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basementLabstudio am 29.07.07 um 20:07

Das amerikanische Ermächtigungsgesetz

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Das amerikanische Ermächtigungsgesetz?
Gerrit Wustmann 24.07.2007

Ein Jahr vor dem Ende seiner Amtszeit erlässt US-Präsident George W.
Bush eine Direktive, die nichts Gutes ahnen lässt

Die Umfragewerte sind im Keller, der Krieg im Irak ist nur mehr ein
verzweifeltes Ringen um Durchhaltevermögen, und in den USA selbst ist
der Vorwahlkampf in vollem Gange. Nach zwei Legislaturperioden wird
George W. Bush 2008 ein Land hinterlassen, dessen Ansehen in der Welt
einen unvergleichbaren Tiefpunkt erreicht hat. Der nächste Präsident
wird sich vor allem mit Schadensbegrenzung befassen müssen. Aber wird
es einen nächsten Präsidenten geben? Eine still und ohne sonderliche
Medienaufmerksamkeit am 9. Mai 2007 verabschiedete Direktive des
Weißen Hauses (1) gibt dem amtierenden Präsidenten zumindest
theoretisch die Option, im Falle eines nicht näher definierten
"katastrophischen Notfalls", am Kongress vorbei zu regieren. Ein
Abgeordneter, der Ende vergangener Woche mehr zu erfahren versuchte,
wurde unter Hinweis auf die Geheimhaltung barsch abgewiesen.

Die Direktive definiert "Catastrophic Emergency" folgendermaßen:

--"Catastrophic Emergency" means any incident, regardless of location,
that results in extraordinary levels of mass casualties, damage, or
disruption severely affecting the U.S. population, infrastructure,
environment, economy, or government functions.--

Das kann natürlich vieles sein. Eine Umweltkatastrophe beispielsweise.
Oder natürlich auch ein Terroranschlag. In jedem Fall bleibt die
Definition vage genug, um mannigfache Interpretationsmöglichkeiten
zuzulassen. Letztendlich, so scheint es, liegt die Entscheidung, wann
eine "Catastrophic Emergency" vorliegt, beim Präsidenten selbst. Und
das mehr subjektiv als objektiv. Zwar wird das erwähnte "Enduring
Constitutional Government" als Zusammenarbeit von Exekutive,
Legislative und Judikative festgelegt, tatsächlich aber wird diese
Zusammenarbeit allein vom Präsidenten koordiniert:

--The President shall lead the activities of the Federal Government for
ensuring constitutional government.--

Wenn aber die Gewalten nicht mehr geteilt sind, sondern in den Händen
des Präsidenten zusammenlaufen, so ist die Gewaltenteilung faktisch
aufgehoben und ein "constitutional government" nur mehr eine Farce, da
die Verfassung außer Kraft gesetzt wäre. Das Inkrafttreten der
Direktive eröffnet theoretisch die Option, dem Präsidenten
diktatorische Entscheidungsbefugnisse zu übergeben, weil alle Fäden bei
ihm zusammenliefen. Im Detail erhält der Präsident bzw. der "Homeland
Security Coordinator" die Verfügungsgewalt über "all federal, state,
local, territorial, and tribal governments, as well as private sector
organizations". Es gäbe folglich in den gesamten USA keinen
Entscheidungsträger mehr, der nicht direkt an die Weisungen aus dem
Oval Office gebunden wäre.

Dieser Alleinherrscherstatus würde nach der Erklärung eines Notstands
nicht enden, bevor diese nicht für beendet erklärt würde - was wiederum
nur dem Präsidenten zustünde.

Eine Studie (2) des Congressional Research Service (CRS) stellt für
den National-Emergency-Fall folgende Verfügungsmacht des Präsidenten
fest:

--(The President) may seize property, organize and control the means of
production, seize commodities, assign military forces abroad, institute
martial law, seize and control all transportation and communication,
regulate the operation of private enterprise, restrict travel, and, in
a variety of ways, control the lives of United States citizens.--

Bisher hatte jedoch der Kongress die Befugnis, ja gar die
Verpflichtung, den Präsidenten von seinen Pflichten zu entbinden,
sollte er unverhältnismäßig handeln. Durch die neue Direktive würde der
Kongress übergangen und stattdessen der "Homeland Security Coordinator"
eingesetzt, der wiederum dem Präsidenten selbst unterstellt wäre.
Ähnliche Direktiven wurden schon von Bushs Vorgängern unterzeichnet,
völlig neu ist allerdings die Anweisung, die Gewaltenteilung aufzuheben
und den Kongress zu umgehen.

Die Veröffentlichung der Direktive auf der Website des Weißen Hauses
hatte diesmal nicht, wie sonst üblich, eine Pressekonferenz nach sich
gezogen, und die einzige große US-Zeitung, die darüber berichtete, war
die Onlineausgabe des Boston Globe (3). Davon abgesehen fand die
Angelegenheit weltweit nahezu keine Beachtung, und das obwohl die
denkbaren Folgeszenarien mehr als beunruhigend sind. Gedankenspiele
eröffnen einen möglichen Irankrieg ohne Kongresszustimmung oder etwa
eine auf unbestimmte Zeit verlängerte Amtszeit George W. Bushs - so
unwahrscheinlich das auch klingt, möglich wäre es.

Wie The Oregonian am 20. Juli berichtete (4), bat der demokratische
Kongressabgeordnete Peter DeFazio (5), der zugleich Mitglied des
Homeland Security Committee (6) ist, vergangene Woche um Einsicht
weiterer Details zum Thema, nachdem mehrere besorgte Bürger ihn
offenbar darauf angesprochen hatten. Sein Gesuch wurde abgelehnt.
DeFazio hatte damit argumentiert, dass die betreffenden Inhalte für
jedes Kongressmitglied hoch relevant seien, und zeigte sich über die
Ablehnung verwundert und verärgert. Bush-Sprecher Trey Bohn
argumentierte, die Inhalte seien "highly sensitive" - mehr wolle er zu
dem Vorfall nicht sagen.

DeFazio will allerdings nicht aufgeben, und hat nun beim Homeland
Security Committee einen neuen Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Sein
Fazit (7) dürfte Öl ins Feuer der Verschwörungstheoretiker gießen:

--Maybe the people who think there's a conspiracy out there are
right.--

LINKS

(1) http://www.whitehouse.gov/news/releases/2007/05/20070509-12.html
(2) http://www.fas.org/sgp/crs/natsec/98-505.pdf
(3)
http://www.boston.com/news/nation/washington/article....02/white_h
ouse_revises_post_disaster_protocol/
(4)
http://www.oregonlive.com/oregonian/stories/index.ss....ws/1184896
54058910.xml&coll=7
(5) http://www.defazio.house.gov/
(6) http://homeland.house.gov/
(7)
http://www.oregonlive.com/news/oregonian/index.ssf?/....1184896540
58910.xml&coll=7

Telepolis Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25796/1.html

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