Cookie Consent by Free Privacy Policy Generator website
MyOwnMusic

Magazin

Test Virtuelles Instrument Eisenberg VIER

Mehr Bässe, Alter!
Test Virtuelles Instrument Eisenberg VIER

Das noch junge Software-Unternehmen Eisenberg legt mit VIER erstmals die Emulation des monophonen Doepfer MS-404 Synthesizers vor und lässt nicht nur einen modernen Klassiker in virtueller Form wieder aufleben. Dank eigenständigem Konzept potenzieren sich die klanglichen Möglichkeiten des einst als TB-303-Klon vorgestellten Klangerzeugers um das Vierfache.

Von Georg Berger

Dieter Doepfer genießt schon seit Jahren einen exzellenten Ruf, wenn es um analoge Synthesizer geht. Kein Wunder, denn mit dem A-100 System definiert er mittlerweile einen Industrie-Standard in Sachen Modular-Synthesizer, der ähnlich wie der Kölner Dom eine Langzeit-Baustelle ist, auf der von Zeit zu Zeit immer wieder neue Module zum Ein- und Aufbau eines Modul-Synthesizers herausgebracht werden. Doch Doepfer beherrscht auch die kleine Form und das nicht erst seit dem Dark Energy (siehe Test in Heft 11/2009). Bereits Mitte der 90er Jahre brachte er mit dem MS-404 einen monophonen, rein analogen Synthesizer im 19-Zoll-Format auf den Markt. Der Zeitpunkt dafür hätte nicht besser sein können, da der Hype um die Roland TB-303 gerade auf dem Höhepunkt war und außer Doepfer eine Reihe weiterer Hersteller versuchten, die Nachfrage nach dem charaktervollen Kistchen – bestehend aus einem simplen Synthesizer mit integriertem Step-Sequenzer – mit entsprechenden Klonen zu befriedigen. Allerdings zeigte sich rasch, dass Doepfer weniger an einem möglichst naturgetreuen Nachbau des Roland-Synthies gelegen war, sondern vielmehr sein ganz eigenes Süppchen mit höchst geschmackvollen Zutaten köchelte. Zuvorderst ist da das Filter zu erwähnen, das, nachdem das Patent ausgelaufen war, ein originaler Nachbau der berühmten Filterkaskaden-Schaltung aus dem Mini-Moog ist. Nächstes Highlight, das übrigens auch im Dark Energy weiter existiert, sind die LFOs, die Frequenzen bis in den hörbaren Bereich erzeugen können und im MS-404 wie auch im Dark Energy eine simple Frequenzmodulation möglich machen. Zusammen mit der Möglichkeit, auch externe Signale in den Synth zu speisen und durch die Filter-Sektion inklusive MIDI-Trigger zu leiten, setzte sich der MS-404 seinerzeit charaktervoll von seinen Mitbewerbern ab.

Vier Synthies unter einem Dach

Das noch junge Software-Unternehmen Eisenberg aus Berlin hat sich jetzt des MS-404 angenommen und diesem modernen Klassiker in Form des VIER Plug-ins den virtuellen Adelsschlag verpasst. Die Plug-in-Bezeichnung ist dabei Programm, denn für rund 100 Euro erhält der Anwender nicht nur einen, sondern gleich vier simultan arbeitende und separat editierbare MS-404-Emulationen unter einem Dach präsentiert. Das GUI zeigt folglich vier virtuelle 19-Zoll-Frontblenden mit identischer Ausstattung, die zum fröhlichen und beherzten Schrauben einladen. Dabei hat sich Eisenberg im Großen und Ganzen am Aussehen und Layout der Vorlage gehalten. Lediglich die an der Hardware per Kippschalter einstellbaren Parameter sind im Plug-in über Text- und Symbol-Buttons realisiert worden. Neu und nur im Plug-in anzutreffen ist der Drive-Parameter ganz rechts, der beim Emulieren der Schaltung quasi als Nebenprodukt entstanden ist und für ein simultanes Übersteuern des Oszillators, des Filters und des Verstärkers sorgt.
Am Kopf des GUI finden sich schließlich acht Macro-Parameter über die sich bei Bedarf mehrere beliebige Parameter aus den vier Modulen mit einem Bedienelement steuern lassen. Wer mag kann etwa das Filter-Cutoff in allen vier Modulen mit einem Regler simultan steuern oder über einen Regler beispielsweise die Geschwindigkeit des ersten LFO im ersten Modul erhöhen und gleichzeitig die Geschwindigkeit des zweiten LFO im dritten Modul verringern. Per Links-Klick auf eine Parameter-Bezeichnung plus anschließendes Ziehen mit der Maus auf den gewünschten Macro-Parameter wird dabei ganz einfach eine Verknüpfung vorgenommen. Die Routings als solche erscheinen im GUI in Form weißer Linien und geben anschaulich Auskunft, welche Parameter die Macro-Regler steuern.

Wie hätten Sie es gerne? Unisono, zufällig, sukzessiv oder separat?

Aber warum gleich vier identische Frontblenden in eine Oberfläche packen, die alle einzeln eingestellt werden wollen? Eines hätte doch auch gereicht plus entsprechendem Polyphonie-Parameter. Die Antwort darauf findet sich im Voice-Modus-Reiter, rechts neben der Preset-Anzeige. Denn außer einem Unisono-Modus, in dem alle vier Einheiten gleichzeitig erklingen, lassen sich die vier Module auch im Split-Modus, sukzessive nacheinander, zufällig oder in zwei verschiedenen Akkord-Modi ansteuern. Sind jetzt unterschiedliche Sounds programmiert, kann im sukzessiven Revolve-Modus durch Druck auf eine Keyboard-Taste viermal hintereinander ein jeweils anderer Sound gespielt werden. Welches Modul dabei gerade spielt, zeigen die Tasten des virtuellen Keyboards farbcodiert an. Das erste Modul ist gelb, das zweite grün, das dritte magenta und das vierte cyan. Im Split-Modus zeigen sich dazu korrespondierend schmale farbige Linien oberhalb der Klaviatur, die per Maus editierbar sind und denkbar einfach das Erzeugen von Tastatur-Zonen für die einzelnen Module ermöglichen. Im Test programmieren wir uns synthetische Drum-Sounds, die wir darüber separat ansteuern, inklusive TR-909-typischer Pitch-Effekte in der Snare-Sound-Zone.

Kenner werden in diesem Konzept sogleich Parallelen zum legendären Oberheim Four-Voice Synthesizer entdecken, der ebenfalls über vier separat einstellbare, monophone Synthesizerstimmen verfügte. Im VIER Plug-in herrscht allerdings fast keine Stimmenbegrenzung. Bis zu 100 Stimmen sind gleichzeitig spielbar, einzustellen im Preferences-Menü, das überdies auch eine opulente MIDI-Controller-Matrix bereitstellt, um so gut wie jedem Parameter per Ausklapp-Liste eine eigene Controller-Nummer zuweisen zu können. Darüber hinaus lassen sich dort auch verschiedene MIDI-Kanäle auf die einzelnen Module routen, so dass ein vierfacher Multi-Mode realisierbar ist. Insgesamt sind damit schon einmal eine Reihe kreativer Möglichkeiten gegeben, die das Schrauber- und Soundbastler-Herz höher schlagen lassen.

Filter à la Mini-Moog

In Sachen Klangerzeugung geht es gleichermaßen übersichtlich wie kraftvoll zu. Ganz wie in der Vorlage steht lediglich ein Oszillator mit wählbarem Rauschgenerator, Sägezahn- oder Rechteck/Pulswelle als Klangerzeuger am Anfang der Signalkette. Via Pitch-Parameter ist die Tonhöhe einstellbar und ein Glide-Regler erlaubt das Einstellen einer Portamento-Funktion. Von dort gehts in den Moog-artigen Filter, der standesgemäß via Cutoff und Resonanz für mächtige Eingriffe in den Klang sorgt. Filter und Verstärker teilen sich eine einzige ADSR-Hüllkurve. Ihr Einfluss auf die jeweilige Sektion wird per Envelope- (Filter) und Accent-Regler (Verstärker) eingestellt. LFO1 ist fest mit der Oszillator-Tonhöhe verdrahtet, wobei wahlweise eine Pulswellen- oder Frequenzmodulation aktivierbar ist. LFO2 wirkt hingegen ausschließlich auf das Filter-Cutoff. Das war es auch schon in Sachen Klangerzeugung und Modulatoren. Der Clou: Die Oszillator-Sektion lässt sich auch auf Bypass stellen, so dass sich durch Aufreißen des Resonanz-Parameters in der Filter-Sektion auch ein sinusartiger Ton erzeugen lässt. Im Zusammenspiel mit dem LFO im Audio-Bereich kann auch dort schließlich eine einfache Frequenzmodulation realisiert werden.

Im Vergleich zu Analog-Boliden wie beispielsweise dem Mini-Moog, dem Prophet 5, Jupiter 8 oder CS-80, die gleich mit mehreren Oszillatoren pro Stimme, mehr Wellenformen, Oszillator-Sync und reichhaltigeren Modulationsmöglichkeiten daherkommen, klingt der Doepfer schon ungleich schmächtiger, um nicht zu sagen dünner. Doch damit wollte der MS-404 – Stichwort TB-303 – seinerzeit auch nicht konkurrieren. Auffällig ist der lupenreine Grundsound, der zwar unverkennbar analoger Provenienz ist, aber so glasklar und sauber daherkommt, als ob es sich um einen digitalen Synthesizer handelt, moderner Bauteile sei Dank. Im Plug-in, soviel sei schon jetzt verraten, findet sich nicht nur dieser Grundsound bis ins kleinste Detail authentisch emuliert wieder. Auch das klangliche Verhalten der einzelnen Sektionen ist akribisch nachempfunden worden.

Geheimwaffe LFO

Als synthetischer Tieftöner eingesetzt, ist auch das Plug-in in der Lage, knochentrockene Bässe zu produzieren, die mit stählerner Präzision daherkommen und es an nichts in Sachen Fülle mangeln lassen. Im Zusammenspiel mit der äußerst machtvollen Filter-Sektion stellen sich recht schnell die charakteristisch schmatzenden und pfeifenden Bass-Sounds ein, die seinerzeit so typisch für den Acid-Sound waren und sind, wenngleich mit einer individuellen Note. Dies ist nicht zuletzt auch das Verdienst des blitzschnell zupackenden Hüllkurven-Generators, mit dem es in Verbindung mit dem Rausch-Generator ein leichtes ist, eine immense Palette elektronischer Drum-Sounds zu produzieren. Schwebende, wohlig-weiche Flächensounds sind mit nur einem MS-404 nicht drin, aber dank des Konzepts des VIER-Plug-ins ab sofort kein Thema mehr. Im Test kopieren wir uns rasch ein Bass-Sound-Setting auf die übrigen Module, drehen leicht an den Tonhöhen-Reglern und schon breiten sich die virtuellen Doepfer-Sounds wie wabernder Bodennebel aus. Bereits zwei Module reichen, um einen Klang auf Magerstufe direkt in die Vollfett-Klasse bis 60% i. Tr. zu befördern. Beim Erklingen sämtlicher Module besitzt der Sound in Sachen Volumen gar Mascarpone-Qualitäten. Doch das ist zumindest in der virtuellen MS-404 Version nicht unbedingt vonnöten. Denn durch ein beherztes Aufdrehen des Drive-Parameters gewinnen sogar hohle Pulswellen-Sounds durch das Übersteuern von Oszillator, Filter und Verstärker an Kraft und Volumen. Je nach Stellung der Parameter ist ein deutliches Anreichern mit Obertönen hörbar, was Bass-Sounds einen gehörigen Schuss an Knurrigkeit verleiht sowie Lead- und Effekt-Sounds ein Schippchen mehr an Bissigkeit und Schärfe mitgibt. Dabei klingen die Ergebnisse unabhängig von der Reglerstellung bis hinauf zum Maximum durchweg ansprechend.
Doch das Beste haben wir uns für den Schluss aufgehoben: Die LFOs.
Dadurch, dass beide Niederfrequenz-Oszillatoren bis in den Audio-Bereich schwingen, sind mit ihrer Hilfe Klangfarben möglich, die manch legendäres analoges Schlachtschiff nicht zu bieten hat. So lassen sich metallisch klingende Teil-Spektren hinzufügen, schrille, kreischende Effekt-Sounds sind möglich und wohldosiert eingesetzt, ersetzen sie den fehlenden zweiten Haupt-Oszillator, so dass letztlich auf alternativem Weg nicht nur die üblichen, sondern auch teils ungewöhnliche Lead- und Effekt-Sounds realisierbar sind.
Trotz oder gerade wegen der überschaubaren Klanggestaltungs-Möglichkeiten besticht auch der virtuelle MS-404 mit einer farbenprächtigen Palette an Sounds. Die mitgelieferten Presets geben dabei eine anschauliche Vorstellung über das Klang-Potenzial dieses Klangerzeugers ab. Außer Presets, die weidlich die Möglichkeiten aller vier Module abdecken, finden sich auch zu gleichen Teilen Presets, die nur ein Modul im Einsatz haben. Das gibt uns die Möglichkeit, darauf aufbauend unsere eigenen Stack-Sounds zusammenzustellen. Denn nicht nur einzelne Parameter oder Sektionen wie etwa der Oszillator, das Filter oder die Hüllkurve lassen sich per einfachem Befehl kopieren und in ein anderes Modul einfügen, sondern auch die Settings eines ganzen Moduls. Noch besser: Das funktioniert sogar über Presets hinweg, so dass wir uns die Settings eines Moduls aus einem Preset kopieren und in das gewünschte Modul eines anderen einfügen.

Fazit

Eisenberg Audio legt mit seinem VIER Plug-in nicht nur eine höchst detailgetreue Emulation des analogen Doepfer MS-404 Synthesizers vor. Wie üblich bei Emulationen von Hardware-Vorlagen, erweitert auch der Berliner Hersteller die virtuelle Ausgabe um Features, die es so im Original nicht gegeben hat und nicht geben kann. Zuvorderst steht hierbei das Konzept der vier autark einsetzbaren Module. Diese Erweiterungen stehen voll und ganz im Dienst der Musikalität, die aus dem einstmals monophonen TB-303-Klon ein polyphones, markant klingendes Klangwerkzeug mit hohem Kreativ-Potenzial macht. Mit diesen Qualitäten empfiehlt sich VIER für alle Schattierungen des Dancefloor, Minimal-Electro, Industrial oder jedweder anderer Form ambitionierter elektronischer Musik.



Kommentare


von  Professional audio am 30.01.2015
Aufrufe  3425



Anzeige


Weitere interessante Artikel