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Technik Surroundsound in der Praxis 4

Technik Surroundsound in der Praxis 4

Technik Surroundsound in der Praxis 4

Technik: Surroundsound in der Praxis Teil 4

Wer Filmton gestalten und in Surroundformaten mischen will, muss nicht nur mit den einzelnen Elementen wie dem Originalton, Geräuschen oder Effektsounds umzugehen wissen, sondern diese auch in ein sinnvolles Verhältnis zueinander setzen können. Das heißt, er muss in der Lage sein, eine Mischung anzufertigen, die dem jeweiligen Medium, sei es Kino, TV oder DVD, gerecht wird. Diese Mischung muss dabei sowohl eine hohe Sprachverständlichkeit gewährleisten, als auch die von Sounddesigner und Filmmusikkomponist in Klangkulissen gestaltete Ton- und Musikdramaturgie gekonnt umsetzen.

Doch worin unterscheidet sich eigentlich der Ton eines Kino-Blockbusters von dem eines im TV ausgestrahlten Spielfilms oder einer Video-DVD? Wie wird mit Pegeln und Dynamik der einzelnen Tonelemente umgegangen? Welche Regeln gibt es, wenn überhaupt? Diesen Fragen wollen wir uns im letzten Teil unserer Serie widmen.

Die meisten fiktionalen und dokumentarischen Filme erzählen den größten Teil ihrer Handlung und Geschichte über die Dialoge der handelnden Figuren und Protagonisten. Demzufolge muss diesen Dialogen größte Aufmerksamkeit zuteil werden. Wie wir bereits in Teil zwei der Surround-Serie (Ausgabe 09/2009) erläutert haben, betreibt der Dialogeditor bereits im Vorfeld der Mischung einen sehr hohen Aufwand, die unterschiedlichen Originalton-Takes und synchronisierten Passagen aufeinander abzustimmen. Der Mischtonmeister finalisiert diese Sprachspuren im Anschluss daran in einer so genannten Sprachvormischung. Diese Vormischung spielt er als „Stem“ – eine mehrkanalige Teilmischung, ähnlich einer Mischpult-Subgruppe – aus und verfährt mit allen anderen Elementen wie Geräuschen, Effekten und Musik genauso. Erst in der Hauptmischung werden die Stems zu einem Ganzen zusammengefügt und im Detail, beispielsweise in Pegel und Hallanteilen, aufeinander abgestimmt. Der Mischtonmeister muss daher innerhalb der Sprachvormischung sehr akribisch vorgehen, weil in der Hauptmischung nur noch die summierten Stems zum Einsatz kommen. Detaillierte Änderungen an Einzeltakes wie in der Dialogschnitt-Session sind dann logischerweise nicht mehr ohne Weiteres möglich.

Technik: Surroundsound in der Praxis Teil 4, Pegel Kino vs. TV

Die Akribie der Sprachvormischung richtet sich vor allem auf das Erzeugen eines einheitlichen Sprachpegels. Das heißt, die Dialoge müssen im Verlauf des Films durchschnittlich gleich laut erklingen, was von großer Wichtigkeit ist. Haben Sie stets ein aufmerksames Ohr auf Ihre Sprachlautstärke, denn relativ zu ihr bauen sich alle anderen Elemente auf – ähnlich dem Bass- und Schlagzeugfundament eines Popsongs. Normale Dialoge sollten zu Beginn des Films nicht wesentlich leiser sein als am Ende. Eine ins Ohr gehauchte Liebeserklärung darf dabei selbstverständlich einen deutlich geringeren Pegel besitzen als ein markerschütterndes Wutgeschrei. Die Dialoge dürfen also durchaus – je nach gewünschtem Endmedium – eine gewisse Dynamik besitzen.

Das Mischen von Sprache bedarf dabei einiger Erfahrung und eines darauf trainierten Gehörs, um selbst minimale Lautstärkeänderungen wahrnehmen und bearbeiten zu können. Profis haben die notwendige Lautstärke der Sprache oftmals sogar im Gefühl und benötigen kaum weitere Hilfsmittel. Dem weniger Erfahrenen hilft der Blick auf den Pegelmesser: Das Unternehmen Dolby empfiehlt, für die Mischung in ihren Formaten den Sprachpegel 20 Dezibel unter digitaler Vollaussteuerung anzusiedeln. Diese Richtlinie wird als so genannter Dolby Level bezeichnet und stammt noch aus der Zeit des analogen Lichttons. Er entspricht fünfzig Prozent des maximalen Lichttonpegels und garantiert sowohl Übersteuerungsfestigkeit als auch genügend Headroom für weitere, lautere Tonelemente wie eine heftig zuschlagende Tür oder einen Hubschrauber im Landeanflug. Auch bei heutigen weitestgehend digitalen Mischungen mit diskreten Endformaten halten sich Filmtonmeister meistens noch an diesen Wert. Zwar wäre technisch ein wesentlich höherer Pegel möglich. Jedoch besitzt jeder im Kino gezeigte Film als Sicherungssystem noch eine analoge Lichttonspur, die bei Ausfall des digitalen Tons zum Einsatz kommt. Logischerweise sollte dies ohne gravierende Pegelsprünge geschehen, weshalb man sich nach wie vor an der schwächeren Lichtton-Aussteuerung orientiert.

Dolby hat auch noch weitere Pegel-Richtlinien geschaffen, um im Kino eine Wiedergabesituation zu schaffen, die der des Film-Mischateliers gleich kommt. Damit der Zuschauer in genau den vom Mischtonmeister beabsichtigten akustischen Genuss der bewegten Bilder kommt, werden Dolby-Kinoprozessoren in Mischatelier und Lichtspielhaus auf die gleichen Parameter und eine genormte Wiedergabe-Lautstärke eingestellt.

Der Dolby-Level ist allerdings nur für das Medium Kino und mit Einschränkung für die Video-DVD wirksam. Für das TV-Format sind deutlich andere Normen festgesetzt.

Alle Fernsehanstalten haben dabei ihre jeweils eigenen Vorschriften, welche Voraussetzungen Bild und Ton erfüllen müssen. Sie sind detailliert in so genannten Pflichtenheften festgehalten, wobei sich die meisten privaten Sender an den Pflichtenheften der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten orientieren. Eine der wichtigsten Normen ist der zulässige Höchstpegel der Tonspur. Er liegt bei -9 dBFS und entspricht dem deutschen Studionormpegel von +6 dBu, respektive 1,55 Volt.

Technik: Surroundsound in der Praxis Teil 4, ARD Pegel

Diese Norm räumt dem Ton ganze neun Dezibel Headroom bis zur Übersteuerungsgrenze, also der digitalen Vollaussteuerung, ein. Sie stammt noch aus der Zeit der analogen Magnetbänder und obwohl sie gewissermaßen technisch überholt ist, gilt sie aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen weiterhin bei den Rundfunkanstalten. Im Gegensatz zum Kino- oder DVD-Film, wo der Dolby Level quasi als Orientierung für eine ausgewogen dynamische Mischung gilt, darf die TV-Tonspur diesen Pegel auf keinen Fall überschreiten, da der Ton sonst aus Pflichtenheft-Gründen nicht sendefähig ist. Bei der Erstellung einer fernsehkompatiblen Mischung sollte deshalb immer ein zuverlässiger Brickwall-Limiter eingesetzt werden, der Pegel oberhalb -9 dBfs abriegelt.

Die unterschiedlichen Pegelrichtlinien und -normen verdeutlichen bereits anschaulich, dass sich die Medien Kino, TV und DVD hinsichtlich ihrer umsetzbaren Gesamt-Dynamik teilweise gravierend voneinander unterscheiden.Ob ohrenbetäubender Donnerschlag an der Null-Dezibel-Marke oder ein Quäntchen Windgesäusel an der Grenze des Hörbaren: Kinofilme räumen der Tonspur – nicht zuletzt auch durch das Anpassen an die akustisch optimierten Wiedergabebedingungen der Lichtspielhäuser – die größtmögliche Dynamik ein und bieten deshalb auch schier unerschöpfliche Gestaltungsfreiheiten. Einschränkungen in der Dynamik einzelner Ton-Elemente mit Hilfe von Kompressoren werden im Kinoton oft nur sehr behutsam und meist eher aus klanglichen Gründen vorgenommen, um beispielsweise der Sprache mehr Kernigkeit zu verleihen. Anders als in Musikproduktionen wird zur Erzeugung des bereits erläuterten gleichmäßigen Sprachpegels in gewisser Weise eine Dynamikreduktion quasi zu Fuß durch manuelles und sehr viel feineres Anpassen kleinster Lautstärkeunterschiede mit Hilfe der Fader-Automation realisiert.

Ganz anders im Fernsehfilm: Hier spielt Kompression eine bedeutende Rolle, denn die TV-kompatible Mischung im Zwei- oder Vierkanalformat lässt im Gegensatz zum Kino nur einen sehr geringen Dynamikumfang zu. Er beträgt praktisch 40 Dezibel, gegenüber den nahezu 90 Dezibel des Kinotons. Der Sprachverständlichkeit muss im Fernsehfilm auf Grund schlechterer und unvorhersehbarer Wiedergabebedingungen eine noch höhere Aufmerksamkeit zuteil werden. Die Dialoge werden dementsprechend gerade einmal sechs Dezibel unter Vollaussteuerung, also bei -15 dBFS, gemischt, ihre Dynamik stark begrenzt (siehe Grafik auf Seite 84). So bleibt kaum Freiraum für ein aufwändig-dynamisches Sounddesign und der gewaltige Donnerschlag aus dem Kino wird sich im TV-Blockbuster kaum von der Lautstärke der Sprache abheben können. Der gestalterische Freiraum ist bei Fernsehproduktionen zudem auch aus Gründen größeren Zeitdrucks und immer kleiner werdender Budgets stark eingeschränkt. Detaillierte Tonkonzepte spielen deshalb in der Fernsehproduktion sehr viel weniger eine Rolle als in einer millionenschweren Kinofilm-Produktion.

Technik: Surroundsound in der Praxis Teil 4, Waves L2 Ultramaximizer

Technik: Surroundsound in der Praxis Teil 4

Die Video-DVD ist in Bezug auf Pegel und Dynamik in gewisser Weise ein Kompromiss zwischen der nahezu uneingeschränkten Ton-Bandbreite eines Kinofilms und dem stark begrenzten Stereo-Fernsehton: Für sie existieren allerdings so gut wie keine Richtlinien. Einige sind bis auf das letzte Bit ausgesteuert, andere halten sich eher an die kompakt-komprimierte Fernsehnorm. Die gestalterische Dynamik der DVD ist ähnlich hoch wie die des Kinostreifens. Die untere Pegelgrenze ist meist jedoch nicht ganz so ausgeweitet, denn auch bei der DVD-Wiedergabe sind die Bedingungen des Heimkinos nicht vorhersehbar und flüsterleise Atmosphären laufen sonst Gefahr, im allgemeinen Raumrauschen des Wohnzimmers zu verschwinden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Verwendung von Surround-Formaten bietet weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten und kann den Zuschauer durch umhüllende Effekte stärker in die Handlung eines Film hineinziehen. Nicht zuletzt erweitern die Surround-Kanäle besonders in den diskreten Formaten auch die dynamischen Möglichkeiten des Tons. Denn wie Sie in den vergangenen Folgen unserer Serie erfahren haben, werden den einzelnen Tonelementen – Sprache, Geräusche, Atmosphären, Effekte und Musik – durch die verschiedenen Kanäle neue, eigene Ebenen eingeräumt, die einen deutlichen Mehrwert gegenüber einer einfachen Stereomischung besitzen.

Surround-Ton verlangt jedoch auch einen sehr überlegten, dramaturgisch nachvollziehbaren und geschickten Einsatz der zusätzlichen Wiedergabe-Kanäle, um diesen Mehrwert auch wirklich zu erzeugen. Dazu gehört letztendlich auch eine gute Portion Erfahrung. Mit den abgehandelten Aspekten unserer Serie sind Sie zwar noch kein perfekter Filmtonmeister. Doch werden Sie in der Lage sein, sich in das Abenteuer Film-Surround-Ton mit deutlich mehr Gelassenheit zu stürzen.

Technik: Surroundsound in der Praxis Teil 4, Dolby CP650 Kinoprozessor



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von  Professional audio am 21.10.2009
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