Reportage: Sample Library Produktion
Zugegeben, Orchester Sample Librarys tummeln sich mittlerweile am Markt wie Sand am Meer und auf den ersten Blick scheinen sie sich nicht großartig voneinander zu unterscheiden. Dennoch gibt es in diesem Bereich Hersteller, die nach wie vor mit neuen Produkten aufwarten und versuchen, mit Innovationen und neuen Ansätzen zu punkten. Dazu zählt auch das in der Nähe von Freiburg ansässige Unternehmen Orchestral Tools, das ich bei der aktuellen Produktion ihrer Streicher Library „Berlin Strings“ begleitet habe. Dabei erhielt ich einen tiefen Einblick, was alles an Aufwand getrieben werden muss, um am Ende ein fertiges Produkt zu erhalten. Doch zuvor seien ein paar Worte zum Hersteller erlaubt.
Das Soundware-Unternehmen Orchestral Tools wurde von Hendrik Schwarzer und Manfred Mantek gegründet und stellt seit 2010 Sample Librarys her. Mittlerweile können sie zu ihrer Kundschaft namhafte Komponisten zählen, die in Hollywood zur Top-Liga zählen. Beide Gründer sind schon seit ihrer Kindheit Freunde und musizieren in Folge dessen auch seit langem gemeinsam. Hendrik Schwarzer komponiert schon im Alter von 16 Jahren sein erstes Orchesterwerk und lernt so schon früh die Architektur eines Orchesterwerkes kennen sowie die Funktionen und Einsatzgebiete der verschiedenen Instrumentengruppen. In diesem Alter beschließen die beiden auch die Schule abzubrechen und sich selbstständig zu machen, um mit der Musik ihr Geld zu verdienen. Unglücklicherweise machte seinerzeit das Vormundschaftsgericht den beiden einen Strich durch die Rechnung, so dass die Gründung der Firma bis zum Erlangen der Volljährigkeit verschoben werden musste. Anfänglich produzieren die beiden Musik für Telefonwarteschleifen und -ansagen. Schwarzer schreibt in dieser Zeit sehr viel Musik, um sich auch als Komponist zu etablieren. Als dann 2010 eine Auftragsarbeit für ein Computerspiel mit echtem Orchester aufgenommen wird und noch Session-Zeit übrig bleibt, lassen Schwarzer und Mantek die Streichersektion schnelle Läufe und sogenannte Runs aufnehmen. Wenig später ist mit diesem Material ihre erste „custom made“ Library entstanden. Das Ergebnis dieser Library überzeugt beide derart, dass sie noch im selben Jahr alle finanziellen Ressourcen locker machen und mit dem Minsker Sinfonieorchester die ersten Aufnahmen für ihre „Orchestral String Runs“ Library beginnen. Um später einen Teil der Produktionskosten wieder einzuspielen, beschließen sie, einige Videos über die Library auf youtube zu posten, in der stillen Hoffnung sie vielleicht an einige Komponisten-Kollegen weiter zu verkaufen. Die Videos finden dabei so viel Anklang, dass bereits während der 14-tägigen Vorbestellungs-Phase die kompletten Produktionskosten schon gedeckt sind. Nach diesem glanzvollen Einstand geht die Erfolgsgeschichte von Orchestral Tools weiter und inzwischen umfasst das Repertoire der Firma sechs Librarys und einige Expansions.
Hendrik Schwarzer zieht die konzeptionellen Ideen für Librarys aus seiner täglichen Arbeit als Komponist. Es gab für ihn immer Dinge, die mit Sample Librarys nicht möglich waren, so erzählt er mir. Auch für Manfred Mantek, welcher sich in der Zwischenzeit als Mixing- und Mastering-Ingenieur für Orchester-Produktionen einen Namen gemacht hat, war mit manchen Ergebnissen „aus der Dose“ nicht zufrieden und so suchen die beiden permanent nach Möglichkeiten, eben diese Dinge doch möglich zu machen und noch realistischer klingende Ergebnisse zu erzielen. Neue Librarys werden dabei nicht aus rein kommerziellen Überlegungen heraus produziert, sondern dienen primär zum Abdecken des eigenen Bedarfs für die tägliche Arbeit. So auch mit der zweiten Library „Symphonic Sphere“ geschehen, die sich auf atmosphärische Artikulationen wie zum Beispiel Triller und Glissandi spezialisiert. Als nächstes sollte schließlich eine Holzbläser Library produziert werden. Allerdings erfahren Schwarzer und Mantek, dass die in Minsk stehende Belarus Film Scoring Stage, in der sie die bisherigen Aufnahmen gemacht hatten, renoviert wird. Kurzer Hand legen sie das Projekt aufs Eis und machen sich auf die Suche nach einer neuen Aufnahmemöglichkeit. Über ein Hall-Preset des Altiverb Hall-Plug-ins, welches Schwarzer früher gerne benutzte, kommen schließlich die Teldex-Studios in Berlin ins Spiel und Orchestral Tools entscheiden sich, ihre weiteren Aufnahmen künftig dort zu tätigen. Das in den 1950er Jahren aus einem Zusammenschluss von Telefunken und Decca gegründete Studio (damals Teldec) ist durch das eigene Label „Teldec Classics“ zu Ruhm und Ehre in Sachen Klassikaufnahmen gelangt und hat sich mit seinem 455 Quadratmeter großen Aufnahmeraum klanglich als ideal für Soundtracks und Klassikaufnahmen etabliert. Schwarzer spricht in diesem Zusammenhang von einem Flimmern im Höhenbereich, welches den Raum so magisch macht. Außerdem sei er klanglich ausgewogen und habe keine Anhebung der unteren Mitten, wie sie sehr viele renommierte Scoring Stages aufweisen. Somit sei dieses Studio prädestiniert für die Aufnahmen von Librarys, denn Überbetonungen in manchen Frequenzen können beim Übereinanderlegen von vielen Spuren oder beim Spielen von Akkorden dazu führen, das sich diese aufsummieren und klanglich auffällig werden. Nicht zuletzt auch der Bestand an Vintage-Mikrofonen macht das Teldex Studio, das inzwischen von ehemaligen Mitarbeitern übernommen wurde, für beide umso interessanter.
Der 455 Quadratmeter große Aufnahmeraum der Teldex Studios
Ein Auszug aus den für die Berlin Strings aufzunehmenden Noten eines Aufnahmetags Manfred Mantek (im Vordergrund) und Sascha Knorr (im Hintergrund) bei den Bratschenaufnahmen
Der Decca Tree ist ein Klassiker in Sachen Orchester-Mikrofonierung Eine Augenweide für Vintage-Fans: Die Netzteile und Vorstufen für die Berlin Strings eingesetzten Neumann-Mikrofone
Hendrik Schwarzer an seinem Arbeitsplatz. Er arbeitet mit einem Hauptrechner und zwei Slaves auf denen diverse Sample Librarys laufen. Das Laden seines Orchester Templates benötigt um die 20 Minuten. Peter Ullrich beim Setzen der Marker für die Loopstart- und Endpunkte
Bei Orchestral Tools wird jede Arbeitsmöglichkeit genutzt. Da kommt auch schon einmal ein Laptop zum Einatz Stanislav Berzon von dem Script der neuen Berlin Strings Library.
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