Test: Pearl OM 16, CC 22, ELM-C, DS 60
Test: Pearl OM 16, CC 22, ELM-C, DS 60
Test: Kondensatormikrofone Pearl OM 16, CC 22, ELM-C, DS 60
In Deutschland, dem Mikrofon-Schlaraffenland schlechthin, ist der schwedische Mikrofon-Hersteller Pearl Mikrofonlaboratorium AB und seine außergewöhnlichen Schöpfungen kaum bekannt. Dabei handelt es sich um eine Mikrofon-Manufaktur mit Tradition, die seit inzwischen über 70 Jahren, exakt seit der Gründung im Jahre 1941 von Rune Rosander, Schallwandler entwickeln und herstellen. Tatsächlich war Pearl bis 1980 der einzige Mikrofonhersteller in Schweden, weswegen sich die Manufaktur auf den heimischen Markt konzentrieren und bestehen konnte. So sind die Pearl-Mikrofone bislang eher eine innerschwedische Größe, die auf dem internationalen Parkett nur eine Nebenrolle spielen. Diese Mikrofone verdienen aber eine stärkere Beachtung, denn sie verwirklichen nicht nur innovative Konstruktions-Prinzipien, sondern haben – soviel sei schon mal verraten – auch klanglich einiges zu bieten. Das meinen auch Klaus Justus Gehlhaar und Gilles Bartholmé von Poe-Music, die seit Anfang 2012 den Pearl-Vertrieb für Deutschland übernommen haben und die Professional audio-Redaktion gleich mit vier Mikrofonen aus dem aktuellen Pearl-Programm für einen ersten Test versorgt haben. Dabei sind die beiden Großmembran-Kondensatormikrofone CC 22 und ELM-C, das Kleinmembran-Modell OM 16 sowie das Flaggschiff im Pearl-Programm, das Modell DS 60. Dieses ist mit zwei Doppel-Membrankapseln ausgestattet und bietet damit Aufnahme- und Klangvarianten von Stereo bis Surround. Die Details werden wir selbstverständlich im weiteren Verlauf behandeln. Beginnen wir zunächst mit dem CC 22, denn dieses mit rund 1.200 Euro zu Buche schlagende Modell ist nicht nur das populärste Pearl-Mikrofon, an ihm lässt sich auch exemplarisch das charakteristische Merkmal schlechthin der Mikrofone aus Stockholm, ihre rechteckige Kapsel, beschreiben.
Pearl Mikrofone
Diese rechteckigen Kapseln gehen auf die grundlegende Entwicklung von Pearl-Gründer Rosander zurück aus den 1960er-Jahren zurück und sind im Laufe der Jahrzehnte ständig verbessert worden. Dabei geht dieses Kapseldesign von der Erkenntnis aus, dass die gängigen Großmembran-Kapseln mit ihren runden Membranen mehr oder weniger stark betonte Resonanzen im Bereich von zwei bis zehn Kilohertz aufweisen, die im gängigen (Anwender-)Sprachgebrauch als „Präsenz“ oder auch „präsenter Klang“ beschrieben werden. Zwar sind die Rechteck-Kapseln der Schweden ebenfalls nicht frei von Resonanzen, weisen sogar im Gegenteil sehr viele auf. Allerdings sind diese gleichmäßiger über den gesamten Frequenzbereich verteilt und vergleichsweise weniger stark ausgeprägt. Dies ergebe einen sehr viel ausgewogeneren Klang mit einem vergleichsweise lineareren Frequenzgang, der eher an Kleinmembran-Kondensatormikrofone erinnere. Die Membran selbst ist übrigens aus leichtem Mylar, das mit Aluminium bedampft ist, wobei die Membran nicht insgesamt dem Schall ausgesetzt ist. Stattdessen sorgt das perforierte Messingblättchen vor der Membran, dass diese kontrolliert schwingt. Ansonsten handelt es sich beim CC 22 um ein elektronisch symmetriertes Kondensatormikrofon mit fester Nierencharakteristik, das laut Pearl einen bis 25 Kilohertz erweiterten Übertragungsbereich habe, sich für eine Vielzahl von Anwendungen eigne und hervorragend zu Gesangsstimmen, Blechbläsern, Streichern und akustischen Gitarren soll. Wer noch andere Richtcharakteristika benötigt oder beispielsweise Stereo-Aufnahmen im MS-Verfahren machen möchte, bekommt aus dem Hause Pearl noch zwei weitere 22er: Das Modell CB 22 (1.399 Euro) beispielsweise hat eine bidirektionale, also von beiden Seiten – vorne und hinten – offene Kapsel mit Doppel-Membran, die folglich eine Achter-Charakteristik ergibt, wohingegen das dritte Modell, das CO 22 (1.299 Euro) ebenfalls eine Doppelmembran-Kapsel hat, dafür aber Kugel-Charakteristik bietet. Wer diese drei Modelle gewissermaßen in einem Mikrofon zur Anfertigung von Stereoaufnahmen haben möchte, kann auch gleich zum Flaggschiff DS 60 greifen, denn tatsächlich arbeiten zwei 22er-Doppelmembran-Kapseln in diesem Mikrofon.
Pearl ELM-C Pearl CC-22
Pearl OM-16 Pearl Kabelpeitsche
Wem sich das nicht sofort erschließt, dem sei das auf der Seite von Pearl Mikrofonlaboratorium AB unter http://pearl.se/videos zu findende sehr instruktive Lehr-Video empfohlen. Wer aus guten Gründen das MS-Verfahren bevorzugt, dreht das Mikrofon, sodass die Markierung zur Schallquelle zeigt. Jetzt ist die obere Kapsel für das Mittensignal zuständig, die unter zeichnet das Seitensignal auf, wird also zur Acht, folgerichtig empfiehlt es sich, einmal mehr alle vier Signale aufzunehmen und gewissermaßen in der Nachspielzeit beim Mix über die Richtcharakteristik des Mittenmikrofons zu entscheiden. Zum grundlegenden Verständnis der Arbeitsweise dieses Quad-Mikrofons seien die Tests der Twin-Mikrofone Sennheiser MKH800 Twin und Josephson C700A in Ausgabe 7/2008 beziehungsweise 11/2010 empfohlen. Für das DS 60 gilt Vergleichbares, nur eben zweifach. Nach diesen eigenartig-appetitlichen Schwedenhappen jenseits des Hauptstroms ist das Kleinmembran-Mikrofon OM 16 geradezu gewöhnlich konventionell konstruiert, hat es doch eine runde Membran. Der nicht mal zehn Zentimeter lange, federleichte Druckempfänger ist ein echtes Kompaktmikrofon, das sich mit Hilfe der pfiffigen Halterung sehr einfach positionieren lässt. Pearl macht überhaupt keinen Hehl daraus, dass das OM 16 eine Höhen-Anhebung ab fünf Kilohertz aufweist, die für mehr Klarheit sorgen und dem aktuellen Zeitgeschmack entsprechen soll. Jedenfalls sei auch das günstigste und kleinste Mikrofon des Testquartetts zur Aufnahme der meisten Musikinstrumente und auch für Gesang empfehlenswert. Nun ja, wir werden sehen besser hören, was das OM 16 und seine Anverwandten klanglich leisten. Bleibt noch festzustellen, dass die Verarbeitung dieser handgebauten Mikrofone den Preisen angemessen auf hohem Niveau angesiedelt ist. Sehr gut gefallen uns zudem die Halterungen von CC 22 und ELM-C, welche die Ausrichtung der Schallwandler stark vereinfachen und die Mikrofone sicher halten. Das gilt nicht unbedingt für die elastische Halterung des DS 60, die – um es kurz zu machen – nicht gerade dem hohen Preis und Anspruch des Pearl-Spitzenmodells gerecht wird. Die Halterung des Test-Mikrofons hat jedenfalls während des Tests den Dienst quittiert, sodass wir mit einer Dritt-Anbieterspinne arbeiten müssen. Hilfreich in der Praxis sind die roten LEDs der Modelle CC 22, ELM-C und DS 60, die Aufnahmebereitschaft signalisieren, wenn die Phantomspannung anliegt und vor allem das DS 60 korrekt verkabelt ist. Im Rahmen des Praxistestes haben wir insgesamt 40 Gitarrenaufnahmen, wobei sowohl eine Konzertgitarre von Masaru Kohno, als auch eine Ricardo Sanchis 2F-Flamencogitarre Verwendung fand. Ein Auswahl der Aufnahmen, bei denen die Mikrofone sowohl einzeln als auch in Kombination zu hören sind, finden Sie zum Nachhören und kostenlosen Download auf unserer Website, http://www.professional-audio-magazin.de.
Pearl DS-60 und Pearl CC-22 im Einsatz
Pearl Kabelpeitsche
ELM-C: Die sehr spezielle Rechteckkapsel macht dieses Mikrofon einzigartig, denn es bietet Klangvarianten, die wir so von keinem anderen Mikrofon kennen. Ist es längs ausgerichtet, erfasst es einen Klangkörper sehr gut, der Klang ist ausgesprochen klar und direkt, auch in akustisch schwieriger Umgebung. Quer aufgehängt fängt das ELM-C zusätzliche Reflexionen ein: Das ergibt bei unseren Aufnahmen einen weniger fokussierten, räumlicheren Klang, der uns sehr gut gefällt. Auf diese Weise als Gesangsmikrofon eingesetzt, bekommt die Stimme eine besondere Färbung, da Stirn- und Brustreflexionen mit erfasst werden. Wir haben für Sie zwei Soundfiles erstellt, bei der wir die Konzertgitarre mit quer ausgerichtetem ELM-C mikrofoniert und zusätzlich einmal mit dem CC 22, beim zweiten Mal mit dem OM 16 für mehr Klarheit und knackigere Bässe gestützt haben. DS 60: Das Topmodell stellt gewissermaßen eine Sammlung von Stereo-Paaren der 22er-Serie von Pearl da. Klanglich ist ihm anzuhören, dass die 22er-Kapsel für den guten Ton sorgt. Wir haben uns für die einfachste Aufnahmevariante entschieden und die Konzertgitarre im XY-Verfahren aufgenommen. Der Klang ist eine Winzigkeit wärmer als der des CC 22, allerdings vermuten wir, dass das am Lemo-Kabel liegt. Das Spezialkabel könnte weniger klar als die für alle anderen Aufnahmen verwendeten Vovox Sonorus-Kabel klingen. Wer es sich leisten kann, erhält mit dem DS 60 fraglos ein Super-Mikrofon, das variable stereofone Aufnahmen von Soloinstrumenten und Ensembles ermöglicht.
Pearl DS-60 Close-Up
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