Firmen Portrait Radial Engineering
Firmen Portrait Radial Engineering
Reportage Radial Engineering LTD.
Frag einen Firmenchef nach seinen Motiven, weshalb er dieses oder jenes Unternehmen einst begonnen habe, und du bekommst meist Antworten, die von Begriffen wie „Mission“, „Vision“, „Herausforderung“ oder „Selbstverwirklichung“ nur so strotzen. Bei Peter Janis, 53, ist das anders. Die Frage, weshalb er damals beim Gitarrenbauer Fender als Produktionsdirektor für Kanada aus- und beim Radial-Vorläufer „Cabletek“ eingestiegen ist, beantwortet er mit augenzwinkernder Offenheit: „Nun, ich habe mich gefragt, wie kann ich ordentlich Geld verdienen, um all meine Rechnungen zu bezahlen.“
Peter Janis, Chef von Radial Engineering LTD.
Anregungen zu Neuerungen kommen oft von außerhalb. Auf Messen, bei Studiobesuchen oder in Gesprächen beim Dinner mit Musikern, Studiobetreibern oder Toningenieuren hört Janis ganz genau hin, wenn es heißt: „Das könnte ich gebrauchen“ oder „Warum macht ihr nicht jenes?“ Dann ist der Boss in seinem Element. „Meine hauptsächliche Arbeit ist es, kreativ zu sein. Ums Business kümmern sich Mike und Steve – ich greife die Produktideen auf und suche den Weg, sie marktgängig umzusetzen.“Marktgängig heißt natürlich auch bezahlbar, sprich kostenoptimiert zu produzieren. Das ist bisweilen eine Hürde, wie Janis weiß. „Wir beauftragen oft einen exzellenten Elektronikingenieur in Buffalo, der hat tolle Ideen für neue Geräte – aber man kann sie nicht bauen.“ Dann gilt es die aus Buffalo geschickten Prototypen so lange umzufriemeln, bis sie als Muster für serientaugliche Modelle taugen. Auf den Arbeitstischen von Dan und Paul türmen sich denn auch die roten Platinen. Rot sind die Prototypen, die so lange revidiert werden, bis Janis sie abnickt und eine grüne Variante als Vorlage für die Serie entsteht. „Meist“, so meint er grinsend, „kommen die Jungs mit einem Prototypen zu mir, ich schau und hör ihn mir an und sag dann: Do it again.“Serientauglichkeit bedeutet für den Boss, dass die Geräte sowohl kostengünstig herzustellen sind als auch die geforderte Qualität und Haltbarkeit haben. Denn eine geringe Ausfallquote ist bares Geld wert, bedeutet sie doch wenige Reklamationen oder teure Garantieleistungen. Das ist mit ein Grund, weshalb Radial konsequent in Kanada fertigt und den Verlockungen, die Produktion ins Billiglohnland China zu verlagern, eisern widersteht. Janis meint: „Die Chinesen bauen alles, was du willst, zu absoluten Dumpingpreisen, aber die Qualität ist lausig.“ Heißt im Klartext: Was bei den Herstellungskosten eingespart wird, geht bei den Garantieleistungen doppelt und dreifach wieder drauf. Vom Imageverlust ganz zu schweigen. Immerhin wirbt man selbstbewusst: „World’s finest direct boxes, splitters and audio interfacing devices.“. Da heißt es weiter zu powern, Janis weiß schließlich, wie wichtig es ist, den einmal erworbenen guten Ruf zu wahren. Ist der nämlich erst mal hin, dauert es lange, den Schaden zu reparieren. Denn die Branche hat ein Elefantengedächtnis. Manches geht da auch Janis zu zäh. „Selbst heute kommen noch Leute zu uns und reden nach wie vor von Cabletek“, nennt er halb amüsiert, halb frustriert ein Beispiel für das szenetypische Delay.
Einer, der ganz und gar nicht zäh agiert, ist Ron Adolf, Präsident der Metallbearbeitungsfirma Fab-All Manufacturing und einer von Radials wichtigsten Zulieferern. Die Firma, nur einen Steinwurf weit vom Radial-Domizil entfernt, ist das, was Peter Janis „a real metal shop“ nennt. Also eine wirkliche metallverarbeitende Fabrik, die den Maschinenpark unterhält, den ein Kleinbetrieb überhaupt nicht auslasten könnte. Wir machen einen Zwischenstopp bei Fab-All und Inhaber Ron Adolf, sein Vater Siegfried hat die Firma einst gegründet, lädt mich ein zur „Quick-Tour“ durch sein Reich. Zur Begrüßung gibt’s Schutzbrillen, dabei wären Ohrenstöpsel bei dem Höllenlärm eigentlich sinnvoller, dann folgen Erläuterungen zu den einzelnen Maschinen, die so ungefähr alles fertigen und bearbeiten können, was sich aus Metall herstellen lässt.
Montage von Radial ProD2 Stereo Direct Boxen.
Für Radial sind das in erster Linie Gehäuse(teile) oder spezielle Halterungen, die präzise per Laser geschnitten werden. Stolz demonstriert Adolf das Prunkstück des Shops, die vollautomatische Laserschnitt-Anlage. Ist einmal das Programm geschrieben und im Controller gespeichert, läuft das Ding unbeaufsichtigt Tag und Nacht, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche und spuckt ein Teil so präzise und sauber ausgeschnitten aus wie das andere. Das Feine daran: Die Schnittkanten sind so glatt, dass eine – kostentreibende – Nachbehandlung überflüssig ist. Oberflächenbehandlungen, ob Chromatieren, Pulverbeschichten, Eloxieren, Anodisieren, elektrisch Polieren oder per Siebdruck Beschriftungen aufbringen, erledigt Fab-All gleich mit. „Das ist ein richtig progressives Unternehmen“, strahlt Janis, der Auftraggeber, der nach Selbsteinschätzung keine Ahnung von Metallverarbeitung hat und Adolf der Auftragnehmer pflichtet bei: „Wir verstehen alles von Metallbearbeitung – aber nichts von Elektronik.“ Was dann folgt, lässt die Vermutung zu, es sei eine gut einstudierte Aktion, mit der man den Reporter aus Good Old Germany mal ein bisschen beeindrucken will: Peter Janis lässt sich von Adolfs Sekretärin ein Blatt Papier geben, faltet es ein, zweimal, reißt es ein wenig ein und hält es schließlich Ron Adolf vor die Nase mit der Frage: „Can you make it?“ Der guckt sich das Origami-Werk nur kurz an und meint dann selbstsicher in bester Obama-Manier: „Yes, we can.“ Janis grinst zufrieden und als ich ihn hernach frage, was denn das werden soll, meint er zufrieden: „Eine spezielle Halterung, die ohne Schweißen oder Schrauben auskommt, also billiger, herzustellen ist.“ Spätestens in einer Woche, da ist sich Janis sicher, hat er den Prototypen auf dem Tisch.
Das Lieblingsthema von Janis ist wieder angeschnitten. Runter mit den Kosten, um wettbewerbsfähig zu bleiben, Qualität zu liefern und dennoch ordentlich zu verdienen. Außer der eben demonstrierten kostensenkenden Konstruktionsidee hat er dazu natürlich noch ein paar andere klassische Tools. Eines ist der massenhafte Einkauf gleicher Teile, was günstige Konditionen ermöglichen. Er weiß, dass ich zuvor bei Chandler in Shell Rock, Iowa, war und greift das Beispiel auf. „Chandler baut exzellente Geräte in vergleichsweise geringer Stückzahl, was sie auch teuer macht. Wir ordern beispielsweise 200.000 Schalter auf einen Schlag, da bekomme ich ganz andere Einkaufspreise.“Die Produktion in Port Coquitlam ist dennoch recht übersichtlich; nur rund 55 Leute arbeiten in der Radial Zentrale – inklusive Entwicklung, Einkauf, Verkaufsmanagement, Marketing, Werbeabteilung, Versand und was dergleichen administrative Posten mehr sind. Da bleibt nicht viel Personal für die wertschöpfende Produktion. „Stimmt“, sagt Janis, „die meisten Fertigungsschritte vergeben wir.“ Für die Platinenbestückung gibt’s ebenso Subunternehmer wie für die soeben besichtigte Gehäusefertigung. „Bei den Stückzahlen, die wir verkaufen, braucht es Massenfertigungs-Spezialisten“, meint Janis beim Gang durch das beeindruckende Hochraumlager, in dem zuhauf all jene Goodies lagern, auf die Audio- Professionals in aller Welt sehnsüchtig warten. Herzstück des Logistikzentrums ist eine computergesteuerte Kommissionier-Anlage, die weitgehend automatisiert die einzelnen Lieferungen für die internationalen Vertriebspartner – in Deutschland beispielsweise „Mega Audio“ in Bingen – zusammenstellt. „Im Grunde sind wir mehr ein Logistikunternehmen“, erläutert Janis und vergleicht das Unternehmenskonzept mit dem eines Automobilbauers. „Die machen auch nur die Modellentwicklung, bauen Teile zusammen und organisieren den Vertrieb; vielleicht fertigen sie auch eigene Motoren und haben ein Karosseriewerk, aber Sitze, Elektrik, Getriebe, Scheiben, Achsen und viele andere Komponenten kommen von Fremdfirmen.“ Dann knipst er sein entwaffnendes Lächeln an und fragt provozierend: „Und, ist ein auf diese Weise gebauter Mercedes etwa ein schlechtes Auto?“ Ich mag da nicht widersprechen.
Businesspartner: Peter Janis und Ron Adolf.
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