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basementLabstudio am 04.06.07 um 13:54

Alles überallhin verfolgen – Die Bedrohung durch RFID

RFID wird einen einschneidenden Einfluss auf jeden Bereich der Zivilisation haben, ungefähr so wie die Druckerpresse, die industrielle Revolution und das Internet und die Computer die Gesellschaft verändert haben. ... RFID ist eine ganz große Sache. Ihr Einfluss wird umfassend, persönlich und tiefgreifend sein. Das ist die größte Erfindung, seit Edison uns die Glühbirne geschenkt hat.

—Rick Duris, Frontline Solutions Magazine, Dezember 2003 (1)


Technologie ist ... etwas Seltsames. Sie gibt uns mit der einen Hand großartige Geschenke und rammt uns mit der andern das Messer in den Rücken.

—C.P. Snow, New York Times, 1971 (2)


Stellen Sie sich eine Welt vor, in der es keine Privatsphäre mehr gibt.

In der jeder Ihrer Einkäufe überwacht und in einer Datenbank gespeichert wird und in der jedes einzelne Teil in Ihrem Besitz nummeriert ist. In der irgendwer in einer anderen Stadt oder vielleicht in einem anderen Land eine Liste hat, in der alles verzeichnet ist, was Sie jemals gekauft haben, alles, was Sie je besessen haben, jedes einzelne Kleidungsstück in Ihrem Schrank – jedes Paar Schuhe. Zusätzlich können diese Dinge auch noch aus der Ferne verfolgt werden.

Sobald jedes Ihrer Besitztümer in einer Datenbank erfasst ist und verfolgt werden kann, können auch Sie selbst aus der Ferne verfolgt und beobachtet werden, nämlich durch die Dinge, die sie an haben, die Sie bei sich tragen, mit denen Sie jeden Tag umgehen.

Wir stehen möglicherweise am Übergang zu dieser furchtbaren Welt, sollten globale Unternehmen und Regierungsstellen ihren Willen bekommen. Das ist die Welt, die Wal-Mart, Target, Gillette, Procter & Gamble, Kraft, IBM, sogar die Post der Vereinigten Staaten im Laufe der nächsten zehn Jahre einführen wollen.

Das ist die Welt der Radio Frequency Identification.

Radio Frequency Identification, abgekürzt RFID, ist eine Technologie, die winzige Computerchips nutzt – manche von ihnen kleiner als ein Sandkorn -, um Gegenstände von Ferne zu verfolgen. Wenn es nach den Chefplanern geht, wird jedes Objekt – von Schuhen zu Autos – einen dieser kleinen Chips tragen, die dafür benutzt werden können, Sie ohne Ihr Wissen und ohne Ihr Einverständnis auszuspionieren. Wir nennen diese winzigen Geräte wegen ihres Überwachungspotentials "Schnüffelchips".

Wenn Sie in Sachen RFID etwas auf dem Laufenden sind, werden Sie vielleicht schon wissen, wer wir sind, und haben etwas mitbekommen von den öffentlichen Kämpfen, die wir ausgefochten haben, um diese Technologie von Konsumgütern und aus unseren Wohnungen fernzuhalten. Für den Fall, dass Sie nicht wissen, wer wir sind, und warum wir solche Behauptungen mit Überzeugung äußern können, sollten wir uns kurz vorstellen.

Wir sind Katherine Albrecht, Gründerin und Vorsitzende von CASPIAN (Consumers Against Supermarket Privacy Invasion And Numbering), und Liz McIntyre, Kommunikationschefin der Organisation. CASPIAN ist eine Bürgervereinigung, die sich seit 1999 (3) mit Fragen der Privatsphäre von Konsumenten befasst. Auf den folgenden Seiten möchten wir Sie zu einigen der Schlachten mitnehmen, die wir uns mit Firmen wie Benetton, Gillette und dem britischen Handelsriesen Tesco geliefert haben. Sie werden sehen, warum die Fachzeitschrift "Advertising Age" über uns sagt, dass unsere Anwesenheit von Berlin bis Bentonville (hier steht die Zentrale von Wal-Mart) spürbar geworden ist. Außerdem werden Sie erfahren, wie wir Pläne von Großfirmen aufgedeckt haben, in denen sie beschreiben, wie sie Konsumenten durch den Supermarkt verfolgen wollen, wie RFID benutzt werden soll, um Konsumenten mit auf sie persönlich zugeschnittener Werbung einzudecken, und sie sogar bei allem zu überwachen, was sie in ihren eigenen Häusern tun.

Wir sind außerdem Vorstadt-Mütter, die sich mit einigen der größten Konzerne der Welt angelegt haben, weil wir uns um die Zukunft unserer Kinder sorgen, die sie erben werden, wenn dieser gefährlichen Technologie kein Widerstand entgegengesetzt wird. Wir glauben, dass die Konsumenten wissen sollten, was ihnen bevorsteht, damit wir gemeinsam dafür arbeiten können, unsere Privatsphäre und unsere Bürgerrechte zu beschützen, bevor es zu spät ist.

Wir wissen, dass eine "Big Brother"-Vision von der Zukunft weithergeholt scheinen mag. Wir haben selbst nicht daran geglaubt, bis wir mit unseren eigenen Augen gesehen und mit unseren eigenen Ohren gehört haben, wie die Firmen ihre schwindelerregenden Pläne entwerfen. Wir können Ihnen versichern, dass diese scheinbar unmögliche Zukunft genau jetzt auf dem Reißbrett liegt, und wir versprechen Ihnen, dass auch Sie davon überzeugt sein werden, wenn Sie dieses Buch zu Ende gelesen haben.

Fast drei Jahre lang haben wir uns den ganzen Tag damit beschäftigt, jeden Zeitungsartikel durchzukämmen, jedes Weißbuch zu lesen, jeden Insidertipp zu verfolgen und Tausende von Patentschriften abzusuchen, um ein Bild von dieser geplanten RFID-Zukunft zusammenzusetzen. Wir haben Messen besucht, in Managersitzungen gesessen und lange Gespräche mit den Leuten geführt, die diese Pläne umsetzen.

Was wir dort erfahren haben, wird Sie schockieren.

Wenn Ihnen etwas von dem, was sie lesen, unwahrscheinlich vorkommt, schauen Sie bitte in die Anmerkungen am Ende dieses Buches. Dort haben wir viele Hinweise auf Originalquellen aufgelistet, die auch den skeptischsten Leser überzeugen dürften.

In einer zukünftigen Welt, die mit RFID-Schnüffelchips durchwoben ist, können Karten in Ihrer Briefasche Sie "verraten", wenn Sie ein Einkaufszentrum, einen Supermarkt oder einen Gemüseladen betreten, und sie teilen dann dem Betrieb nicht nur Ihre Anwesenheit, sondern auch Ihre Kaufkraft mit. Lesegeräte, die in den Türen, Wänden, Regalen und Fußböden versteckt sind, können die RFID-Chips in Ihren Kleidern und an anderen Gegenständen, die Sie bei sich tragen, abscannen, um Ihr Alter zu bestimmen, Ihr Geschlecht und Ihre Vorlieben. Da Schnüffelchip-Informationen auch durch die Kleidung dringen, könnte man auch einen Blick auf die Farbe und Größe Ihrer Unterwäsche werfen.

Das ist kein Witz: Ein großer weltweit agierender Kleiderhersteller namens Benetton hat schon versucht, RFID-Chips in Damenunterwäsche einzuarbeiten. Und er wäre auch damit durchgekommen, hätte es nicht einen internationalen Aufschrei gegeben, als wir diese Pläne veröffentlichten. Details über unsere Kampagne "I'd rather go naked" (Ich würde lieber nackt rumlaufen) gibt es später in diesem Buch.

Während die Konsumenten vielleicht im Moment noch gechippte Kleidermarken umgehen können, könnten sie auf der anderen Seite gezwungen sein, mit RFID verwanzte Kleidung zu tragen, wenn sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen. Schon jetzt nähen Vermieter von Berufsbekleidungen wie AmeriPride und Cintas RFID-Chips in ihre Kleider ein, die auch eine kommerzielle Reinigung bei hoher Temperatur überstehen.

Sie brauchen bei der Arbeit keine gechippten Mietuniformen zu tragen? Dann könnte Ihre mit RFID besetzte Mitarbeiter-Ausweiskarte die Spionage übernehmen. Eines Tages könnten diese Geräte dem Management mitteilen, mit wem Sie sich beim Kaffeeautomaten unterhalten und wie lange Sie auf der Toilette waren – und sogar, ob Sie sich hinterher die Hände gewaschen haben. Es gibt schon ein Produkt mit dem Namen iHygiene, das die Händewaschgewohnheiten von RFID-behafteten Angestellten beim Gang auf die Toilette überwacht.

Die nächste Generation von Berufstätigen könnte darauf konditioniert sein, diese entwürdigende Überwachung gehorsam zu akzeptieren, indem sie ihr schon in jungen Jahren zwangsweise unterworfen wird. Manche Schulen verlangen schon jetzt von ihren Schülern, gechippte Ausweiskarten um den Hals zu tragen, um genauer zu wissen, was sie den lieben Tag lang so treiben. Wenn Hansi zu spät zur Mathestunde kommt, weiß das System das. Es sieht alles.

Den Managern großer Handelskonzerne kribbelt es bei dem Gedanken in den Fingern, dass man in der Lage ist, die Preise für die Waren gemäß der Einkaufsgeschichte eines Kunden und nach seinem "Wert" individuell festzulegen. RFID erlaubt dem Ladeninhaber, Ihre Kaufkraft zu erfassen, während Sie die Produkte in Ihren Einkaufswagen packen, und Ihnen dabei einen dazu passenden kundenspezifischen Warenpreis entgegenblinken zu lassen. Kaufkräftige Kunden könnten zwei Euro für ein Glas Marmelade bezahlen müssen, während notorischen Schnäppchenjägern und finanzschwachen Kunden dafür das Doppelte berechnet wird. Das Ziel, das dahinter steckt, ist, die Loyalität derjenigen Kunden zu fördern, die zu Umsatz und Profit mehr beitragen können, während man auf der anderen Seite die weniger Reichen abschrecken möchte. Denn warum, so argumentieren die Händler, sollen unprofitable Kunden den Laden verstopfen und ihre Luft atmen?

RFID-Chips, die in Ausweise und Pässe oder auch Kreditkarten eingebettet sind, werden die Kunden identifizieren und ihr individuelles Kundenprofil aus einer Datenbank abrufen, wenn sie die Eingangshalle einer Bank betreten, und sie werden dabei den Angestellten die Kontostände auf deren Bildschirm beamen. Die Angestellten können dann abschätzig über den Kunden mit 37 Euro auf dem Konto kichern, während sie andere mit Glacéhandschuhen anfassen.

RFID könnte auch dazu benutzt werden, unsere Bürgerrechte zu beschneiden. Die Technologie könnte es Regierungsbeamten ermöglichen, Bürger ohne deren Wissen elektronisch zu scannen, indem sie zum Beispiel unsichtbare Messstationen auf Straßen und in Fußgängerzonen aufbauen, um ihre Bewegungen zu überwachen.

Während RFID-Befürworter behaupten, sie würden RFID niemals dazu benutzen, Menschen zu verfolgen, werden wir beweisen, dass sie nicht nur überlegen, das zu tun, sondern dass sie das schon tun. Die US-Regierung hat schon Menschen mit RFID-Armbändern überwacht – und nicht nur Kriminelle. Und jetzt wird geplant, RFID-Chips in US-Pässe zu pflanzen, damit die Bürger verfolgt werden können, während sie sich im Flughafen bewegen und Ländergrenzen überschreiten. (A.d.Ü.: In Deutschland sind bereits seit November 2005 RFID-Chips in allen neu beantragten Reisepässen enthalten.)

Einfach mal spazieren fahren wird nicht mehr länger dazu dienen, "einmal von allem weg zu kommen", wie viele von uns das gerne mal tun. Wenn Sie zum Beispiel in den USA leben, könnten Sie schon jetzt unter Überwachung stehen, und zwar dank der Transponder für die Autobahnmaut in Ihrem Fahrzeug. Auf manchen Autobahnen, wie denen in der Gegend um Houston, stehen Lesegeräte, die alle paar Kilometer die Informationen des Transponders im Auto auslesen. Aber das ist Kinderkram verglichen mit dem, was geplant ist. Die Federal Highway Administration arbeitet mit einigen US-amerikanischen Bundesstaaten und Autoherstellern zusammen an der Einführung von "intelligenten Fahrzeugen", die dank eingebauter RFID-Geräte überwacht und verfolgt werden können (wie im Film "Minority Report").

RFID-Schnüffelchips in Ihren Schuhen und Autoreifen werden es auch Fremden erlauben, Sie zu verfolgen, während Sie sich im öffentlichen oder privaten Raum bewegen, wobei sie Ihre Gewohnheiten und tiefsten Geheimnisse verraten, die nicht einmal Ihre Mutter wissen dürfte. Kombiniert man RFID-Geräte mit GPS-Technologie, dann könnten Sie überall auf der Welt in Echtzeit buchstäblich festgenagelt werden, indem man auf diese Weise ein grenzenloses Verfolgungssystem errichtet, nach dem sich jetzt schon Strafverfolgungsbehörden, Regierungen, Paparazzi und Voyeure die Finger lecken.

Es wird in der RFID-Welt auch keine geheimen Liebesbriefe mehr geben – nicht, wenn der US Postal Service seinen Willen bekommt. Der möchte nämlich jede Briefmarke mit einem RFID-Chip versehen, der die präzise Ortung eines Briefes ermöglichen würde. Sogar noch beunruhigender ist der Gedanke, dass RFID die Anonymität von Bargeld aufheben könnte. Die Europäische Union erwägt, Euro-Banknoten zu chippen, und auch die Staatsbank von Japan arbeitet an einem ähnlichen Programm für große Geldscheine. Jeder einzelne Ihrer Einkäufe könnte so unter dem Mikroskop liegen.

Das könnte auch Ihr Müll. In der RFID-Welt wird Abfall der beste Freund des Schnüfflers und des Kriminellen. Heute ist es noch eine recht schmutzige Angelegenheit, sich durch Wegwerfwindeln und Essensreste zu wühlen, um damit zu verräterischen Zeugen für den Marktwert, die Gewohnheiten und die Einkäufe eines Haushalts vorzudringen. In der RFID-Welt könnte das Abscannen des Mülltonneninhalts so einfach werden wie eine Fahrt die Straße entlang, am Abfuhrtag, mit einem Auto, in dem ein Lesegerät montiert ist.

Und was ist mit dem "intelligenten Haus"? Forscher haben Prototypen von "Wohnungen der Zukunft" gebaut, um RFID-gestützte Haushaltsgeräte auszustellen, wie z.B. Kühlschränke, die wissen, was in ihnen drin ist (und das den Händlern verraten), Medikamentenschränke, die sprechen können (mit Ihrem Arzt, der Regierung und der Krankenkasse), und Fußböden, die mitverfolgen, wo Sie sich im Moment aufhalten. Das Potenzial ist erschreckend. Ihre Versicherung könnte aus der Ferne Ihre Essgewohnheiten überwachen und Ihre Beiträge entsprechend festsetzen. Gesundheitspersonal könnte die verschreibungspflichtigen Medikamente verfolgen, die Sie einnehmen, und Anwälte könnten die Aufzeichnung Ihrer häuslichen Aktivitäten vor Gericht als Beweismaterial gegen Sie verwenden.

RFID-Netzwerke in der Wohnung werden es Ihren Familienmitgliedern erlauben, Sie während Ihrer "besten Jahre" zu überwachen, oder auch wenn Sie einmal krank sind oder gewisse "wohlmeinende" Familienmitglieder Sie für unzurechnungsfähig halten. Türen können dann verschlossen bleiben, um Sie am Herumlaufen zu hindern, Toiletten überwachen Ihren Stuhlgang und übermitteln die Daten an weit entfernt sitzende Ärzte, und Datenbanken können Ihren Geisteszustand einschätzen. Das ist alles genau jetzt in der Entwicklung und kommt auf Sie zu.

Aber unbelebte Gegenstände zu chippen ist ja erst der Anfang. Der Endpunkt ist eine Art von RFID-Chip, der in das Körpergewebe eingepflanzt werden kann. Haustiere und Nutzvieh werden jetzt schon gechippt, und es gibt Leute, die meinen, dass Menschen als nächstes gechippt werden sollten. Es mag unglaublich klingen, aber es haben schon Kneipen angefangen, ihren Stammgästen in Glaskapseln eingebettete RFID-Chips einzupflanzen, die zum Bezahlen der Zeche benutzt werden können. Diese Anwendung verstört viele Christen, die den Einsatz von RFID als Zahlungsmittel mit biblischen Prophezeiungen über das Zeichen der "Bestie" vergleichen: Eine Zahl, die, wie es in der Offenbarung des Johannes heißt, benötigt wird, um in der "Endzeit" etwas kaufen oder verkaufen zu können.

Während einige dieser Anwendungen noch Zukunftsmusik sind, sind andere schon da, genau jetzt schon – und sie verbreiten sich. Wal-Mart hat seine 100 Top-Zulieferer darauf verpflichtet, RFID-Chips auf Kisten und Paletten anzubringen, die an verschiedene Warenhäuser geliefert werden. Analysten schätzen, dass allein diese Initiative dazu geführt hat, dass nahezu 250 Millionen US-Dollar in diese Technologie investiert wurden (4). Andere Handelsfirmen wie Albertsons, Target und Best Buy sind diesem Beispiel mit eigenen Verpflichtungen dieser Art gefolgt. Nach den Angaben eines Industriebeobachters gibt es zur Zeit rund 60.000 (Zuliefer-)Firmen, die unter so einer RFID-Verpflichtung operieren und sich größte Mühe geben, beim Schnüffelchip-Programm so schnell wie möglich auf Stand zu kommen (5).

Das Verteidigungsministerium der USA gießt weiteres Öl in dieses Feuer, indem es ebenfalls von seinen Zulieferern verlangt, RFID zu benutzen. Genau genommen können die RFID-Fans bei der Regierung kaum noch still sitzen vor lauter Eifer, die Technologie voranzutreiben. Das Department of Homeland Security, also die nach dem "11. September" neu gegründete Abteilung für innere Sicherheit der USA, untersucht die Nutzung von RFID in Pässen, und die US-Sozialversicherung nutzt RFID, um die Akten über die Bürger im Auge zu behalten. Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA), eine Unterabteilung des US-Ernährungsministeriums, möchte sich nicht ausstechen lassen und verlangt, dass alle verschreibungspflichtigen Medikamente mit RFID versehen werden, und die Hersteller von Oxycontin und Viagra haben schon angefangen, sich diesem Gebot zu unterwerfen. Die FDA befürwortet außerdem die Nutzung von unter die Haut gepflanzten RFID-Implantaten für das Management von Patientenakten – dieselben Implantate, die bei den Kneipenstammgästen benutzt werden.

Sie haben sich vielleicht selbst schon einmal einen Schnüffelchip mit nach Hause gebracht. Wenn Sie in den USA leben und einen Maut-Transponder für die Autobahngebühren oder einen "Mobil Speedpass" haben, interagieren Sie jedes Mal mit RFID, wenn sie ihn benutzen. Und wenn Sie zwischen März und Juni 2003 in einem Wal-Mart in der Stadt Broken Arrow im US-Staat Oklahoma einen Lipfinity-Lippenstift von Procter & Gamble gekauft haben, könnten Sie einen scharfgemachten RFID-Chip, der in der Verpackung steckt, in Ihre Wohnung getragen haben – und ohne es zu wissen waren Sie dabei auch noch der Star in einer Video-Produktion!

Procter & Gamble ist nicht der einzige Konzern, der Schnüffelchips an unwissenden Kunden getestet hat. Auch Gillette wurde dabei erwischt, und zwar beim Chippen von Päckchen mit Mach3-Rasierklingen, jedes bestückt mit einem der 500 Millionen (das ist eine halbe Milliarde!) RFID-Chips, die die Firma im Frühjahr 2003 in Auftrag gab. Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass auch andere alltägliche Produkte wie Pantene Shampoo, Hundefutter der Marke "Purina Dog Chow" sowie "Huggies" Babytücher mit RFID-Chips versehen und an nichts ahnende Kunden verkauft worden sind.

Warum nun sollte irgendwer ein Interesse an so enger Überwachung von alltäglichen Gegenständen haben? Die Antwort darauf ist einfach: Industriebetriebe wünschen sich eine Technologie, die es ihnen erlaubt, ihre Produkte jederzeit und überall im Auge zu haben. Diese Informationsgewinnung in Echtzeit würde ihnen die Möglichkeit geben, die Regale immer rechtzeitig aufzufüllen und immer zu wissen, was sie in ihren Lagern haben. Man glaubt auch, dass man damit Diebstahl und Produktfälschungen verhindern kann. Theoretisch könnte die Technologie sogar das Fräulein an der Kasse überflüssig machen, da die Türrahmen des Supermarkts alle Ihre Einkäufe scannen und den Kaufpreis von Ihrem RFID-basierten Konto abbuchen könnten.

Während manche dieser Ziele und Argumente recht einleuchtend klingen mögen, bleibt die Frage offen, was passiert, wenn mit den Waren auch die Schnüffelchips den Laden verlassen. Und damit ihren Weg in andere Bereiche unseres Lebens finden.

Wir haben alle Argumente für RFID gelesen, die die Industrie anführen kann, und wir sind die Ersten, die zugeben, dass diese Technologie viele Dinge vereinfachen könnte. RFID-fähige Kühlschränke könnten wirklich unsere Essensvorräte überwachen, uns wegen abgelaufener Milch vorwarnen und den wöchentlichen Einkaufzettel erstellen. Eine Hightech-Waschmaschine könnte wirklich automatisch die richtige Waschtemperatur einstellen, die sie aus dem Code auf dem RFID-Etikett herauslesen kann. RFID könnte einer Familie wirklich dabei helfen, ein entlaufenes Haustier oder auch gestohlene Dinge wiederzufinden.

Aber wenn wir uns diese Zukunft näher ansehen, sehen wir dort nicht nur eine idyllische Folge der "Waltons" des 21. Jahrhunderts, in dem der Krämer Ike Godsey einfach nur keine Registrierkasse mehr braucht. Die schmutzigen Einzelheiten, die wir entdeckt haben, lassen die mit Schnüffelchips besetzte Zukunft eher aussehen wie die Schlussszene einer Episode von "Outer Limits", die einem den Magen umdreht. Die RFID-Vision, die die Technologiekonzerne uns verkaufen wollen, sieht zu schön aus, um wahr zu sein – und das ist sie auch.

Schnallen Sie sich an, liebe Leser. Wir werden Sie auf eine Hochgeschwindigkeitsreise durch die High-Tech der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft von RFID mitnehmen, mit vielen Zwischenstops an den dreckigen kleinen Geheimnissen, von denen SIE nicht wollen, dass wir sie kennen.


Anmerkungen:
(1) Rick Duris, "Just How Big Is RFID?" Frontline Solutions, Dezember 2003, online abrufbar unter www.frontlinetoday.com/frontline/article/articleDetail.jsp?id77382 (Stand:15 April 2005).
(2) C.P. Snow, New York Times, das Zitat ist online zu erreichen unter www.bartleby.com/63/36/3236.html (Stand: 10. Juni 2005).
(3) Mit seinen fast 10.000 Mitgliedern in allen 50 US-Bundesstaaten und 30 anderen Ländern weltweit versucht CASPIAN, die Konsumenten über Marketing-Strategien zu informieren, die ihre Privatsphäre verletzen, und datenschutzbewusste Einkaufsgewohnheiten im gesamten Einzelhandel zu fördern.
(4) Kevin Reilly, "AMR Research Finds Wal-Mart Suppliers Spent Only Minimum Required to Comply with RFID Mandate," Pressemitteilung von AMR Research, 20. Dezember 2004, online abrufbar unter www.amrresearch.com/Content/View.asp?pmillid=17856&docid=12139 (Stand: 13 Juni 2005).
(5) Greg Dixon von ScanSource, zitiert nach Mark Riehl: "Partners Needed for RFID Success, Says ScanSource," eChannelLine Daily News, 9. August 2004, online abrufbar unter www.integratedmar.com/ecl-usa/story.cfm?item=18578 (Stand: 11. Juni 2005).
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