Cookie Consent by Free Privacy Policy Generator website
MyOwnMusic

Magazin

Report c/o Pop Convention

Report c/o Pop Convention

Report c/o Pop Convention

Report c/o Pop Convention

Die Absage der Popkomm 2009 in Berlin war vielleicht für den einen oder anderen Branchen-Träumer noch ein Schock. Für die meisten Musikindustriellen aber in erster Linie die zu erwartende logische Konsequenz einer sich gesundschrumpfenden Branche. Was des einen Leid, ist aber bekanntlich häufig auch des anderen Freud und so lächelten Norbert Oberhaus, Geschäftsführer der c/o Pop GmbH, der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma und die NRW-Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie, Christa Thoben bei der Eröffnungsveranstaltung der c/o Pop 2009 zufrieden in die Kameras. Oberhaus, weil ihm Unterstützung von Stadt und Land zugesichert wurde und mit seiner Firma zu den fünf Gewinnern des Landeswettbewerbs „Create-NRW“ gehört und er sich deswegen entgegen des Branchentrends über rote Zahlen in Zukunft eher weniger Gedanken machen muss. Schramma und Thoben, weil sie die c/o Pop als viel versprechenden Nachfolger der nach Berlin abgewanderten Popkomm in Köln feiern können. Mit rund 1000 akkreditierten Besuchern der Convention, zu der über 100 Referenten aus mehr als 30 Ländern geladen waren und einem Besucherrekord des Festivals von über 32.000 Teilnehmern, kann der Veranstalter mehr als zufrieden sein. Vorträge, Diskussionen, Workshops und Informationsstände der Convention fanden in den Räumlichkeiten des Schauspielhauses und den Opernterrassen statt. Zwei Konzertnächte gab es sogar in der Kölner Philharmonie. Bei so viel kultureller Loyalität erscheinen die Worte von Dieter Gorny, Präsident des Bundesverbands der Musikindustrie, bei der Diskussionsrunde Werte 2.0 – Geistiges Eigentum und Urheberschaft im digitalen Zeitalter – doppelt so scharf. Er verstehe nicht, wie beispielsweise im Ruhrgebiet ein subventionierter Konzertsaal nach dem anderen gebaut würde, während junge Nachwuchs-Bands auf dem freien Markt meist alleine dastünden und unter ökonomischen Gesichtspunkten kaum eine Chance hätten. „Man hört immer wieder, das Live-Geschäft sei die Zukunft“, schlägt ein Teilnehmer aus dem Auditorium in die gleiche Kerbe „aber das ist Quatsch. Vielleicht für die großen Künstler und Stars, das mag ja sein. Aber ein Newcomer wird in der Regel am Eintritt der Clubs, in denen er spielt, beteiligt und da sind manchmal auch nur 18 zahlende Gäste.“

c/o Pop Convention 2009

Ein Komponist meldet sich zu Wort, der empört den Untergang seines Berufsstands prognostiziert, wenn nicht vehement für die Urheberrechte und die Vergütung von geistigem Eigentum gekämpft würde: „Komponisten und Textdichter erstellen kein physisches Wirtschaftsgut. Wir verkaufen auch keine CDs oder Noten-Editionen, sondern schaffen die Basis des Ganzen. Es kann eben nicht jeder ‚Yesterday‘ schreiben. Ich erwarte, dass geistiges Eigentum geschützt wird.“

Dem gegenüber steht die Meinung von Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, der mit seinen Statements zur Freiheit im Netz immer wieder Salz in die offene Kreativ-Wunde streut. „Das urdemokratische Brecht-Ideal sei fast erreicht. Der Empfänger werde zum Sender“ erklärt Krüger. Bilder von den eingerissenen Zäunen beim Woodstock-Festival werden bemüht und die Netzkultur als unaufhaltsame, ungehorsame Bewegung dargestellt, die ihr Recht auf kostenlose Informationsbeschaffung einfordert. Eine Entwicklung die kaum aufzuhalten sei, wie Susanne Prinas-Preisendörfer, Professorin für Musik und Medien an der Universität Oldenburg, erklärt. Nach fast anderthalb Stunden hitziger Diskussion ist klar: Es gibt keinen eindeutigen Plan, wie die Entwicklungen im Internet aufgehalten werden können und auch keinen allgemeingültigen Konsens, ob harte Regulierungen überhaupt der richtige Weg sind. Fakt ist aber, wenn nicht ganz entschieden gegen die Enteignung der Urheber vorgegangen wird, können diese in einem zunehmend urheberrechtsfreien System kaum überleben. Die Folge: Ohne die kreativen Keimzellen fehlt der gesamten Verwertungskette die elementare Grundlage.

Andere Zweige der Entertainment-Branche bieten dagegen auch für die Musikindustrie neue Grundlagen. Stichwort: Games. Ein boomender Markt, der besonders auch für die Musikindustrie interessante Möglichkeiten bietet. Passend dazu gibt es ein sogenanntes Panel, welches sich mit kreativen Kooperationen beschäftigt. Aber auch der TV-Sektor schläft nicht. TV & Music heißt die Veranstaltung, an der gleich vier Geschäftsführer (Tobias Trosse von Putpat TV, Conrad Fritsch von tape.tv, Ibrahim Evsa von Sevenload und Tobias Fröhlich von Q-Tom) ihre Firmen präsentieren. Während Sevenload ein ähnliches Prinzip wie YouTube verfolgt –aber ausschließlich mit legalem lizensierten Content – haben Trosse, Fritsch und Fröhlich ein etwas anderes Ziel: Musikfernsehen soll wieder salonfähig werden. Allen drei Firmen gemeinsam ist das stark personalisierte TV-Konzept. Der Zuschauer bestimmt sein Programm selbst und bekommt individuell auf seine Bedürfnisse zugeschnitten Musik-Clips geliefert. Dabei können Genre, Stimmung oder auch das Tempo der Musik festgelegt werden. Am Ende soll jeder das sehen und hören, was er möchte. Eine andere clevere Geschäftsidee stellt Dany Schwarzl, Geschäftsführer der Livebeats Communication AG, an einem der insgesamt überschaubaren Anzahl von Messeständen im Kölner Schauspielhaus vor.

c/o Pop Convention 2009

„Es geht“, so Schwarzl, „um die größte Bühne der Welt und die Möglichkeit, Online-Konzerte zu veranstalten, an denen Fans auf der ganzen Welt teilnehmen können.“ Dafür braucht man im Grunde nur eine Webcam und die Möglichkeit, das Audio-Signal der Live-Performance direkt ins Netz zu übertragen. Livebeats bietet virtuelle Konzerte in HD-Qualität. Eintrittsgelder können erhoben und Gästelisten für VIPs und Medienvertreter sind auch kein Problem. Allerdings findet alles rein virtuell im Netz statt.

„Die Seite befindet sich noch in der Testphase“, erklärt Schwarzl, „soll aber ab November endgültig starten.“ Auf diesem Weg können sich Fans und Künstler näher kommen und über ein Chat auch direkt miteinander kommunizieren. Auch wenn fraglich ist, ob der einzigartige Moment eines Live-Konzerts wirklich ersetzt werden kann, bietet Livebeats die Möglichkeit, Konzerten internationaler Künstler beizuwohnen, ohne für ein Konzert um die halbe Welt reisen zu müssen. Außerdem können Newcomer, Labels oder Bandmanager Showcases veranstalten, die von jedem mit einem Internetanschluss ohne großen zeitlichen und finanziellen Aufwand besucht werden können. „Das Pricing für unser Angebot ist noch nicht ganz geklärt“, erzählt Schwarzl „aber die Basisnutzung soll bei rund fünf Euro im Monat losgehen.“

An einem weiteren Stand wird die webbasierte Reverber-Software vorgestellt. „Sie wurde für die Ansprüche professioneller Promotion-Agenturen, Labels, Vertriebe sowie erfahrener Produzenten und Musiker entwickelt“, erklärt uns Firmengründer Partick Lawritsch. Die Software bildet Promotion- und Marketing-Prozesse für Musik ab. Dabei bietet sie die Möglichkeit, diese komfortabel zu steuern und zu überwachen. Lawritsch, der selbst das Raggae-Label Rootdown seit Jahren führt, weiß, wo die Probleme liegen und hat mit der Reverber-Software ein effizientes Tool entwickelt, das besonders kleineren und mittleren Labels die Arbeit erleichtern soll. Duncan Freeman ist Erfinder des Band-Metrics-Moduls, das er auf der Convention präsentiert. Ausgangspunkt seiner Überlegungen: Im undurchsichtigen Netz-Dschungel von YouTube, Myspace und Co. ist es zunehmend schwerer, tatsächliche musikalische Potentiale zu sichten. Band Metrics soll bei der Marktforschung im Netz helfen. Duncan Freeman möchte der modernen Musikwelt die richtigen Informationen liefern, will die Beliebtheit der Künstler messbar machen. Dabei sammelt die webbasierte Softaware Daten darüber, wer welche Tracks eines Künstlers auf welcher Plattform hört oder welche Konversationen in den social networks laufen. Das hilft Bands und Plattenfirmen gleichermaßen, gezielte Marketing- oder Promotion-Aktionen zu planen und verwertbare Fakten aus der unüberschaubaren Flut von Informationen herauszufiltern. Die Beta-Version zum kostenlosen Ausprobieren ist bereits am Start und angeblich hat die Firma bereits sieben Millionen Künstler und 1,3 Millionen Songs analysiert.

Brauchen Künstler in Zeiten von Web 2.0 noch Plattenfirmen und Labels? Diese Frage diskutieren auf der Bühne in den Opernterrassen Martin Öz, Sänger der Indie-Pop-Band The Whitest Boy Alive, Birgit Hoff von Smarten-Up und Jürgen Söder vom Licensingdepartment. Der Do-it-yourself-Musiker Öz erzählt locker, wie er die Vermarktung seiner Band selbst in die Hand genommen und auch ohne Label weltweit 30.000 Debütalben verkauft habe. Er setzt auf den reinen Indie-Gedanken und scheint dabei mit seiner Band sehr erfolgreich zu sein. Söder stellt allerdings die Vermutung auf, dass die Band mit einer guten Plattenfirma an der Seite deutlich mehr CDs verkaufen könne.

c/o Pop: Diskussion um die Zukunft der Musikindustrie

Unterm Strich bleibt aber die Frage, ob die höheren Absatzzahlen auch zu höheren Gewinnen der Künstler führe, da die Plattenfirma natürlich einen Teil des Gewinns für sich beanspruche. Birgit Hoff erzählt die Geschichte des Relaunches von Angelika Express. Die Band hatte bereits einen Major-Deal, der allerdings nicht verlängert wurde. Auf Myspace veröffentlichten Management und Band dann pro Woche einen Track zum freien Download, bis das Album fertig war. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda und einige, wenige Promotion-Maßnahmen wurde das dann veröffentlichte Album zum Selbstläufer – ohne Plattenfirma. Beispiele, die zeigen, dass es mittlerweile möglich ist, sich eigenverantwortlich als Musiker am Markt zu behaupten. Der Vorteil liegt auf der Hand: Da Plattenfirma oder Label bei der Verwertungskette übersprungen werden, bleibt am Ende mehr für den Künstler übrig. Es gehört aber mit Sicherheit eine gehörige Portion Glück dazu und nicht jeder kann auf die Zusammenarbeit mit Profis aus der Musikindustrie verzichten und alle Aufgaben alleine stemmen.

Klar ist trotzdem: Jeder kann sich aber mittlerweile im WWW präsentieren, allerdings bei weitem nicht jeder wird auch gefunden und schafft den Durchbruch. Natürlich ging es auch um neue und altbewährte Vertriebsmöglichkeiten. Gerrit Pohl, Head of Music bei Axel Springer, referiert über die Online-Distribution und zeigt die Möglichkeit, die Musiker im Alleingang haben. Allerdings bleibt zu bedenken, dass sogenannte Aggregatoren und große Download-Plattformen in der Regel keine Verträge mit Einzelkünstlern machen, sondern Labels als Filter vorgeschaltet sein müssen. Natürlich kann man als Künstler direkt versuchen, bei kleineren Online-Anbietern unter zu kommen, die flächendeckende weltweite Präsenz in Online-Stores gelingt aber im Grunde nur mit einer Plattenfirma und deren Aggregatoren, die wiederum alle relevanten Download-Plattformen beliefern. Die Independent-Vertriebe sehen die Lage eher entspannt, auch wenn die Verkaufszahlen zurückgehen.

Bei einer Diskussion über Vertriebe im digitalen Zeitalter sind sich Stefan Vogelmann (Broken Silence), Michael Wendt (New Music Distribution), Michael Schuster (Cargo) und Matthias Böttcher (GoodToGo) einig. Besonders im Independent-Bereich bleibt der physische Tonträger das Produkt Nummer eins. Der Download-Markt mache ungefähr einen Anteil von zehn Prozent am Umsatz aus, ergänze also das traditionelle Geschäft, sei aber weit davon entfernt, es abzulösen. Sie setzten auf eine enge und gute Zusammenarbeit mit Labels und Künstlern und vor allem auf starke Produkte. „Es gibt sie, die neuen, innovativen und viel versprechenden Künstler“, erklärt Böttcher. „Allerdings müssen die Labels den Allerwertesten hoch bekommen, auf die Konzerte gehen und ihre A&R-Arbeit richtig machen“, fordert er.

Nach zwei Tagen vollgepackt mit Informations- und Diskussionsveranstaltungen hinterlässt die c/o Pop Convention einen sehr gelungen Eindruck, der Lust auf mehr macht. Da kann man nur hoffen, dass die Veranstalter nicht den gleichen Fehler begehen wie die Popkomm-Betreiber, sondern sich auch in Zukunft auf das Wesentliche konzentrieren – den Fortbestand einer facettenreichen Popkultur.

Gerrit Pohl von Axel Springer auf der c/o Pop



Kommentare


von  Professional audio am 15.09.2009
Aufrufe  2620



Anzeige


Weitere interessante Artikel