Report Brauner Microphones
Report Brauner Microphones
Reportage Brauner Microphones
Dirk Brauner ist Autodidakt, ein Entwickler mit Leidenschaft für Tontechnik und Musik, dessen Firma Brauner Microphones im idyllischen Hamminkeln, am unteren Niederrhein im Nordwesten von Nordrhein-Westfalen, Schallwandler der Spitzenklasse fertigt. „Es hat sich damals im wahrsten Sinne einfach verselbständigt“, erklärt uns Brauner bei unserem Besuch in der Manufaktur, die sich trotz Weltruf eine überaus sympathische Bodenständigkeit bewahrt hat. Als sich Brauner 1993 dazu entschloss ein Mikrofon nach seinen eigenen Vorstellungen zu fertigen, hat er sich diesen Erfolg niemals träumen lassen. Vielmehr ging es dem leidenschaftlich Tüftler darum, ein Mikrofon zu entwickeln, dass zunächst seinem eigenen klanglichen Ideal entsprach. Brauner studierte alte Röhrenmikrofone und ging der Magie legendärer Schallwandler nach. Er entmystifizierte deren klangliche und technische Geheimnisse, beschäftigte sich aber gleichzeitig auch mit modernen Hightech-Mikrofonen und schuf auf der Basis seiner Erfahrungen und Erkenntnisse das erste VM1. Das sollte innerhalb kürzester Zeit als State-of-the-art-Röhrenmikrofon für Furore sorgen und legte den Grundstein für den weltweiten Erfolg der Firma Brauner Microphones. Schnell sprach sich Anfang der 1990-er Jahre das hohe technische und klangliche Niveau herum und kurze Zeit später begann Brauner mit den ersten Kleinserien des Mikrofons, das ursprünglich einmal für seine eigene kreative Arbeit gedacht war. Heute umfasst das Produktportfolio zwölf unterschiedliche Röhren- und Transistormikrofone unter denen sich klangliche Charakterköpfe, wie das VMX oder Phantera aber auch sehr natürlich klingende Schallwandler wie das Valvet oder Phantom befinden. Die Firma Brauner Microphones ist über die Jahre ihrer Philosophie treu geblieben und setzt weiterhin auf klangliche Ästhetik und kompromisslose technische Präzision. Brauner selbst versteht das Mikrofon in erster Linie als aktives künstlerisches Gestaltungsmittel und weniger als reinen technischen Gebrauchsgegenstand. Nichts desto trotz weiß jeder, der ein Brauner-Mikrofon schon einmal in der Hand hatte, dass sich diese exquisiten Schallwandler von der mechanischen Verarbeitung bis hin zu der Elektronik auf extrem hohem Niveau bewegen. Der Besuch in der kleinen Manufaktur zeigt warum: Es wird alles in Handarbeit, mit größter Sorgfalt und Leidenschaft gefertigt.
Brauner Microphones
Brauner Microphones
Brauner Microphones
! Irgendwann, ich war gerade 18, haben wir mit einem Pop-Projekt in einem professionellen Studio in Köln aufgenommen. Ich habe da eigentlich überwiegend die Keyboard-Arrangements eingespielt. Jetzt ging es darum die Backing-Vocals einzusingen, wozu ich mich direkt selbstbewusst bereit erklärte. Bis dato kannte ich allerdings aus Schülerbandzeiten nur die billigen dynamischen Mikrofone, die man eben so zur Hand hatte. Das hat mich zu der Fehlannahme verleitet, ich könnte singen. Plötzlich stand ich zum ersten Mal in meinem Leben vor einem richtig guten Röhrenmikrofon im Aufnahmeraum. Ich glaube es war ein U47 oder U67. Dann habe ich den Kopfhörer aufgesetzt und mich unmittelbar vor meinen eigenen Atemgeräuschen und der riesigen Weite erschreckt. Nachdem ich dann gesangsähnliche Lautäußerungen von mir gegeben hatte und im Regieraum alles vor Lachen zusammenbrach, stand ich zunächst peinlich berührt mit hochrotem Kopf und mutterseelenalleine in der Kabine. Aber das Erlebnis war nicht nur lehrreich, weil ich meine Stimme zum ersten Mal so hörte wie sie wirklich war, sondern es war gleichzeitig eine Initialzündung für mich, exzellente Mikrofone mit solchem Klang zu bauen. Von da an habe ich den Gedanken verfolgt, mein eigenes Mikrofon zu realisieren und bin schließlich durch learning by doing beim Konzept des VM1 gelandet.
! Ich war schon immer technisch interessiert und habe mir eine kindliche Neugier bewahrt. Also habe ich angefangen, viele alte Mikrofone zu studieren und mir genau angeschaut, warum sie gut klingen beziehungsweise, was deren Klangcharakter ausmacht. Dabei habe ich mich dann auch mit den Ausgangsübertragern beschäftigt und sogar einen eigene Trafos gebaut. Frei nach dem Motto: Wie wickel ich parasitäre Kapazitäten richtig? Der hat funktioniert, aber klang halt schrecklich. Mit der Zeit wusste ich dann, dass es auf präzise Lagenwicklung ankommt und auch, dass ein gescheites Kernblech-Material eine nicht unwichtige Rolle für den Klang spielt. So habe ich mich dann zwei Jahre lang, mit zahllosen schlaflosen Nächten, in das Thema herein gearbeitet. Bis ich dann irgendwann das erste VM1 fertig hatte.
! Das ist sehr unterschiedlich. Zum Teil spielen Alterungsartefakte eine wichtige Rolle. Ein Musterbeispiel dafür ist das U47. Die alten Membranen wurden aus PVC-Folie gegossen. Es gab also einen rotierenden Teller auf dem sich dann ein Tropfen PVC-Lösung langsam ausbreitete. Anschließend hat man die getrocknete Membran auf die Gegenelektrode aufgezogen und mit Gold bedampft. Im Laufe der Zeit schrumpft jetzt diese Folie und dadurch steigt die Resonanzfrequenz. Das führt zu der typischen Höhenanhebung, die von vielen Toningenieuren so begehrt ist. Gleichzeitig verflüchtigt sich aber auch der Weichmacher und die Membran versteift zunehmend. Das führt zu einem ganz spezifischen Klirrspektrum, das den Reiz und die Magie des U47 ausmacht. Das ist durch künstliche Alterung nicht reproduzierbar, ein bisschen wie bei einem guten Wein. Der wird mit dem Alter auch besser, aber irgendwann kippt er um. Da die Goldschicht auf der Membran nicht mitschrumpft, wirft sich das Material mit der Zeit auf und es entstehen feine Haarrisse. Das ist zunächst noch nicht so schlimm aber irgendwann reißen diese Goldflächen und sind dann nicht mehr miteinander verbunden. Die Kapazität der Kapsel ist im Eimer und sie muss ausgetauscht werden. Viele wundern sich dann, dass der Sound anschließend nicht mehr der gleiche und die ursprüngliche Magie des Mikrofons verloren gegangen ist.
Dirk Brauner
! Die Frage war: Wie kann ich ein Mikrofon von vornherein so bauen, dass es die magischen Klangeigenschaften alter Röhrenmikrofone hat und auch behält. Ich habe nie einen rein technischen Ansatz verfolgt, sondern meinem Ideal lag immer der Sound und nicht die Messkurve zugrunde.
! Für mich ist Mikrofon- und Tontechnik eine Kunst. Aus dem Grund verwende ich auch lieber den Begriff Audiographie anstatt Tontechnik, der analog zur Fotographie – Schreiben mit Licht – das Schreiben mit Klang bezeichnet. Für mich gibt es keine Eins-zu-eins -Reproduktion von klanglichen Ereignissen. Vielmehr geht es darum, die perfekte klangliche Illusion zu erzeugen. Nichts anderes geschieht auch im übertragenem Sinn beim Film und der Fotografie. Diesen Ansatz habe ich von jeher verfolgt und bei der Entwicklung der Mikrofone berücksichtigt.
! Was viele nicht wissen ist: Wir sind im Filmbereich ziemlich stark. Das hat damals in den USA mit Firmen wie Warner Brothers, Todd-AO und Disney angefangen. Institutionen, die sehr früh für ihre Filmmusik Brauner-Mikrofone verwendeten. Das habe ich eigentlich dem Film-Tonmeister Malcolm Luker zu verdanken. Luker war einer der ersten, der damals schon sechs VM1 hatte und sie regelmäßig eingesetzt hat. Von da an haben Leute wie beispielsweise Allen Myerson aus der amerikanische Toningenieurs-Gemeinde von meinen Mikrofonen erfahren und so hat sich der Name Brauner Microphones dann weiter in der Branche herumgesprochen.
! Eine witzige Anekdote war in jedem Fall diese: Der Toningenieur Al Schmitt hat ein Projekt in Deutschland mit Uwe Buschkötter aus Köln gemacht und ich hatte die Gelegenheit, für die Aufnahmen zwei VM1 beizusteuern. Wir saßen dann zusammen im Ü-Wagen am Pult und hatten die ganzen Vintage-Mikrofone und das VM1 anliegen. Dann schob Schmitt nacheinander die Fader hoch, so dass immer ein leichtes Rauschen zu hören war. Beim Kanalzug des VM1 angekommen, stutzte er dann kurz und dachte es wäre kaputt. Er wies seine Techniker an, einmal gegen das Mikrofon zu klopfen. Bei der Aktion fielen dann fast die Membranen aus den Lautsprechern und wir wussten, das Mikrofon ist nicht kaputt, es rauscht bloß nicht.
! Zunächst ist da ein großer Traum von mir in Erfüllung gegangen. Peter Gabriel war für mich immer einer der größten. Vor Jahren lernte ich bereits Dickie Chappell, den Chef-Ingenieur von Peter Gabriel, kennen. Jetzt ergab es sich, dass es ein Budget für neue Mikrofone gab und da haben die Real World Studios gleich fünf VMA gekauft. Die haben wir dann für eine Musik-Filmproduktion, einen National Geographic Film eingesetzt. Sea Monsters heißt der Film, und es handelt sich dabei um eine IMAX-Produktion in 3D.
Dirk Brauner
! Die Aufnahmen sind in Budapest entstanden. Das Orchester ist aus einem Jugendorchester hervorgegangen. Die Musiker sind aus reiner Spielfreude zusammen geblieben und waren einfach perfekt aufeinander eingespielt. Richard Evans, der zusammen mit dem anderen Gabriel-Gitarristen David Rhodes die Musik komponiert hat, saß dann vorne am Pult über den Partituren und erklärte: “In der nächsten Szene haben wir einen großen Fisch, der einen kleinen jagt und da brauchen wir Dramatik.“ Dann ging‘s gleich los und mit dem ersten Take war die Szene im Kasten. Es gab noch eine Alternative zur Sicherheit und dann war es das. Da merkt man einen deutlichen Qualitätsunterschied zu Produktionen, wo zahlreiche Takes nachher in aufwändiger Post-Produktion zusammengeschustert werden müssen.
! Ja. Ich hatte bei dieser Produktion die Chance mich völlig frei um die Mikrofonierung zu kümmern. Richard sagte einfach: „ Mach‘ mal.“ Das war eine tolle Möglichkeit, ein komplettes Orchester nur mit Brauner-Mikrofonen aufzunehmen und was soll ich sagen, es hat gut hingehauen. Neben den fünf VMA die ich in pentagonaler Anordnung als Surround-Hauptmikrofone eingesetzt habe, hatte ich noch 16 Phanteras als Stützmikrofone für das Orchester dabei. Die Raumatmo wurde zusätzlich mit einem Brauner ASM5 Surround-Mikrofonsystem eingefangen (siehe Foto). Das lief alles sehr unkompliziert und locker ab. Weniger locker war allerdings der Rücktransport der Mikrofone.
! Die Crew hatte keine Möglichkeit die Mikrofone mit nach England zu nehmen. Zudem hatten wir extra ein Rack mit fünf restaurierten Vintage-Vorverstärkern V76 gebaut. Wenn die auf dem Postweg verloren gehen, gibt es kaum eine Chance die Raritäten wiederzubekommen. Im Endeffekt haben wir dann Mikrofone und Rack mit dem Auto nach London gekarrt, also persönlich ausgeliefert.
! Peter Gabriel kam tatsächlich direkt mit Kaffee und der Keksdose um die Ecke und wir haben ganz in Ruhe über sein neues Projekt „Scratch my back“ gesprochen. Das Team war schon sehr begeistert von den Aufnahmen für Sea Monsters, bei denen ich zuvor in Budapest Mikrofonregie führen durfte und die 12 Phantera, die Peter dann im Rahmen seines neuen Projekts erneut als Stützmikrofone ausprobiert hat, sind dann jetzt auch erst mal da geblieben. Das freut und ehrt mich wirklich sehr.
! Es ergaben sich immer wieder Möglichkeiten, bei guten Produktionen dabei zu sein und sogar mitzuwirken. Allerdings ist das in den letzten Jahren bedauerlicher Weise immer mehr in den Hintergrund gerückt. Auch der Versuch, den Vertrieb auszulagern und dadurch mehr Freiheit zu bekommen, schlug ins genaue Gegenteil um. Das hat für uns überhaupt nicht funktioniert, trotz eines im Großen und Ganzen erstklassigen externen Vertriebsteams. Wir werden aber niemals Massenware in großen Stückzahlen herstellen und uns auf irgendwelche Preiskämpfe einlassen, sondern immer nur High-End-Mikrofone in überschaubaren Mengen bauen. Die Qualität, die unserem Anspruch als bedingungslose Perfektionisten gerecht wird, soll auf gar keinen Fall leiden, auch nicht unter Preisverfall und Marktdruck. Wenn diese Welt keine Brauner-Mikrofone mehr braucht, höre ich eben damit auf und mache etwas anderes. Es sieht aber ehrlich gesagt nicht so aus, als würde das so schnell passieren. Jetzt läuft auch der Vertrieb wieder über uns und ich möchte insgesamt wieder auf ein Level kommen, das es mir ermöglicht, meine kreative Freiheit mehr zu nutzen. Das ist der Punkt, wohin ich eben auch gerne mal wieder mehr zurück will – in den Bereich der Musikproduktion. Ich habe nie geplant, eine Mikrofon-Manufaktur ins Leben zu rufen und dann vollständig mein Leben darin zu verbringen. Eigentlich bin ich auch gar nicht in erster Linie nur Mikrofonhersteller. Es hat sich damals eben so ergeben und das ist auch wunderschön so und ich bin froh, dass es so gekommen ist. Aber ursprünglich habe ich die Mikrofone eigentlich auch mal für mich gebaut, um selber damit zu arbeiten. Genau das werde ich nun mehr tun und daraus entstehen dann ja auch die besten neuen Entwicklungen. Auch das VM1 ist ja damals voll in der Praxis entstanden. Alles andere bringt nichts. Wir bauen Mikrofone als Künstler für andere Künstler.
Dirk Brauner und Peter Gabriel
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