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Technik Abtastraten Teil 2

Technik Abtastraten Teil 2

Technik Abtastraten Teil 2

Musikalisch-künstlerische Aspekte der Audioübertragung Teil 2

Aus dem im ersten Teil durchgeführten Selbstversuch lässt sich leicht nachvollziehen, dass unser Hörsystem aus den komplexen Rückwürfen des Raumes, selbst bei einem so zarten Signal wie dem Ticken einer Uhr, sofort Informationen über die Beschaffenheit des Tickens zu ziehen und diese dem wahrgenommenen Klang zuzuordnen scheint; ganz zu schweigen davon, dass wir sogar noch Informationen über die Beschaffenheit des Raumes extrahieren. Verinnerlicht man dieses Beispiel, mahnt diese Erfahrung deutlich, unser Hörsystem nicht zu unterschätzen. Evolutionswissenschaftler erklären übrigens das hohe zeitliche Auflösungsvermögen des Hörsystems dadurch, dass präzises Richtungshören für den Urmenschen als Jäger überlebenswichtig war. Auch die Art der Geräusche zu erkennen, war unter Umständen entscheidend über Leben und Tod. Für die bewusste Wahrnehmung extrem hoher Frequenzen an sich zeigt uns die Evolutionsgeschichte allerdings keine Notwendigkeit.

Aus einer strukturiert über die Zeit ablaufenden komplex gestalteten Klangverteilung wird Musik. Diese Komplexität spiegelt sich wider in der Frequenzbandbreite des Musiksignals von etwa 45 Kilohertz. Die hochfrequenten Anteile erfordern eine hohe Genauigkeit, insbesondere bei niedrigen Signalpegeln. Das menschliche Hörsystem ist in der Lage, diese komplexen Strukturen zu verarbeiten, deshalb muss auch das technische Übertragungssystem dazu in der Lage sein.

Ralf Koschnicke von Acousence Records

Damit aber nicht genug: Eine zusätzliche Unbestimmtheit im Zeitbereich ergibt sich aus der zwar allgemein gebräuchlichen, aber eigentlich „zurecht gebogenen“ Anwendung des Abtasttheorems. Die zentrale Forderung des Theorems bezüglich der doppelten Abtastrate ist bei jeder Digitalisierung unbedingt einzuhalten, um sogenanntes Aliasing (künstlich generierte Spiegelfrequenzen) zu vermeiden. Das Nutzsignal wird nun dazu vor der Digitalisierung einfach künstlich auf eine Bandbreite gleich der Hälfte der Abtastrate beschnitten. Um dabei aber eine genügend große Sperrdämpfung des Filters zu erreichen, werden fast ausschließlich symmetrische FIR-Filter eingesetzt, und diese Filter sind zwar messtechnisch gesehen phasenlinear, erzeugen jedoch stattdessen sogenanntes Ringing, künstlich erzeugte im Originalsignal nicht vorkommende Ein- und Ausschwingvorgänge (siehe Bild eins). Das Diagramm zeigt, welche Vor- und Nachschwinger in Abhängigkeit von der Steilheit der Filter generiert werden. Die beiden Diagramme in Bild zwei und drei beschreiben den gleichen Zusammenhang in Abhängigkeit von der Abtastrate. Zuerst die Filtercharakteristik, die so nötig ist, um das Abtasttheorem zu erfüllen. dann die dazugehörigen Impulsantworten. Besonders wichtig ist nun aber die dadurch verursachte Spreizung des Energieinhalts des Signals, weil für die akustische Wahrnehmung immer der Energieinhalt eines Signals die entscheidende Kenngröße darstellt. Wie man hier deutlich erkennen kann, ist die Energieverteilung bei Abtastraten unter 96 Kilohertz ganz erheblich in der Zeit verschliffen (siehe Bild vier). Das zeitliche Gefüge des Nutzsignals wird also bei der Digitalisierung, insbesondere bei Abtastraten unter 96 Kilohertz, durch zwei Effekte verändert: Zum einen führt die Bandbegrenzung zu einem „Zeitfehler“, weil Frequenzanteile abgeschnitten werden, zum anderen erzeugen die Aliasingfilter eine Spreizung des Signals und verschmieren die Struktur zusätzlich. Letzteres muss besonders kritisch beurteilt werden, weil dies die so wichtigen natürlichen Einschwingvorgänge maskiert und deshalb das Signal ganz besonders verfremdet werden.

Bild 1 Bild 2

Selbst in der gesamten Analogtechnik gibt es solche Effekte nicht. Ein analoger Filter würde bei Verringerung der Bandbreite das Nutzsignal zeitlich dehnen, aber immer nur in Richtung stärkeres Nachschwingen, so wie es jedes reale Instrument tut. FIR-Filter bringen durch „mathematische Tricks“ die natürliche Physik der Klangerzeuger durcheinander. In Musikbeispielen kann man nun diese Überlegungen sehr schön verifizieren. Einzig die Frage, welcher Prozess für den gehörten Effekt stärker verantwortlich ist, die verminderte Zeitauflösung durch die Begrenzung der Frequenzbandbreite oder die Verschmierung der zeitlichen Abläufe durch das Ringing der FIR-Filter, ist nicht eindeutig zu klären. Beides bedingt sich aber gegenseitig, und somit ist die präzise Klärung der Frage eigentlich auch eher zweitrangig. Wichtig festzuhalten bleibt allerdings: Die Digitalisierung verändert das zeitliche Gefüge des Originalsignals. Je geringer die Abtastrate und damit die Frequenzbandbreite, umso stärker ist dies der Fall. Ganz besonderer Augenmerk gilt der „zeitlichen Verzerrung“ vor dem eigentlichen Ereignis, weil diese Art Verzerrung besonders unnatürlich ist und gleichzeitig dieser Bereich für das natürliche Hören so wichtig ist. Bei einer Abtastrate von 96 Kilohertz erfüllt man die durch die Beschaffenheit des Musiksignals gestellten Anforderungen, und die Ringing-Effekte der Filter sind sehr deutlich reduziert. Es findet fast keine zeitliche Verfremdung des Originalsignals mehr statt.

Bild 3 Bild 4

Bild 4

Bild 5

Im Gegensatz zu den beträchtlichen Verlusten beim CD-Format ist dieser zusätzliche Gewinn jedoch eher gering, da das Nutzsignal die zusätzliche Bandbreite schlicht nicht erfordert. Eine Art Rennen um immer höhere Abtastraten oder ganz andere Verfahren wie DSD bei der SACD nach dem Motto „mehr ist besser“ ist in jedem Fall völlig unsinnig. Die Aufzeichnung und Musikdistribution mit 24Bit/96 Kilohertz oder 24Bit/192 Kilohertz ist bereits sehr leicht machbar. Prinzipielle Vorbehalte gegenüber digitaler Audioaufzeichnung sind unbegründet. Die von Kritikern oft angeführten Defizite gelten für Digitaltechnik erster Generation, denn nur gegenüber dem CD-Format sind die analoge Bandaufzeichnung und insbesondere auch die analoge Vinylplatte deutlich im Vorteil. Da der Umstieg auf eine Abtastrate von 96 Kilohertz nicht mehr das geringste Problem darstellt, ja sogar 192 Kilohertz recht leicht handhabbar ist, sollten nun, nach etwa 25 Jahren CD, endlich der digitalen Audiotechnik auf breiter Front die Eckdaten verschafft werden, die sie eigentlich schon immer hätte besitzen müssen. In Anbetracht der begrenzten technischen Möglichkeiten bei Einführung der CD zu Beginn der 1980er Jahre sind die genannten Einschränkungen zu verstehen, heute gibt es aber weder für die CD, noch erst recht nicht für MP3 und andere datenreduzierte Formate, weiterhin die geringste technische Daseinsberechtigung.

Bild 6



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von  Professional audio am 15.09.2009
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