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Klavierprojekt Teil 2

Klavierprojekt Teil 2

Klavierprojekt Teil 2

Report: Das Klavierprojekt

In der Ausgabe 12/2012 ist im ersten Teil unseres großen Reports „Das Klavierprojekt“ zu lesen, wie Johannes Dicke die Aufnahmen in der Alten Kirche in Spay angegangen ist. Ausführlich ist in dieser ersten Folge die ungewöhnliche Mikrofonierung des Flügels, ein traumhafter Steinway B 211 beschrieben. Ohne noch einmal ausführlich auf das Mikrofon-Setup einzugehen, seien doch zum besseren Verständnis in aller Kürze noch einmal die beteiligten Schallwandler genannt:- Die beiden Hauptmikrofone sind ein Brauner Phantom AE, ausgerichtet auf den Diskant und ein Beesneez Jade Tube, das nah über den Bass-Saiten des Flügels positioniert ist.- Rechts und links vom Spieltisch, auf exakt gleicher Höhe sind zwei gematchte Røde NT-5 exakt aufeinander zeigend aufgebaut.- Zwei AKG C414 XLII, beide eingestellt auf Kugel-Charakteristik, dienen als Mittelfeldmikrofone- Ein FAME CO2 kommt als Raummikrofon im Diffusfeld zum Einsatz.- Für das Arrangement des Pophits „I Follow Rivers“ findet ein MXL M3 als „Pfeifmikrofon“ Verwendung. Mittlerweile sind rund 20 Stunden Material zusammengekommen, wobei Johannes Dicke, bedingt durch die Lage der Alten Kirche inmitten von Spay und direkt am Rhein auch mit gewissen Nachteilen, namentlich dem Verkehrslärm zu kämpfen hat: „Das Mittelrheintal ist ein Verkehrsknotenpunkt, weswegen Spay nicht unbedingt zu den ruhigsten Ortschaften gehört. Aufgrund ihrer exponierten Lage, fängt die Alte Kirche die Geräusche von Bahn- und Schiffsverkehr ein, hinzu kommen vorbeifahrende Autos. Mitunter nerven mich diese Störungen ganz gewaltig – vor allem, wenn ich gerade auf dem Weg zu einem gelungenen Take bin. Aber diesen Nachteil muss ich in Kauf nehmen. Dafür habe ich ein Top-Instrument in einem erstklassigen Saal, der mir außerdem fast immer zur Verfügung steht.“

Johannes Dicke beim Mischen

Dass der Pianist den Luxus hat, vergleichsweise viele Takes über mehrere Wochen einzuspielen, tut letztlich der Reifung der einzelnen Titel gut: „Grundsätzlich kann ich jedem Musiker, der ein ähnliches Solo-Projekt plant, nur wärmstens empfehlen, bestens vorbereitet in eine solche Aufnahme-Session zu gehen. Dem Musiker muss zunächst klar sein, was er spielen will. Zweitens muss er sein Repertoire beherrschen und nicht über technische Hürden stolpern. Es gibt immer Hörer, die auch kleinste Fehler bemerken und sich daran stören. Da kann der Sound einer CD noch so großartig sein. Wenn der Interpret nur mäßig spielt, wird ihm niemand zuhören.“ Folgerichtig hat Johannes Dicke Stücke gewählt, die er fantasievoll und ausdrucksstark darstellen kann. Mehrere Takes eines Stückes sind wichtig, um beim selbstkritischen Hören Stärken und Schwächen zu analysieren. Es gibt einen regen Austausch zwischen Johannes Dicke und der Professional audio-Redaktion: Wir loben, was uns gefällt, bemerken aber auch, wo es Verbesserungspotential gibt. Das Schöne dabei: Das Projekt entwickelt sich und die aktuellen Previews gefallen uns allen spontan aufs erste Hinhören.

Das Klavierprojekt schreitet voran

Wir hören uns am Beispiel von dem Titel „I Follow Rivers“ nur die beiden Hauptmikrofone an und sind spontan überzeugt vom Klang, der sich aus den Charakteristika der Mikrofone, ihrer Positionierung (siehe dazu ausführlich Teil 1 in der Ausgabe 12/2012) und eben der Mischung ergibt.Das Røde NT-5-Paar war ursprünglich, das heißt im Rahmen der Vorplanung zu diesem Projekt im Oktober 2012, als nicht obligatorischer, sondern lediglich optionaler Signallieferant gedacht. Gleichwohl rechnete Dicke durchaus mit den beiden Kleinmembranen in dieser nicht alltäglichen Positionierung: „Ich hatte – ich glaube bei Sengpiel und im Professional audio Mikrofon-Sonderheft – gelesen, dass diese Mikrofonanordnung die Spielerperspektive wiedergeben könnte. Das erschien mir von vorneherein attraktiv, um in den Aufnahmen die doch sehr intensiven Einspiel-Momente für mich zurückzuholen.“ Schon der erste Probe-Mix unter Einbeziehung des NT-5-Paares offenbart dann einen zusätzlichen klanglichen Nutzen. Sie ergänzen geschickt dosiert das Brauner Phantom AE und verleihen dem Grundklang, für den die beiden Hauptmikrofone verantwortlich sind, eine zusätzliche Dimension. Dicke entscheidet sich dafür, die NT-5-Signale jeweils hart links beziehungsweise hart rechts im Panorama zu positionieren, gleichzeitig dosiert er den Pegel feinfühlig, sodass sich im Ergebnis eine subtile, gleichwohl – im direkten Vergleich – sehr gut hörbare Verbreiterung und Fülligkeit des Klanges ergibt.

Aufnahmeort Kirche

Wie bereits eingangs erwähnt – und auf dem Aufmacher-Foto auch entsprechend in den Blickpunkt gerückt – kommt in dem Arrangement von „I Follow Rivers“ Dickes blaues MXL M3 als „Pfeif-Mikrofon“ zum Einsatz: „Meine Bearbeitung dieses Songs ist jazzy ohne seine Ohrwurm-Qualitäten außer Acht zu lassen. Die liegen eindeutig in dem Refrain, was das Lied völlig zu Recht zu einem Superhit gemacht hat. Deswegen bin ich auf die Idee gekommen, die Refrain-Melodie, nachdem ich sie zuerst gespielt habe, noch zu pfeifen. Das sorgt für zusätzliche Aufmerksamkeit beim Hörer und setzt im Rahmen des Gesamt-Projekts einen weiteren Akzent.“ Bei den Aufnahmen von „I Follow Rivers“ ist das Mikrofon ständig mitgelaufen, anders wäre das auch nicht machbar gewesene, beim Mix schneidet Dicke die Clips aber so zurecht, dass nur noch die Passagen, es sind zwei, übrig bleiben, wo der Pianist pfeift. Zusätzlich fügt er noch Fade-Ins und Fade Outs hinzu. Damit ist es jedoch nicht getan, wie Dicke schon ganz zu Anfang des Abhör- und Mischprozesses feststellt: „Das Pfeifen ginge ohne weitere Bearbeitung etwas unter, was gänzlich meiner Intention widerspricht, dient es doch als ‚Ear-Catcher’“ Was tun? Dickes erster Gedanke ist, einfach die Phase zu drehen – um dann „mit Schrecken“ festzustellen, dass Cubase LE, anders als die „ausgewachsenen“ Cubase-Versionen keine Phasenumkehr bietet. Da sich das Mischen in Cubase LE als sinnvoll erwiesen hat, bedient sich Dicke eines Helferleins. Das kostenlose Plug-in MSED von Voxengo, das es in VST- und AU-Ausführung für Mac und PC gibt, bietet als Mitte-Seite-En-/Decoder mit professionellem Anspruch auch ein Preset zur Phasenumkehr und stellt damit ganz Allgemein eine sinnvolle Gratis-Ergänzung zu Cubase LE dar. Johannes Dicke: „Mit gedrehter Phase klang mein Pfeifen schon etwas besser. Insoweit war meine Grundannahme also richtig. Aber ich wollte das Pfeifen noch präsenter, noch durchsetzungsfähiger haben. Deswegen bearbeitete ich das Signal zusätzlich – und recht heftig.“ In der Tat, denn zunächst erhöhte Dicke den Pegel der „Pfeif-Spur“ um ein Dezibel und setzte dann mittels Kanal-Equalizer einen Lo-Cut bei 426 Hertz, um möglichst viel vom Klavierklang herauszufiltern. Die entscheidende Maßnahme zur Erhöhung der Durchsetzungsfähigkeit des Pfeifens ist das Setzen des parametrischen Glockenfilters bei 8653 Hertz. Im Bereich zwischen fünf und neun Kilohertz ist das Gehör besonders empfindlich, die vergleichsweise moderate Anhebung um viereinhalb Dezibel bei der genannten Einsatzfrequenz macht die Pfeiftöne schärfer. Solo gehört geht das nicht unbedingt angenehm ins Ohr, im Rahmen des Arrangements, wo Dicke immerhin gegen den opulenten Klangkörper Steinway-Flügel anpfeift, erweisen sich diese Maßnahmen zusammengenommen als goldrichtig. Nach dem Mischen geht es an die Bearbeitung der Stereo-Summe, also des Cubase LE-Downmixes in Johannes Dickes eigenem Zebra Sound Studio unter Cubase SX 3. Dabei geht er vergleichsweise behutsam zu Werke und verwendet nur wenige ausgewählte Plug-ins. Den Anfang macht des Musikers Allzweckwaffe, die meisterhaft emulierte Mehrspurmaschine Studer A800, eines der bemerkenswertesten neueren Plug-ins von Universal Audios UAD 2-Plattform (siehe Test in Ausgabe 6/2011): „Für das Klavier-Projekt habe ich mich für das A800-Preset ‚Vintage’ entschieden, denn für meine Ohren bekommten die Aufnahmen damit einen Klang, der an die herausragenden MPS-Produktionen von Oscar Peterson und seinem Trio erinnert – übrigens einer meiner absoluten Lieblingsmusiker.“ Auf die virtuelle Studer A800 folgt der Enhanced EQ aus der Premium Tube Series von Native Instruments, seines Zeichens eine Pultec-Nachbildung und zuständig für etwas wohldosierten, wirklichkeitsnahen Röhren-Glanz bei zehn Kilohertz. Zusätzlich hebt Dicke mit dem Enhanced EQ noch den Bass bei 100 Hertz um ein Ideechen an. Für die abschließende Bearbeitung kommt der Passive EQ, der ebenfalls Teil der Premium Tubes Series ist, zum Einsatz. Dieser Equalizer ist dem bei Ton – und Mastering-Ingenieuren gleichermaßen beliebten Manley Massive Passive (siehe hierzu nur die Reportage über den PMC-Workshop in den Dorian Gray Studios in Ausgabe 9/2012) nachempfunden. Der Passive EQ fügt dem Gesamtklangbild noch ein Quäntchen Seidenschimmer bei zwölf Kilohertz hinzu.Trotz des durchaus gefälligen Klanges, entscheiden wir uns, für den Mastering-Ingenieur zwei Mixe anzufertigen: Eine reine Mischung ohne weitere Bearbeitung des Stereo-Signals und eine wie soeben beschriebene bearbeitete Version. Denn wir sind selbstverständlich sehr interessiert, wie der Mastering-Ingenieur mit dem Material umgehen wird und wollen ihm Raum zur Entfaltung geben.Ganz allgemein gesprochen handelt es sich bei diesem Projekt, wie wir gesehen haben, um ein „Work in Progress“ und es bleibt spannend. Denn es gibt noch weitere, nicht zu unterschätzende Arbeitsschritte im Rahmen dieses Projektes zu gehen und wichtige Entscheidungen zu treffen. Über alle Schritte werden wir Sie in den kommenden Ausgaben ausführlich informieren – bleiben Sie also dran.

Die Mikrofonierung hat sich bewährt



Kommentare


von  Professional audio am 31.01.2013
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