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Technik Surroundsound in der Praxis

Technik Surroundsound in der Praxis

Technik Surroundsound in der Praxis

Technik: Surround-Sound in der Praxis Teil 3

Surround-Sound in der Praxis

Sofern es Ihnen möglich ist, sollten Sie Atmosphären immer in Stereo aufnehmen. Hierfür eignet sich das A-B-Verfahren hervorragend, da sich durch die Laufzeitunterschiede der beiden Mikrofone eine sehr gute Räumlichkeit des aufzuzeichnenden Ortes ergibt. Als Faustregel gilt: Je größer und weiter der Ort, den Sie einfangen möchten, desto größer können Sie die Mikrofonabstände wählen, zum Beispiel drei Meter, und desto mehr lohnen sich auch Surround-Aufnahmen mit vier oder mehr Mikrofonen. Die Ausdehnung der Lavendelfelder in den Filmen „Das Parfüm“ beispielsweise oder die herrliche afrikanische Savanne in „Blood Diamond“ hätte sich mit einer reinen stereofonischen Klein-AB in 17,5 Zentimeter Abstand so nicht erzählt, denn Weite und Tiefe eines Raumes wird vor allem erzeugt durch Diversität und Diffusität der Signale.

Für kleine Räume sollten Sie sich daher den Aufwand einer Surround-Aufnahme sparen, denn der klangliche Unterschied der aufgezeichneten Front- und Surroundsignale wird wenig bis überhaupt nicht hörbar sein und in der Mischung keine Vorteile bieten. Wie aber wird nun eine Surround-Aufnahme in der Praxis durchgeführt? Gängige Methode ist eine Aufstellung von vier Mikrofonen als eine Art Doppel-AB: zwei Mikrofone mit Nieren-, oder Kugelcharakteristik, zum Beispiel Sennheiser MKH 40 oder MKH 20, für die Kanäle links und rechts und zwei weitere Mikrofone für den linken und rechten Surround. Wie weit Sie die vordere und die hintere AB voneinander entfernt aufstellen, hängt von der akustischen Beschaffenheit des Raumes ab, den Sie einfangen wollen. Die Surround-Mikrofone sollten möglichst einen unterscheidbareren beziehungsweise diffuseren Klang abbilden als die Frontmikrofone. So erhöhen Sie den umhüllenden Effekt. Eine quadratische Anordnung – Stichwort: Quadrophonie – liefert in den meisten Fällen aber schon sehr gute Klangergebnisse.Je stärker die Kanäle links und rechts dekorrelieren, das heißt, je größer der Abstand der beiden Mikrofone zueinander, desto weniger kann die Mitte des Stereobildes abgebildet werden und desto größer das entstehende „Loch“.

Dies ist bei weitem nicht so tragisch, wie bei Musikaufnahmen mit demselben Verfahren, im Gegenteil: Das Mittenloch schafft Platz für wichtige Elemente, die in der Mitte stattfinden müssen, wie Dialoge und Geräusche. Behalten Sie jedoch stets im Auge oder besser gesagt im Ohr, dass Ihre Atmosphäre auch zur Dialogspur im Mittenkanal passt. Oft kann eine ähnlich klingende (Mono-)Atmosphäre, zum Beispiel aus dem Originalton im Centerkanal hilfreich sein und für eine Verschmelzung mit dem Dialog und anderen Tönen sorgen. Wenn Sie eine 5-Kanal-Aufstellung wählen, die ein zusätzliches Center-Mikrofon beinhaltet, erhalten Sie dieses Verschmelzungs-Element synchron zu Ihrer Surround-Aufnahme. Der Vorteil liegt auf der Hand: Sie können das Center-Atmosignal in der Mischung immer noch ohne Klangeinbußen weglassen, sollte dieses sich als störend erweisen.

Quadrophonie-Anordnung für eine Surround-Aufnahme von Atmos

Nachteil der echten Surround-Atmos: Bestimmte Klangverhältnisse können im Nachhinein nicht so leicht verändert werden. Sie können innerhalb der Mehrkanalaufnahme beispielsweise nicht punktuell verändern, welche atmosphärischen Ereignisse in den Frontkanälen und welche im Surround geschehen sollen ohne das originale, räumliche Klangbild aus der Balance zu reißen. Auch aus diesem Grund reichern Profi-Sounddesigner die Basis-Surround-Aufnahmen mit Stereo- oder sogar Mono-Atmosphären an. Diese können dann gezielt vom Mischtonmeister im Raum verteilt werden. Aber auch hierbei gilt: Je greifbarer Signale aus den Surroundkanälen tönen, desto bewusster wird sie der Zuschauer lokalisieren können und desto mehr könnte seine Aufmerksamkeit vom Bildgeschehen abgelenkt werden. Die übermäßig starke Einbeziehung des Surrounds besonders für konkrete Ereignisse wie Sprache, Geräusche oder strukturierte Anteile von Atmosphären gehört zu den größten Gruben, in die Anfänger fallen können. Das Vorhandensein von sechs Kanälen bedeutet nicht automatisch, dass alle Kanäle auch durchgehend mit Signalen gespeist werden müssen. Betrachten Sie die Surround-Kanäle als Erweiterung des Raumes und die Frontkanäle als Klangschwerpunkt, aus denen in jedem Fall der Großteil der Atmosphären erklingen muss. Der Effekt des umhüllenden Klangs verpufft, wenn Sie ihn ununterbrochen benutzen.

Wie die Atmosphären ist auch die Musik im Film meist Träger von Emotionen, allerdings auf einer ganz eigenen, noch weniger bild-gebundenen Ebene (siehe Folge 2, Heft 10/2009). Ob in einfachen oder komplexen Strukturen: Musik ist ein wichtiges Teilelement des Filmtons, dessen Wahrnehmung durch den Zuschauer ebenso geschickt gelenkt werden muss wie für alle anderen Elemente. Sie braucht Platz, um zu wirken. Deshalb ist eine frühe Zusammenarbeit zwischen Filmmusikkomponisten und Sounddesigner wichtig und sinnvoll. Oft verschwimmen die Grenzen zwischen geräuschhaftem Sounddesign und musikalischen Strukturen. Es muss beispielsweise keine tieffrequent wabernde Atmosphäre angelegt werden, wenn die Bedrohlichkeit einer Szene komplett durch Kontrabässe und Klavier erzeugt wird – es sei denn, die atmosphärischen Klänge ergänzen diese Stimmung durch neue Farben. Bevor Sie jedoch mit emotionsgeladenen Tönen die Herzen des Publikums zum Schmelzen bringen, werden Sie Ihre Komposition aufnehmen wollen – sofern es sich nicht um synthetische Klänge handelt – und sich berechtigterweise die Frage stellen, ob sich auch hierfür Surround-Aufnahmen lohnen. Die Antwort darauf ist sowohl sehr einfach als auch sehr komplex. Echte Surround-Mikrofonierungen eignen sich nur in sehr guten, größeren Räumen, beispielsweise bei Orchesteraufnahmen. Für größere Ensembles hat sich vor allem das Decca-Tree-Verfahren etabliert. Dabei handelt es sich um eine Aufstellung von drei Kugelmikrofonen, die in sehr großem Abstand von bis zu zweieinhalb Metern ein gleichseitiges Dreieck und die Signale Links, Center, Rechts bilden (Näheres hierzu siehe Workshop Ensemble-Aufnahmen, Ausgabe 12/08).

Im direkten Vergleich zu einer reinen AB-Aufstellung erzeugen Aufnahmen mittels Decca-Tree-Verfahren ein sehr kraftvolles Klangbild. Mit Hilfe des Centermikrofons vor dem linken und rechten Schallwandler entsteht eine sehr stabile Mitte mit hoher Lokalisationsschärfe. Da im Filmkontext Homogenität und Klangdichte der Musik eine wesentlich wichtigere Rolle spielen als gute Durchsichtigkeit und Lokalisation, bevorzugen einige Tonmeister deshalb eine abgewandelte Decca-Tree-Aufstellung mit einem Centermikrofon hinter den Seitenmikrofonen, um eine indirektere Mitte zu erhalten. Denn bei einem im Stereobild sehr präsenten Mittensignal der Decca-Tree-Aufnahme besteht unter Umständen die Gefahr der Verdeckung des Dialogs und der akustischen Ereignisse auf dem Centerkanal.

Stützmikrofone der einzelnen Instrumentengruppen werden in der Filmmusik und deren Mischung sehr viel stärker herangezogen als in der klassischen Musikproduktion. Da diese Art der Musik im festen Kontext des Mediums Film steht, muss sie sich auch nur in Zusammenhang mit den bewegten Bildern erklären und nicht aus sich selbst heraus. Der Rezipient akzeptiert deshalb eine ungewöhnliche Klanggestaltung der Musik, zum Beispiel durch die Panoramaverteilung, sehr viel eher als ohne den Zusammenhang mit dem Bild.

Durch behutsames Beschicken der Surroundkanäle mit Raumanteilen – real aufgenommen oder durch ein Hallgerät erzeugt – erreichen Sie, dass sich die Musik von der Leinwand abhebt und somit auch eine mehr oder weniger starke dramaturgische Distanz zum Leinwandgeschehen einnimmt. Je größer und weiter die Musik im Film erklingen soll, desto mehr Raumanteile können auch in die Surroundkanäle gemischt werden. Achten Sie jedoch darauf, dass die Ortung des musikalischen Geschehens stets vorn stattfindet. Ein solistisch agierendes Instrument sollte nicht direkt auf den Center gelegt werden, da es sonst wohlmöglich ungewollt auf die Ebene des Dialogs gerät. Eine leicht seitlich platzierte Solo-Klarinette, zum Beispiel zu gleichen Teilen auf Center- und linkem Kanal, führt zur Phantomschallquellenbildung und somit zu einem distanzierteren, indirekteren Klang.

Am Schluss dieser Folge möchten wir Sie nochmals ermutigen, sich Ihren Lieblingsfilm mit einem offenen und analytischen Ohr zu nähern. Versuchen Sie mehr zu hören, als nur den Ton zum Bild. Was passiert außerhalb des Visuellen? Wie wurde durch Atmosphären die Szene klanglich erweitert und woher kommen diese Sounds? Wie wurde die Musik eingesetzt? Wie wurden visuelle Effekte im Ton umgesetzt? Je öfter Sie sich auf diese Art Filmen und deren Tongestaltung nähern, desto mehr Ideen und Inspirationen erhalten Sie für Ihre eigenen Projekte. In der letzten Folge unserer Serie werden wir einen Blick auf den Umgang mit Pegeln sowohl im Kino als auch im TV werfen -und wir werden einen ausgewiesenen Filmtonprofi zu Wort kommen lassen.



Kommentare


von  Professional audio am 15.09.2009
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