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Sandro Sandalette

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Blog

Sandro Sandalette am 24.03.07 um 14:44

Markentext oder Minderheit: Nebelscheinwerferblender

Ich selbst bin ganz schön entzückt von einer Entdeckung, die ich vor kurzem machte. Zwar handelt es sich hier nur um ein Kauprodukt nach Gummitierchenart, doch sind es die kleinen Dinge des Lebens, die ein solches lebenswert machen. Die großen Dinge klappen sowieso nie. Es ist ein längliches Kauprodukt der Marke... hab' ich vergessen... jedenfalls heißen sie "Ringelwürmer". Man ist immer dazu geneigt zu behaupten, dass Markenprodukte ihr Geld wert seien und Billigangebote eben nur Imitate, die an das "Original" nicht heranreichen. Das stimmt zwar vielerorts, nur ist die Wahrscheinlichkeit auch gegeben, dass Billigprodukte mindestens genauso gut sind, wenn nicht sogar besser, angesichts des Preises.
Doch was Naschwaren und dergleichen anbetrifft, so schlägt uns das Über-Ich meist ein Schnäppchen - im wahrsten Sinne des Wortes. Also wollen wir uns zusammenfinden, um einen Test zum Allgemeinwohl durchzuführen. Hierzu bauen wir einen Stand im Supermarkt auf und finden Passanten, die mutig genug sind, an diesen heranzutreten und nicht gleich einen großen Umweg über die Gemüseabteilung einschlagen, um der "Wollen-Sie-mal-probieren"-Tante aus dem Wege zu gehen. Es hat ohnehin keinen Zweck, denn in der Gemüseabteilung steht schon die nächste Tante, die einem mit Annanasstückchen hinterher rennt. Auf unserem Stand liegt Markennaschware aus und das entsprechende Billigduplikat daneben. Hanuta und Duplikat, Knoppers und Duplikat, Haribo und Duplikat mit so lustigen Namen wie "Trolli" oder "Schlecki". Bei offenem Zeigen der Identitäten der Marken und Billigmarken wird der mutige Kunde meist auf das Markenprodukt weisen und behaupten, das schmecke besser. Behandeln wir die Naschereien anonym, entstünde ein ausgewogeneres Ergebnis. Fazit: Billignaschprodukte schmecken nicht schlechter, sondern nur etwas eigenartig, aber auch gut.
Über die eingangs erwähnten "Ringelwürmer" fragte mich meine Frau bei dessen Verzehr: "Und? Sind die gut?" Ich sagte: "Ich kann mir mein Leben ohne Ringelwürmer nicht mehr vorstellen.", einfach nur um der Tatsache Ausdruck zu verleihen, dass ich mich nicht von allgemeinen Markengeplänkel blenden lasse. Sie: "Sowas würdest du über mich nie sagen!" Ich: "Doch doch! Ich kann mir dein Leben ohne Ringelwürmer auch nicht vorstellen."

Soviel zur Werbung!

Diese findet oft im Fernsehen statt, was zwar eine seltsame Überleitung ist, aber gerade das Fernsehen schafft es zusehends, einem Meinungen zu implizieren, mit denen man monate- bis jahrelang durch die Gegend rennt, um dann eines Nachts schreiend aufzuwachen, weil man die gegenteilige Darstellung vollends ignorierte. Die Möglichkeiten dazu sind in den letzten 20 Jahren um das 8fache gestiegen. Diese Rechnung ergibt sich aus der Gegebenheit, dass sich die Anzahl der TV-Programme vervierfacht hat und im Allgemeinen doppelt so viel Fernsehen seit dem geglotzt wird. Also: 4x2=8. Ich habe mittlerweile im Jahre 2004 37 Sender, zwischen denen ich zur freien Meinungsbildung wählen kann. Die "Was?-Nur-so-wenig-also-ich-hab-ja-ne-Schüssel-und-damit-viel-mehr-Sender!"-Fraktion möge hier bitte mal ausnahmsweise ihre große Klappe halten. Natürlich habe ich 'nur' 37 Sender, aber die Frau von der Kabelgesellschaft ist sehr nett...
"Wer kennt es nicht", so impliziert ein sympathisch und adrett wirkender Wolfram Kons in seinen News, "man fährt auf einer dunklen Landstraße und plötzlich wird man von einem entgegenkommenden Fahrzeug durch dessen Nebelscheinwerfer so dermaßen geblendet, dass man sofort in den Straßengraben fährt. Jetzt geht es den Nebelscheinwerferblendern an den Kragen..." Kurzerhand schimpft halb Deutschland über diese verfluchten Nebelscheinwerferblender, wobei das Wort "Nebelscheinwerferblender" gleich zum Unwort des Jahres gekürt wird. Wird nun ein Nebelscheinwerferblender auf Deutschlands Landstraßen entdeckt, wird dieser unweigerlich durch Abbrechen des Lichthupenhebels zur Strecke geblinkt. So isses, Herr Kons! Nebelscheinwerferblender wünscht man sich nicht als Gegenüber, wer kennt es nicht, und nur wenige wagen dem freundlichen Herrn Kons zu widersprechen: "Also ich kenne das nicht." Ich darf in aller Bescheidenheit verkünden, dass ich zu den Letzteren gehöre und hiermit die Katze aus dem Sack lasse: Nebelscheinwerfer blenden nicht - Gesetz dem Fall sie sind korrekt justiert - sind sie auch nicht heller, als das ganz normale Abblendlicht obendrüber! Basta! Und da kann der Herr Kons noch so nett dreinschauen. Würde hingegen Stefan Effenberg auf Nachrichten verlesender Weise über Nebelscheinwerferblender schimpfen, wäre man eher geneigt zu behaupten: "Ach so ein Käse!" Wahrscheinlich würde Herr Kons dann nicht über Nebelscheinwerferblender, sondern über Herrn Effenbergs verkorkster Meinung lästern. Nebelscheinwerferblender wären danach jedoch gerettet, weil der Herr Effenberg diese Meinung hätte und eben nicht der Herr Kons.
Da der Herr Kons aber nun diese Meinung vertritt, sieht nun die schwarze Realität so aus, dass sich jeder dementsprechend ausschauende Passant im Supermarkt - wenn dieser mit der Bitte käme: "Ich hab hier nur die beiden Äpfel, darf ich mal vor?" - die Frage gefallen lassen muss: "Entschuldigung junger Mann, sind Sie Nebelscheinwerferblender? Ja? Dann stellen Sie sich gefälligst hinten an!"

Anstehen im Supermarkt sollte letztens auch ein guter Freund von mir. Entgegen der meisten Menschen in der Menge, genoss er das. Der Grund dafür war gleichsam denkbar wie erwartungsgemäß - eine wunderschöne junge Frau stand direkt vor ihm in der Schlange. Und die roch so gut! Es ist ein Trugschluss, wenn Männer glauben, diese Damen würden die zwar immer dezenter, sympathischer und leiser werdenden Grunzgeräusche im Nacken nicht bemerken, obgleich ihre konsequente Ignoranz dessen genauso bemerkenswert erscheint, wie die Tatsache, dass die Abscheu der Damenwelt gegenüber dem leicht paranoiden Verhalten eines jungen Mannes in der Brunftzeit rapide abnimmt. "Männer sind eben so", so wird immer öfter argumentiert. So war das auch hier. Das Mädchen zeigte durchaus Interesse und Entzücken an dem herumhampelnden Sympathiebekundungen meines Jugendfreundes, andererseits auch Enttäuschung über sein Unvermögen, sie anzusprechen denn da stand ich ja nun noch daneben. Schade!
"Sprich sie an!", sagte ich, "Sprich sie an!" Aus seinem Blick resultierte eine Mischung aus etwa 40 Prozent Empörtheit, wie ich denn so etwas in aller Öffentlichkeit nur sagen könne, jedoch 70 Prozent Dankbarkeit für meine Bereitstellung der Möglichkeit - na ja, sie eben anzusprechen. Allen Mathematikern, die hier auf 110 Prozent kommen sei nahegelegt, doch einmal darüber nachzudenken, ob sich im Leben alles rational erklären ließe. Ich unterstelle hiermit den meisten Mathematikern, dass sie in mathematische Zusammenhänge flüchten, da ihnen das nicht ganz so logische Individuum eher suspekt erscheint. Um aber die heile Mathematikerwelt etwas zu stören, schaut unser Held hier 110 prozentig drein. Ätsch!
Auch die junge umworbene Dame überhörte nicht meine durchaus kesse Aufforderung an unseren Sportsfreund, obwohl man hinzufügen muss, dass der Kreis der telepathisch Verbundenen unterbrochen wurde, allein durch die Tatsache, dass die Schlange an der Kasse mittlerweile etwas geschrumpft war, sodass Fräulein Tunichsoschüchtern sich anschickte, die von ihr selektierte Ware vom Einkaufswagen auf das Fließband der Kasse zu legen. Das war sehr lang und bewegte sich dermaßen schnell auf die etwas genervt schauende und ungeduldig mit den Fingern trommelnde Kassiererin zu, dass die Artikel einzeln genau zu erkennen waren, da der Abstand zwischen den einzelnen selben ziemlich genau 50 Zentimeter betrug. Sie kaufte also: Eine Tüte "Ringelwürmer" der Marke "Schlecki", ein Spülmittelkonzentrat der Marke "Ja!", einen durch viel vorbeimogelndes Geschick an der Wollen-Sie-mal-probieren-Tante durch harte Qualen erworbenen Kopfsalat und eine Tüte Billigtoast. Nach dem Drauflegen schob sie die Waren mit ihrem Unterarm auf ein Zwanzigstel des ursprünglich benötigten Platzes zusammen und ermöglichte durch das Hinlegen des Nächster-Kunde-Stabes die Benutzung des Kassenfließbandes durch den nächsten. Dieser war mein guter Freund, der aber erst einmal etwas anderes machen sollte. Die Unablässigkeit des Ansprechens wurde verstärkt durch die erwartungsvollen Blicke ihrerseits, von meiner Wenigkeit, zweier Kunden hinter mir sowie der Kassiererin, die nun nicht mehr genervt schaute, sondern - na eben erwartungsvoll. Er kam nun also nicht mehr umhin, sie anzusprechen:

- "Äh... Äh... Sie benutzen herkömmliches Spülmittel?"

Bleibt nur noch die Frage offen, warum ich mich mit in der Schlange aufhielt, aber was soll ich dazu sagen... Ich kaufte mir eine Tüte "Ringelwürmer", die, mit Verlaub, furchtbar schmeckten, eben um einiges schlechter als das Original einer eingetragenen Schutzmarke.

06.07.2004

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