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Report High-End Gear 2009

Report High-End Gear 2009

Report High-End Gear 2009

Report: High-End Gear 2009

Nachdem das alte EMI-Presswerk im Kölner Maarweg als Location für die High-End Gear nicht mehr zur Verfügung stand, folgte 2008 die Zwangspause. Diese hat aber der Veranstalter Tom Jansen offensichtlich exzellent genutzt und mit dem Hamburger Kampnagel eine würdige Alternative gefunden. Aber nicht nur das: Tom Jansen hat auch über 70 Aussteller, sowie internationale Branchengrößen wie George Massenburg (Toningenieur und Professor für Sound und Recording an der McGill Universität in Montreal), Fab Dupont (Musiker und Produzent aus New York), Hardrock-Produzenten-Legende Michael Wagener oder Mastering-Ingenieur Scott Hull (Masterdisk, New York) für Vorträge, Workshops und Seminare gewinnen können. Das Ganze bei sommerlichen Temperaturen mitten im September.

Es gab zwei Hauptschauplätze: Zum einen der gemütliche Vorhof des Restaurants, wo sich Aussteller, Besucher Entwickler und Studiobesitzer beziehungsweise die, die es mal werden wollen, bei einem Kaffee oder Kaltgetränk sonnengeblendet blinzelten, um dabei entspannt ein wenig zu schnacken. Zum anderen die großzügige Vortragshalle sowie das Mastering- beziehungsweise Test- und Listening-Studio, wo auch Mastering-Ingenieure wie Sascha „Busy“ Bühren (True Busyness) und Christian Zimmerli (Zimmerli Sounds) Interessantes aus der Praxis erzählten.

Die 1.000 Quadratmeter große Aussteller-Halle entpuppte sich von daher aber eher als Durchgangszimmer, wenn man bei Jansens Bild der High-End Gear als „Branchenwohnzimmer“ bleiben will. Dabei freuten sich Entwickler und Produkt-Manager, den wenigen potentiellen Kunden mit detailliertem Hintergrundwissen zur Seite zu stehen. Ruhig und entspannt ging es dabei zu. Zum Glück, wenn man sich ausschließlich um die Nerven der Aussteller sorgt. Schlecht für die Kosten-Nutzen-Rechnung der Hersteller, die sich zwar die horrenden Standkosten der etablierten Messen à la AES, Tonmeistertagung oder Pro Light & Sound sparen konnten, aber auch eine deutlich günstigere High-End Gear ökonomisch rechtfertigen müssen.

Der Tenor der Aussteller blieb aber trotzdem grundpositiv: Die High-End Gear habe schon alleine als Branchentreffen und Präsentationsplattform ihre Legitimation. Man könne sich untereinander austauschen und Kontakte weiter ausbauen. Ein Kritikpunkt war allerdings die zeitliche Organisation der gut besuchten Workshops und Seminare, die über den ganzen Tag gingen – wenig Zeit für die Besucher, um sich den ausgestellten Produkten zu widmen.

High-End Gear 2009 im Hamburger Kampnagel

High-End Gear 2009 im Hamburger Kampnagel

In den Workshops, Mixing- und Recording-Sessions wurden alle möglichen Fragen zur Musikproduktion diskutiert. Auch Allgemeines zur Branchensituation blieb dabei nicht auf der Strecke. George Massenburg wetterte beispielsweise in seiner unnachahmlich sympathischen Art über Plattenfirmen sowie geldgierige und inkompetente A&R-Mitarbeiter: „Ein Major-Deal ist das schlechteste, was einem Künstler heute passieren kann“. Es ginge der Musikindustrie immer nur ums schnelle Geld und nicht mehr um gute, nachhaltige Musik.

„Wer die falsche Frage stellt, muss sich nicht über eine falsch Antwort wundern“, polemisiert der Amerikaner dann in Bezug auf die Diskussion über MP3-Decoder und Klangqualität. Dabei spielt er immer wieder die heraus gerechneten, scheußlich klingenden Artefakte unterschiedlicher MP3-Files vor und fragt provokant: „Klingt das gut?“ Nur um dann eine seiner hochauflösenden und exzellent klingenden Produktionen zu präsentieren. „Es ist die falsche Frage, welcher MP3-Codec der beste ist“, erklärt er mit Nachdruck und fügt hinzu: „Sie klingen alle beschissen.“ Dann geht er sogar noch einen Schritt weiter. Selbst CDs seien klanglich schrecklich, wenn man sich zum Vergleich hochauflösende Produktionen mit 192 Kilohertz und 24 Bit anhöre. Also ginge es eher darum, wie man diese Formate dem Hörer zugänglich machen könne. Blu Ray und FLAC fallen als Stichworte für den richtigen Weg in die Zukunft, da Speicherplatz und Übertragungsraten heute kaum noch eine Rolle spielen.

Wer wollte, konnte sich aber auch im direkten Gespräch mit Mastering-Engineer Scott Hull wichtige Praxistipps abholen oder mit Fab Dupont über Mixing-Techniken diskutieren. Im Workshop von Michael Wagener (ehemals Gitarrist von Accept), der im Hardrock-Bereich mit zahlreichen Größen wie Ozzy Osbourne, Skid Row, White Lion, Extreme oder The Rasmus gearbeitet hat, ging es wie bei allen Workshops freundlich und ungezwungen zu. Natürlich standen Aufnahmeverfahren und Gitarrensounds ganz hoch im Kurs. Aber auch Fragen zur stabilen Stromversorgung, Akustik und Studiobau sowie dem Umgang mit den Künstlern interessierten die Besucher brennend. „Meiner Meinung gibt es heute zu wenig wirklich gute Nachwuchsmusiker, die nichts anderes machen wollen als Musik und vor allem ihr Handwerk beherrschen“ erklärt Wagener. Ein Besucher erwidert: „Das Problem ist doch, dass heute kaum einer nur vom Musikmachen alleine leben kann.“ Die Antwort: „Das konnten wir früher auch nicht und haben es trotzdem gemacht.“

Auch wenn die Workshops spannend und informativ waren, soll die Ausstellerseite nicht unter den Tisch fallen, denn es gab durchaus ein paar interessante neue Produkte zu beäugen. Am Stand des deutschen Mikrofonherstellers Brauner Microphones treffen wir David Browne. Bereits 2005 sorgte der Toningenieur mit seiner universellen Mikrofonhalterung M600 für Furore.

High-End Gear 2009 im Hamburger Kampnagel, David Browne und Dirk Brauner mit dem Mikrofonhalter M600

Report: High-End Gear 2009

Seine Firma heißt Enhanced Audio und der Name ist nach wie vor Programm. Der Ire ist noch einen Schritt weiter gegangen und hat den Prototyp eines kompletten High-End-Mikrofonständers fertig gestellt. Browne geht damit den Weg der Klangverbesserung durch Optimierung der Mikrofonhalterung konsequent weiter. Das greifbare Bild zur Erklärung der Funktionsweise entlehnt Browne aus der Fotographie: „Wenn die Kamera auf einem Stativ fest montiert ist, werden die Bilder schärfer, als wenn man aus der Hand fotografiert.“

Das passende Enhanced Audio-Stativ ist komplett aus Aluminium und steht auf drei spitz zulaufenden Kegeln. Browne setzt auf Minimierung der Übertragungsflächen von Tritt- und Körperschall durch direkte, punktuelle Fixierung der einzelnen Elemente. Galgenlänge und die Höhenarretierung sind nach dem gleichen Sechspunkt-Verbindungs-Prinzip konstruiert wie die M600-Halterung. Die Feststellpunkte sind so konzipiert, dass die Höhe sicher fixiert ist, sich der Galgen aber zur Ausrichtung noch problemlos drehen lässt. Ein Gegengewicht an der Galgen-Stange verbessert die Stabilität bei schwergewichtigen Mikrofonen. Außerdem verwendet Browne zum Neigen des Galgens ein spezielles Feststellsystem: Beim Arretieren werden zwei Kunststoffschichten wie Bremsbeläge auf eine Scheibe gepresst. Das Material fixiert das Gelenk bombensicher, erklärt uns der Entwickler. Das Material absorbiere aber außerdem auch Tritt- und Körperschall.

Wir lassen es uns nicht nehmen, den Vergleich zwischen einem normalen und dem Enhanced Audio-Stativ mit eigenen Ohren zu hören. Der erste Eindruck: Was wir über ein VM1 von Brauner hören, klingt tighter und fokussierter, irgendwie etwas offener - verblüffend und interessant zugleich.

Im Test- und Listening-Studio treffen wir Guido Apke (Apke Tontechnik), der gerade an seinem Rockruepel Comp.One-Kompressor herumschraubt. Es handelt sich um einen vielversprechenden Prototypen eines Vari-µ-Kompressors. „Die Idee gibt es schon lange“, erklärt uns Apke „aber jetzt soll der Rockruepel endlich auf den Markt kommen.“ Für ein Röhrengerät ist der Comp.One extrem schnell, wovon wir uns bei der Vorführung selbst überzeugen können. Außerdem lassen sich die Röhren in die Sättigung fahren, so dass angenehm bis heftige Zerr-Effekte hervorgerufen werden können. Wem die herkömmliche Übersteuerung mit Ein- und Ausgangsregler nicht reicht, der kann auf die so genannte „Ruepel-Schaltung“ zurückgreifen. Per Kippschalter verändert sich der Arbeitspunkt der Röhren, so dass der Kompressor sein rüpelhaftes Verhalten an den Tag legt. „Er kann aber auch völlig clean als Mastering-Kompressor eingesetzt werden“, erklärt uns Apke.

Preislich wird der Rockrüpel in der 3.000-Euro-Liga liegen. Etwas günstiger (unter 2.000 Euro) und bereits erhältlich ist da der brandneue Daking-Kompressor FET III. Neben den Standard-Einstellungen verfügt der FET III über eine Besonderheit. Der Link-Modus lässt sich über einen Regler stufenlos von Dual-Mono bis Stereo verstellen.

High-End Gear 2009 im Hamburger Kampnagel, George Massenburg Workshop

Report: High-End Gear 2009

Analoge Kompressoren können Dominik Klaßen und Ruben Tilgner von Elysia schon. Das haben die beiden Audio-Enthusiasten mit dem Alpha-Compressor und dem Mpressor (Test, 11/2007) bereits erfolgreich unter Beweis gestellt. Jetzt setzen die beiden Unverbesserlichen auf einen vollständig diskret aufgebauten Class-A-Equalizer. Der Museq stellt zwei Kanäle mit je drei parametrischen Bändern und schaltbarer Filtergüte (breit, schmal) zur Verfügung. Die zusätzlichen Außenbänder sind grundsätzlich als Low- oder High-Shelf-Filter konzipiert, aber cleverer weise auch auf Low- oder High-Cut umschaltbar. Die jeweiligen Gain-Regler der zweimal fünf Bänder lassen sich zwischen Cut und Boost umschalten. Daraus ergibt sich ein langer, gut aufgelöster (23 Positionen) und sehr präziser Regelweg. Die gerasterten Potis machen den Museq auch im Mastering durch präzise reproduzierbare Einstellmöglichkeiten einsetzbar. Der neutrale Equalizer verfügt über eine Färbungs-Option pro Kanal, die einen subtilen Vintage-Touch hinzufügen soll. Der erste Eindruck ist grandios. Im Handumdrehen gelingt es, den Demo-Track nach den eigenen klanglichen Vorstellungen zu verbiegen und das macht an den edlen Reglern einfach richtig Spaß. Dabei liefert der Museq selbst bei extremen Anhebungen oder Absenkungen immer amtliche Ergebnisse. Der Sound ist transparent und glasklar und besonders lecker ist die Färbungs-Option, die den Sound nach Belieben etwas „anwärmt“ – ein Fall für einen ausführlichen Praxistest in Professional audio. Elysia stellt aber auch ihren ersten digitalen Klon vor. Wie es viele andere Hersteller exzellenten analogen Outboards vorgemacht haben, gibt es den Mpressor jetzt auch als Plug-in. „Der klingt wirklich sehr ähnlich, wie das Original“, erklärt Klaßen. „Wir sind zu Brainworx gegangen und die haben uns den Mpressor dann anhand der Baupläne digital umgesetzt, ergänzt Entwickler Ruben Tilgner.“ In den nächsten Wochen soll die Beta-Version fertig sein. Mal sehen, was dann bei Elysia als nächstes auf die digitale Klon-Bank kommt.

In puncto analoge Equalizer hat der Entwickler und Service-Techniker Roger Schult aus Erftstadt bei Köln ein weiteres Leckerli parat. Sein Universalfilter UF1 mit integrierter M/S-Matrix unterscheidet sich von konventionellen Mastering-Equalizern und bietet eine variable Gewichtung der einzelnen Frequenzbereiche. Die Bänder lassen sich einzeln aktivieren und auch alleine abhören. Dazu erklärt uns Schult: „Wegen seiner außergewöhnlichen Wirkungsweise kann sogar Einfluss auf Pegel, Ortung und Platzierung einzelner Schallquellen genommen werden.“ Neben einer M/S-Matrix zur separaten Bearbeitung des Seiten- und Mittensignals, einer Regelmöglichkeit für die Stereobasisbreite und zehn vollparametrischen Equalizern, bietet der UF1 ein extrem steiles Zusatzfilter (36 Dezibel pro Oktave). Der Prototyp soll in den nächsten Wochen zur Serienreife gebracht werden.

Abschließend ist noch von zwei Schwaben zu berichten, den Brüdern Kopacz aus der Nähe von Stuttgart. Dennis: Tontechniker und Musiker, Sven: Elektroingenieur und Techniker haben die Firma Agent Audio (www.agent-audio.de) gegründet und mit dem Monitor-Controller Octopussy eine edle erweiterbare Schaltzentrale entwickelt. Bestückbar mit unterschiedlichen Steckkarten, kann der User frei entscheiden, welches Setup er für seine Studioumgebung benötigt. Die schmucke Remote aus einer Alu-Holz-Kombination wird bestimmt von einem sagenhaft sanft laufenden Lautstärke-Knopf. Der Controller ist stereo- und surround-fähig und bietet völlig freie Konfigurations-Möglichkeiten zweier Setups, die laut Hersteller fürs Monitoring keine Wünsche offen lassen. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die ersten Demo-Geräte versenden zu können“, verspricht uns Sven Kopacz beim Verabschieden.

Bei so vielen Prototypen bleibt die Professional audio-Redaktion gespannt, wie sich die Neulinge der High-End Gear im Praxis- und Hörtest schlagen werden. Die nächsten Ausgaben werden Klarheit bringen.

High-End Gear 2009 im Hamburger Kampnagenl, Workshop mit Produzent Michael Wagener



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von  Professional audio am 21.10.2009
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