller am Markt agieren. Gutes hat eben auch seinen Preis. Und zum Preis gehören auch die "Randkosten" die für das Programmieren guter Dienstsoftware und Lizenzierungsverfahren anfallen.
Fazit
Leider ist es im Vorfeld für den Kunden nicht immer sofort ersichtlich, wie das Plugin lizenziert wird. Aber sobald das Thema iLok genannt wird, bin ich an dieser Stelle raus. Dann suche ich lieber weiter oder verzichte im schlimmsten Fall auf das Plugin. Aber dieses Theater tue ich mir nicht mehr an. Die gute Zeit, die man mit Supportmails und der internen Verwaltung vergeudet, wäre ins Musizieren besser investiert, mal ganz vom Geld abgesehen, was u.U. in den Sand gesetzt wird.
Schreibt gerne eure Erfahrungen dazu, ich freue mich auf Feedback.
Euer Volker
(Unreal Reality)


