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Report Nordwand Filmsound

Report Nordwand Filmsound

Report Nordwand Filmsound

! Nein, wir kannten uns vorher nicht. Es gab drei oder vier Sounddesigner, die für den Film Nordwand angefragt wurden. Das erste Gespräch im Dezember 2007 in Berlin – ich dachte eigentlich es wäre eine Vorbesprechung zum Kennenlernen – war recht lange und am Ende hat mir Philipp Stölzl gesagt, dass er gerne mit mir arbeiten würde.

! Nein, aber es gehört zum Job dazu, dass man sich in die verschiedenen Themen hinein arbeitet und sich die wichtigen Hintergrundinformationen besorgt. Also habe ich mich dann über das Thema Bergsteigen informiert. Dabei waren natürlich besonders Details wichtig, die den Klang angehen. Beispielsweise die geschmiedeten Kletterhaken, die 1936 verwendet wurden.

! Naja, wichtig für den Film war der Sound, den die Haken beim Hereinschlagen mit dem Hammer in den Fels erzeugen. Je nachdem wie das Gestein den Haken annimmt, ändert sich der Klang: Er wird von Schlag zu Schlag höher. Ist das nicht der Fall, weiß der Bergsteiger sofort, dass der Haken nicht hält und er wahrscheinlich poröses Gestein erwischt hat.

! Dieses Detail hat mir Philipp Stölzl verraten, der sich zum Zeitpunkt unseres Treffens schon sehr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hatte. Bis dato hatte er schließlich zur Vorbereitung des Films bereits ein bis anderthalb Jahre mit wirklichen Bergsteigern (Double-Szenen) an der Eiger-Nordwand gedreht. In dieser Zeit sind die extremsten Bilder, die man im Film sieht, entstanden. Dadurch hatte Philipp Stölzl bereits viele wichtige Insider-Informationen. Viel wichtiger war aber noch, dass er genau wusste, wie der Film klingen soll. Authentizität war ihm sehr wichtig und er wollte dem Film einen gewissen Dokumentar-Charakter geben, um Nähe zu erzeugen, so als wäre man beim Aufstieg tatsächlich dabei.

Guido Zettier von den Ruhrsound-Studios

? Aber die Schauspieler und das Film-Team sind wohl nicht in die Nordwand eingestiegen und haben in luftiger Höhe gedreht, während ihr Ton-Leute beim Abseilen nach O-Tönen geangelt habt?

! Natürlich nicht. Die Hauptszenen sind in einer Kältehalle bei minus zehn Grad Celsius in Graz gedreht worden. Dort stand ein nachgebautes Stück Nordwand auf dem die Schauspieler dann sicher agieren konnten. Diese Szenen sind dann später mit den Orginal-Eiger-Aufnahmen im Schnitt zusammengefügt und am Ende mit Hilfe von Visual-Effects angeglichen worden. Für mein Team hatte die Kältehalle den Nachteil, dass es so gut wie keine brauchbaren O-Töne gab, weil es allein von der Klimatechnik sowie Wind- und Schneemaschinen viel zu viele Nebengeräusche gab.

? Wie sind denn dann die Töne im Nachhinein entstanden?

! Für den Film sind wir dann hingegangen und haben ab dem Aufstieg in der Nordwand fast alle Geräusche doppelt aufgenommen. Zum einen hat mein Foley-Team die Szenen im Studio vertont, zum anderen hat das Sound-Effects-Team in den Alpen die wichtigen Geräusche nachgestellt und aufgezeichnet. Wir haben dort beispielsweise alle Schneeschritte, Seilbewegungen, Erdrutsche, Schneeabgänge, Gerölllawinen oder Haken, die in die Wand geschlagen werden, nachgestellt. Für diese sehr aufwändige und auch teure Vorgehensweise ist es in Deutschland sehr schwierig von Filmproduktionen ein Budget zu bekommen. Ich habe mich trotzdem für diesen Weg entschieden und an anderer Stelle gespart, weil die Aufnahmen für den Sound des Films extrem wichtig waren.

? Erdrutsche und Gerölllawine, das hört sich gefährlich an.

! Die Lawinen- und Geröll-Sounds haben wir in einem Steinbruch aufgenommen. Der Eiger ist berüchtigt für seine Geröllabgänge und Lawinen, die häufig auch mit Schnee vermischt sind. Also haben wir von einzelnen kleineren Steinen bis hin zu größeren Brocken und kleineren Erdrutschen unterschiedliche Geräusche aufgenommen. Wir mussten viele Aufnahmen nachts durchführen, denn da wo Schnee liegt, sind meistens die Touristen nicht weit und die sollten natürlich nicht zu hören sein. Früh morgens fuhren dann immer schon die Schneeraupen für die Pisten, die man auch in drei Kilometer Entfernung noch auf den Aufnahmen gehört hätte. Also blieben oft nur die Abend- und Nachtstunden. Eher durch Zufall kam es zu einer besonders wichtigen Aufnahme für den gesamten Sound des Films.

Guido Zettier im Ruhrsound-Studio

? Und was genau war das?

! Es war eigentlich tagsüber etwas zu warm, was nachts aber zu einer leicht gefrorenen Schneeoberfläche geführt hat. Für die Aufnahmen der Schrittgeräusche war das aber ganz nett, denn man hörte immer zunächst ein leichtes Knacken der Schneedecke und dann das weiche und tiefe Einsacken in den Schnee. Für meinen Geschmack genau richtig, denn die Schritte sollten eben die eisige Kälte, aber gleichzeitig auch eine gewisse Schwere im tiefen Schnee haben. Gleichzeitig war aber auch bei jedem Schritt ein leises, eisernes ‚Krisseln‘ der wegrutschenden Schneeflocken zu hören. Das ‚Krissel‘-Geräusch entpuppte sich dann später als wichtiges Element, um Wind und Schneesturm klanglich zu gestalten. An vielen Stellen wurde es dem Wind-Sound beigemischt, um mehr Nähe und Frostigkeit zu erzeugen. Irgendwann dachte ich, es sei zu viel des guten und wollte diesen Sound wieder herausnehmen. Aber wir stellten fest, dass dieses subtile Geräusch für die emotionale Nähe zu den Protagonisten ganz entscheidend war.

? Wie haben sie den authentischen Klang hinbekommen?

! Wir haben die originalen Requisiten von den Schauspielern bekommen. Sehr wichtig waren beispielsweise die Nagelschuhe, die damals bei den Gebirgsjägern und Bergsteigern getragen wurden. Das sind eigentlich Bergschuhe, deren Sohlen komplett mit Nagelspikes bestückt sind. Für den Film hat sie ein österreichischer Spezialist originalgetreu nachgebildet. Bereits beim Gehen hatten sie einen einzigartigen Klang und gerade beim Wegrutschen auf Stein, bekommt man einen scharfen ganz eigenen Sound, der nicht so leicht imitiert werden kann. Natürlich hat auch der Geräuschmacher diese Schuhe bekommen, um am Ende mehrere klangliche Alternativen zu haben. Da das Foley-Team dasselbe Equipment wie wir hatte, waren die Basis-Töne weitestgehend aus einem Guss. Natürlich hatten wir auch die Jacken der Schauspieler. Die waren im Übrigen aus einfachem Leinen – unglaublich mit welchen Mitteln die damals losgezogen sind. Für den Dreh sind die mit Wachs behandelt worden, damit es gefroren aussieht. Klanglich konnten wir dadurch aber für den Filmton zunächst wenig rausholen. Um beispielsweise die Schlussszene, bei der Toni Kurz (Benno Fürmann) am Seil hängt und versucht seinen steifen Arm zu heben, klanglich zu gestalten, haben wir mit unterschiedlichem gefrorenem Material gearbeitet. Von einfachen Trockentüchern bis hin zu T-Shirts haben wir alles Mögliche eingefroren und dann vor dem Mikrofon langsam aufgebrochen. Das klingt dann nach Anstrengung und Qualen, hat aber mit den eigentlichen Jacken erst einmal relativ wenig zu tun.

Sample-Library-Verwaltung mit der Software Soundminer

? Ihr wart also in den Alpen unterwegs und dann hat das Foley-Team im stillen Kämmerlein an den Geräuschen geschraubt?

! So ungefähr, wir haben die Studio- und Außenaufnahmen die ganze Zeit getrennt gehalten, sind also doppelgleisig gefahren. Dadurch konnten wir sie dann später besser mischen, um die Geräusche nach unseren Vorstellungen zu gestalten.Beispielsweise haben wir bei den Schneeschritten beides benutzt: Das Geräusch von den Foleys hatte einen zusätzlichen Charakter als unser aufgenommener Schritt-Sound. Es hatte mehr Kraft und knirschte stärker, während unsere Aufnahmen crisper klangen und vor allem das Einsacken in tiefem Schnee gut wiedergaben. Die Kombination der Geräusche brachte dann aber erst den gewünschten Sound, der verdeutlicht, wie anstrengend dieser Aufstieg sein muss. Die Sounds für das ganze Handling, wie die Geräusche der Karabinerhaken und der Ausrüstung wurden wieder mehr vom Foley übernommen. Für die authentischen Seilgeräusche haben wir überwiegend auf die Aufnahmen aus dem Steinbruch zurückgegriffen, weil es doch wesentlich echter klingt, wenn man ein Seil tatsächlich mehrere Meter weit wirft. Wir hatten ein zehn und ein 15 Meter langes Seil. Dadurch konnten wir auch die Laufgeräusche durch einen Haken wesentlich besser simulieren. Das Foley-Team arbeitete meistens nur mit einem kurzen Stück. Das Geräusch wird dann schnell etwas monoton und klingt nicht sehr abwechslungsreich. So konnten wir immer auf die besten Sounds zurückgreifen und hatten genügend Alternativen und Kombinationsmöglichkeiten.

? Welche Rolle spielt das Sound-Design für die Emotionen in einem Film?

! Man kann in den Sport des Bergsteigens sehr viel hineininterpretieren. Wir haben versucht sowohl das erhabene Gefühl und das Gefühl von Freiheit umzusetzen. Gleichzeitig aber auch klanglich versucht zu verdeutlichen, wie wichtig beispielsweise das Seil und die Haken sind und natürlich wie gefährlich und lebensbedrohlich das Klettern sein kann. Durch die Inszenierung der Klänge haben wir es, glaube ich, sehr gut hinbekommen, dem Zuschauer die Situation am Berg realistisch nahezubringen. Sehr wirksam für die emotionale Dramaturgie waren die häufigen Gegenschnitte zu den Schaulustigen im Hotel Bellevue. Es hat die Situation in der Nordwand natürlich noch bedrohlicher erscheinen lassen, wenn auf eine Bergszene mit Schneesturm ein prasselndes Kaminfeuer folgt. Alleine die Bilder haben natürlich ihre Wirkung aber auch klanglich haben wir dann die wohlige Wärme umgesetzt und in starken Kontrast zu der eisigen Atmosphäre gestellt. Wenn der Zuschauer dann sozusagen wieder raus an den Fels muss, wirken natürlich auch die Geräusche viel brutaler.

Ruhrsound-Studio mit Guido Zettier

? Zentrale Elemente des Films sind Wind und Wetter sowie die Berg-Geräusche mit all ihren Facetten. Wie seid ihr dieses Thema klanglich angegangen?

! Der Großteil der Grund-Sounds stammt aus meiner Library. An Wind-Geräuschen haben wir insgesamt 168 verschiedene Sounds verarbeitet. Einfache Wind-Geräusche reichten aber auf Dauer nicht aus. Also haben wir ganz unterschiedliche andere Geräusche für die jeweilige Wettersituation verwendet. So kamen beispielsweise auch gefilterte Wassergeräusche, das ‚Krissel‘-Geräusch der Schneeschritte oder auch Stimmen zum Einsatz. Manchmal kommt es dabei auch nur auf einen bestimmten Resonanzton und Frequenzen an, den man aus unterschiedlichen Ausgangsklängen gewinnen kann und der dann dem Gesamt-Sound beigemischt wird.

Bei den Aufnahmen der Steingeräusche haben wir festgestellt, dass sich ein sehr interessanter hochfrequenter Passed-by-Sound ergibt, wenn ein Brocken am Mikrofon vorbei fällt. Dieses hochfrequente Geräusch haben wir für die Geröllabgänge noch weiter bearbeitet. Wenn wir schon dieses Geräusch bei kleineren Steinen gehört haben, müssen die Bergsteiger das auch bei den heftigen Geröllabgängen wahrgenommen haben. Diese spezielle Hörperspektive haben wir dann versucht im Film umzusetzen.

? Was hat es mit dem ominösen Eiger-Sound auf sich?

! Das war eigentlich die letzte große Herausforderung für das Sounddesign zu Nordwand. Wir wollten dem Berg einen Charakter, beziehungsweise eine eigene Stimme verleihen. Die Größe und dunkle Seite des Eiger war uns sehr wichtig. Erreicht haben wir das zum einen durch die Komponenten Wind, Schneeregen, Lawinen und Geröll. Zum anderen haben wir aber einen lebendig grummelnden Ton designt, der sich überwiegend in den tiefen bis oberen Mitten und subsonischen Frequenzen abspielt. Dieser ‚Bergton‘ verändert sich dynamisch im Verlauf des Films. Beispielsweise hört man ihn schon einmal bei gutem Wetter, bevor der Aufstieg beginnt. Der Sound bleibt da eher subtil im Hintergrund aber zeigt doch die Größe und dunkle Seite des Eiger. Diesen Sound haben wir dann sukzessive aufgebaut und der Story entsprechend verändert.

Einblick ins Sound-Archiv von Guido Zettier

? Was macht den charakteristischen Eiger-Sound aus?

! Wir haben beispielsweise stark verlangsamte und bearbeitete Metallgeräusche verwendet. Das tiefe brutale Ächzen des Metalls verdeutlicht eben sehr gut die Bedrohung durch die Natur und die Anstrengung der Bergsteiger im Kampf gegen den Berg. Dazu haben wir noch gewitterartige Sounds, Einschläge und Explosionen hinzu genommen, um Impulse zu setzen, die natürlich stark verlangsamt und gefiltert ihren ursprünglichen Charakter weitestgehend verlieren. Man hört am Ende natürlich nicht mehr die Metallschrottpresse oder ein herkömmliches Gewitter. Durch die richtige Kombination der einzelnen Elemente haben wir dann über die Dauer des Filmes versucht, den Berg dramaturgisch immer kräftiger werden zu lassen. Dabei ist vor allem Abwechslung ein wichtiges Stilmittel. Ein Beispiel: In einer Szene befinden sich die Bergsteiger in einer Nebelwand. Wir haben den Atmo-Sound an der Stelle stark auf die sehr nahen Geräusche wie den Atem oder die Schritte reduziert. Reflexionen wollten wir da kaum haben. Höchstens ein paar dumpfe, weit entfernte Geröll-Sounds. Das Klangbild wurde dadurch kleiner und enger, aber eben auch sehr nah. Durch den Kontrast mit den folgenden offenen Szenen entstand deutlich mehr Spannung. Dabei war es nicht einfach, diese Nebel-Atmosphäre zu schaffen. Wie klingt Nebel? Im Endeffekt habe ich verschiedene Atmo-Aufnahmen genommen. Zentral aber war das Geräusch eines eingefrorenen Flusses, den ich stark gefiltert und bearbeitet habe. So ist dann schlussendlich genau die erdrückende, intime Atmosphäre entstanden, die wir erreichen wollten.

? Womit bekommen Sie die mitunter sehr extremen Sounds hin?

! Die Hauptworkstation ist ein Pro Tools-System. An Effekten verwende ich unter anderem Waves-, Serato-, Audio Ease-Plug-ins sowie die GRM-Tools. Wichtige Plug-ins wie Doppler und Pitch Shifter kommen bei meiner Arbeit sehr häufig zum Einsatz. Die GRM-Filter eignen sich sehr gut, um extreme Sounds zu kreieren. Oft nehme ich auch das Sampler-basierte Ableton Live zur Hilfe oder Plug-ins von Native Instruments. Es gibt auch ältere Sachen, wie ein Lo-Fi und Recti-Fi von Digidesign, womit man manche Töne sehr schön aufrauen kann. Zur Verwaltung der Sounds arbeite ich mit der Software Soundminer. Da lassen sich alle Sounds übersichtlich verwalten, bearbeiten, umkehren mit Effekten versehen und dann direkt in die Pro Tools-Session einbinden.

? Was ist für Sie beim Sound-Design im Allgemeinen und war für den Film Nordwand entscheidend?

! Für mich geht es im Endeffekt um Frequenzen und deren rhythmische Gestaltung. Durch die kreative Arbeit mit Klängen und Geräuschen versuche ich den Filmen eine weitere Ebene hinzuzufügen. Bei Nordwand war es eben sehr wichtig, dass der Klang immer noch glaubwürdig und authentisch bleibt und nicht übertrieben klingt. Dann gelingt es auch, den Zuschauer unaufhörlich in den Film hineinzuziehen und ihn zu fesseln. ! Herr Zettier, vielen Dank für das interessante Gespräch.

Guido Zettier bei der Arbeit am Film Nordwand



Kommentare


von  Professional audio am 19.08.2009
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