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Interview: Neil Dorfsman, Produzent und Tontechniker, Teil 2

Interview: Neil Dorfsman, Produzent und Tontechniker, Teil 2

Im ersten Teil unseres Interviews hat Neil Dorfsman, verantwortlich für die ersten digitalen Meilensteine der Tontechnik-Geschichte wie „Brothers In Arms“ von den Dire Straits oder Stings „Nothing Like The Sun“, die Geschichten hinter diesen Alben erzählt und wie es eigentlich zur digitalen Produktionsweise kam. Im zweiten Teil werfen wir jetzt einen Blick auf seine Arbeitsweise als Produzent: Dorfsman erzählt, wie er als Produzent Vertrauen zu einer Band aufbaut und Musiker beim Einspielen betreut. Dabei vereint er die Disziplinen Tontechnik und Produzieren, wobei es ihm auf die richtige Balance zwischen dem idealen Sound und einer optimalen Künstler-Betreuung ankommt. Darüber hinaus verrät er, wie es war, mit dem Dire Straits-Album „On Every Street“ eine fremdproduzierte Platte zu mischen, wie das Produzieren eines englisch singenden Nicht-Muttersprachlers – der Schweizer Sänger Ivo – realisiert wurde und warum er inzwischen gerne das Übersprechen bei Schlagzeug-Aufnahmen nachträglich kontrolliert. Du kombinierst beim Aufnehmen die Aufgaben Produzent und Tontechniker. Wie gehst Du die Suche nach dem perfekten Sound an, insbesondere wenn Dir auffällt, dass der Künstler keine Geduld dafür hat? Wo liegt für Dich der Kompromiss zwischen Sound und Performance? Beim Dire Straits-Album “Love Over Gold” habe ich den Fehler gemacht, zu lange nach dem perfekten Sound zu suchen. Während dieses Prozesses wurde mir klar, dass das ein Tabu ist. Seit damals versuche ich daher, so schnell es geht aufzunehmen. Schnell einen wirklich guten Sound hinzubekommen und nie den Künstler warten lassen. Das ist unglaublich wichtig. Wir hatten einen guten halben Tag am Gitarren-Sound für das „Love Over Gold“-Album gearbeitet und nicht das gefunden, was ich in meinem Kopf hörte. Mark [Knopfler, Dire-Straits-Gitarrist und Co-Produzent des Albums, Anm. d. Autors] machte das nichts aus, der fand das gut, weil er der Typ war, der richtig in die Tiefe gehen wollte. Aber die endlose Suche nahm der Session die Leichtigkeit. Im New Yorker „Power Station“-Studio, wo ich angelernt wurde, habe ich zum Glück schnelles Arbeiten gelernt. Anfangs habe ich Radiowerbung aufgenommen und Platten, bei denen fünf oder sechs Songs am Tag aufgenommen wurden. Ich habe nie mehr als eine Stunde oder auch eine halbe gebraucht für den kompletten Drum-Sound. Gelernt zu haben, schnell zu arbeiten, ist ein gutes Werkzeug als Produzent. Und auch wenn etwas nicht so perfekt ist, wie man es gerne hätte, es geht darum den Künstler nicht warten zu lassen. Sting ist sehr ungeduldig, was das angeht. Er mag keine Zeit auf Soundsuche verwenden, was aber kein Problem ist. Es muss Dir als Produzent möglich sein, im Tempo des Künstlers zu arbeiten, auch dann, wenn Du etwas hörst, von dem Du weißt, dass Du es nachher noch korrigieren musst. Abgesehen von der eigentlichen Produktion: Du hattest mal gesagt, dass die Vorproduktion zu dem Teil des Produzierens gehört, der am meisten unterschätzt wird. Absolut. Mit Bands würde ich am liebsten zwei Wochen Vorproduktion machen und sie danach auf die Bühne schicken, um sie ein paar Gigs spielen zu lassen. Ich denke, wenn man vor Leuten spielt, weiß man sofort, was funktioniert und was nicht. Das konnte ich noch nie so umsetzen, aber das war immer ein Traum von mir: An den Songs arbeiten, die Vorproduktion machen und dann live spielen lassen. Für eine Band-Situation ist die Vorproduktion entscheidend. Es ist möglich, richtig in die Tiefe gehen zu können, an den Songs zu arbeiten und man sieht, was die Schlüsselelemente der Band sind, worin ihre Stärken liegen. Das nimmt ein bisschen den Druck weg, wenn man später im Studio steht und aufnimmt. Wie baust Du als Produzent eine Bindung zu einer Band auf? Setzt Du dabei auf ein Gemeinschaftsgefühl? In den frühen 80ern, als ich angefangen habe und noch unerfahren war, hielt ich den Produzenten für den Menschen, der die Platte buchstäblich kreiert; der Typ, der alles machen muss und jeden genau anleitet, was er zu tun hat. Früher gab es die Glyn Johns dieser Welt, die ich unglaublich respektiere, und damals besaß der Job noch mehr eine „Anführer“-Rolle. Langsam über die Zeit hat sich das jedoch geändert. Ich habe Situationen erlebt, in denen dieses Konzept nicht funktioniert hat. Das war schwierig für mich, weil ich dachte: „Mensch, ich muss den Leuten von der Plattenfirma eine großartige Platte abliefern.” Es war so, als ob man bei der Band in der Verantwortung stand, aber in Wirklichkeit eher einer “höheren Autorität” in Form der Plattenfirma gegenüber loyal war. Das hat sich für mich durch die Projekte geändert, bei denen die Band sich dem nicht fügen wollte. Erst dann habe ich langsam realisiert, – zu langsam, das hätte ich früher schnallen sollen – dass mein kompletter Gehorsam und meine Loyalität nur der Band gelten sollte. Dass ich die Band immer so weit wie möglich gehen lassen sollte gegenüber der Plattenfirma und danach sehen, was passiert. Jetzt gehe ich – ohne wie ein Klischee klingen zu wollen – mit einer offeneren Einstellung an ein Projekt und gebe den Jungs mehr Freiraum. Ich kann Dir sagen, früher, wenn ein Bandmitglied mit einer Idee ankam, die ich nicht für gut hielt, habe ich sie gar nicht erst ausprobieren wollen, um keine Zeit zu verschwenden. Über die Jahre wurde mir aber klar, dass ich das auf jeden Fall ausprobieren sollte. Schließlich wurde ich in über 90 Prozent der Fälle positiv überrascht, dass etwas, das ich nicht für gut hielt, großartig funktionierte. Ich habe also auf die harte Tour gelernt, nicht so wertend zu sein und die Leute ihr Ding machen zu lassen. Es ist ihre Musik und es steht mir nicht zu, komplett die Kontrolle zu übernehmen. Ich habe vielleicht ein paar Wegweiser aufgestellt, etwa in welche Richtung wir am besten fahren sollten, aber es ist besser, wenn die Band am Steuer ist. Ich sage immer: Ich will nicht mit einer Band arbeiten, bei der ich nicht auch mal bei einer Meinungsverschiedenheit den Kürzeren ziehen kann. Anders ausgedrückt: Die Leute, mit denen ich gerne arbeite, haben eine starke Meinung und wenn sie die ausdrücken und mir verkaufen können, bin ich dafür total offen. Ich war früher in Situationen, in denen der Künstler nicht mit mir arbeiten wollte. Rückblickend wurde mir bewusst, dass das an dieser “Ich weiß es am Besten“-Attitüde lag. Und das ist wirklich nicht die Art, wie man eine Platte macht. Aber um Deine eigentliche Frage zu beantworten: Ich versuche, eine Band zu entspannen und ein Gemeinschaftsgefühl aufzubauen, indem ich ihnen auf jede nur erdenkliche Art mitteile, dass ich offen bin, dass ich dazu da bin, ihre Vision zu verwirklichen und dafür arbeite, so hart ich kann. Die Art, wie ich meine Arbeit machen will, besteht darin, der Band zu helfen, selbst herauszufinden, was sie machen wollen, um dann an der Seitenlinie zu stehen und sie zu fördern. Sogar George Martin sagt, dass er die Beatles-Platten nicht „gemacht“ hat. Er nannte es „den Verkehr leiten“.


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von  Professional audio am 19.07.2013
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