Interview: Orchester-Produktion in den Abbey Road Studios
Der Basler Tonmeister Daniel Dettwiler hat keine Furcht vor großen Aufgaben. Gemeinsam mit der Klezmer-Band Kolsimcha und dem London Symphony Orchestra hat er in den legendären Abbey Road Studios ein echtes Mammutprojekt realisiert.
Von Sylvie Frei
Immer wieder sind es die großen und aufwändigen Produktionen, die Tonschaffende vor eine besondere Herausforderung stellen. Kommt dann noch eine berühmte Besetzung und ein legendärer Aufnahmeort hinzu, wird die Produktion zu einem richtigen Abenteuer. Von genau solch einem Abenteuer hat uns der Basler Tonmeister Daniel Dettwiler in einem ausführlichen Interview berichtet. Dettwiler hatte das Vergnügen, die unter Kennern geschätzte Schweizer Klezmer-Band Kolsimcha gemeinsam mit dem berühmten London Symphony Orchestra in den heiligen Hallen des legendären Londoner Abbey Road Studio 1 aufzunehmen. Die Musik dafür komponierte Kolsimcha-Pianist Olivier Truan. Sie wurde von Band und Orchester an vier Tagen im Abbey Road Studio eingespielt und anschließend von Daniel Dettwiler in seinem Basler Studio Idee und Klang gemischt und gemastert.

?Das klingt nach einem überaus spannenden Projekt. Wie kam es denn zu der Kooperation zwischen Ihnen und Kolsimcha?
! Ich kenne die Band seit meinem Studium, habe auch schon CDs für sie gemischt und komme sehr gut mit den Bandmitgliedern aus. Zwar hatten wir zuvor eine Weile keinen Kontakt, da meine Hauptkontaktperson die Band verlassen hatte. Doch pünktlich zu diesem Groß-Projekt haben wir uns wiedergefunden. Darüber bin ich sehr froh, denn das ist doch die Art Projekt, die man unbedingt haben will.
? Stimmt es, dass Kolsimcha die Aufnahme mittels Crowdfunding finanziert hat?
! Ja, das stimmt – das Crowdfunding-Ziel lag bei umgerechnet fast 70.000 Euro, eine Summe, die für einen viertägigen Aufenthalt im Abbey Road Studio und für das London Symphony Orchestra notwendig war. Kolsimcha hat international eine treue Fangemeinde und füllt auch große Säle. Die Musiker faszinieren live durch ihre Spielfreude und verkaufen bei den Konzerten so viele CDs, dass sie davon leben können. Als die Fans „Abbey Road Studio“ und „London Symphony Orchestra“ hörten, steuerten sie gerne etwas bei, da sie die Produktion in einem legendären Studio mit einem berühmten Orchester spannend fanden.
? Wie haben Sie sich für diese aufwändige Produktion koordiniert?
! Die Produktion bin ich gemeinsam mit meinem ehemaligen Tonmeister-Lehrer, Robert Hermann, angegangen, der die Kompositionen des Kolsimcha Pianisten Olivier Truan sehr gut kennt und den Part des Aufnahmeleiters übernahm. Er ist übrigens auch der Live-Ingenieur der Band. Meine Hauptverantwortung galt dem Klang. Außerdem stand uns Jonathan Allen, ein preisgekrönter Ton-Ingenieur aus den Abbey Road Studios, zur Seite, der bei den Aufnahmen das Pult bedient hat und auch für den Rough-Mix der Musiker zuständig war. Da ich nicht mit dem Mischpult des Abbey Road Studios vertraut bin, ist es besser, wenn ich das nicht alleine mache. Meine Aufgabe war es demnach, in Zusammenarbeit mit Jonathan, das Klangbild abzustimmen. Er hat aber auch mitproduziert. Da er das Orchester sehr gut kennt, konnte er Robert Hermann bei der Kommunikation mit den Orchestermusikern unterstützen. Robert und Jonathan teilten sich die Aufgaben: Während sich Robert um die größeren musikalischen Bögen kümmerte, war Jonathan für die filigrane Arbeit zuständig. Als Trio konnten wir das Projekt richtig gut meistern. Bei derart großen Produktionen kommen natürlich auch noch zwei Assistance Engineers mit hinzu, darunter ein Pro Tools Operator. Diese vom Abbey Road gestellten Helfer sind äußerst freundlich und kompetent, sodass es eine wahre Freude war mit ihnen zu arbeiten.

? Was war für Sie die größte Herausforderung bei den Aufnahmen?
! Das war sicherlich die Art, wie die Musik arrangiert ist. Bei den meisten Jazzprojekten mit Orchester ist das musikalische Material vorn vorne herein auf Gesang, Band und Orchester abgestimmt. Alles bildet eine Einheit und jedes Element übernimmt seine zuvor bestimmte Aufgabe. Bei den Aufnahmen mit Kolsimcha und dem London Symphony Orchestra war das anders. Die Band spielte mit dem gleichen, vollen Klang, den sie auch live ohne Orchester spielt. Das ganze Arrangement ist darauf angelegt, dass zwei bombastische Klangkörper zusammen virtuos musizieren und sich verbinden. Die Schwierigkeit war nun, das Ganze so aufzunehmen, dass sich eine klangliche Fusion ergibt, das Orchester und Band perfekt "amalganisieren" und beide mit einer enormen physikalischen Integrität als Einheit auf die Lautsprecher gelangen.
? Wie müssen wir uns die Sitzordnung von Band und Orchester im Raum vorstellen?
! Das Orchester sitzt im Abbey Road Studio in traditioneller Orchesterordnung. Vom Dirigenten aus sitzen also die Streicher vorne von links nach rechts verteilt, die Hörner links hinter den Violinen. In der Mitte hinten sitzen die Holzbläser und rechts hinten die Posaunen, Trompeten und die Tuba. Hinter dem Dirigenten steht die Band – links der Flügel, mittig die Klarinette und rechts die Flöte. Band und Orchester bilden also insgesamt einen Kreis, in dessen Mitte der Dirigent steht. Der Schlagzeuger und der Kontrabassist hatten jeweils einen separaten Raum, damit das Schlagzeug nicht zu laut überspricht und damit sich der Bass für den Mix besser separieren lässt.

? Wie ist denn die Raumakustik im Abbey Road Studio 1 beschaffen?
! Das Abbey Road Studio ist sicherlich fast 500 Quadratmeter groß und besitzt eine herausragende Akustik – es gibt weltweit wenig vergleichbare Räume. Daher mussten wir insgesamt nicht viel mit Stellwänden arbeiten. Wir hatten um die Kesselpauke und die Percussion herum ein paar halbhohe Wände stehen, die bereits vom Studio so angeordnet waren. Außerdem standen hinter den Hörnern Reflektoren, damit der Schall nach vorne geleitet wird. Das ist wichtig, damit die Hörner auf den Hauptmikrofonen im Decca Tree laut genug zu hören sind. Im Nachhinein hätte ich gerne noch Wände zwischen den tiefen Streichern und den Blechbläsern gehabt, denn diese haben bei lauten Stellen die Streicher naturgemäß oft übertönt.

? Wie wurden Orchester und Band mikrofoniert?
! Die Basis der Mikrofonierung bildet die dreigliedrige Decca Tree-Anordnung, die in einer Höhe von drei bis vier Metern über dem Dirigenten angebracht ist. Eines der Seitenmikrofone wird nach links in Richtung der ersten Violinen ausgerichtet, das andere nach rechts in Richtung der Celli. Das Mittenmikrofon ist im Vergleich zu den Seitenmikrofonen einen Meter tiefer im Orchester platziert. Die Decca Tree-Anordnung eignet sich sehr gut um die Größe des Orchesters aufzuzeichnen. Zwei Meter weiter links und rechts vom Decca Tree sind außerdem zwei sogenannte Outrigger-Mikrofone über den Violinen und über den Celli angebracht. Sie sind für die Breite der Aufnahme zuständig. Außerdem haben wir zwei Ambience-Mikrofone positioniert, die den Raum aufnehmen. Unterhalb hinter dem Decca Tree habe ich noch einmal zusätzlich zwei Mikrofone in A/B-Anordnung angebracht – das mache ich persönlich immer, ist aber in den Abbey Road Studios nicht Standard. Die A/B-Mikrofonierung erzeugt einen etwas klassischeren Klang, der dann am Ende mit den Decca Tree-Aufnahmen gemischt werden kann. Hinzu kommen viele Stütz-Mikrofone: Drei für die ersten Geigen, zwei für die zweiten Geigen, zwei für die Bratschen, drei bis vier für die Cellos, drei für die Bässe. Auch die Holzbläser wurden, wie im Abbey Road üblich, ebenfalls mit mehreren recht nahen Stütz-Mikrofonen aufgenommen. Ich habe aber zusätzlich noch ein Stereo-Main-Mikrofon für die Holzbläser hinzugefügt, das ich für Big Band-artige Passagen passend fand. Das hat sich im Mix als absolut essentiell herausgestellt. Das gleiche gilt für die Blechbläser: Jeweils diverse nahe Stützen und je ein Overhead für Hörner und Trompeten/Posaunen. Außerdem kommen sechs Piano-Mikrofone, 15 Mikrofone für das Schlagzeug, diverse für die Orchesterpercussion, drei für den Kontrabass und jeweils vier für Klarinette und Flöte hinzu.
? Wie positionieren Sie die Stütz-Mikrofone – beispielsweise am Flügel?
! Beim Flügel generell nicht zu nah und nicht zu weit entfernt – ungefähr auf der Seitenachse. Die Mikrofone ragen also nicht wirklich ins Innere des Flügel, sind aber auch nicht einen halben Meter vom ihm entfernt. Die Positionierung hängt extrem vom jeweiligen Instrument und vom Raum ab – ich mikrofoniere nicht immer auf die gleiche Weise, sondern passe die Positionierung für jede Aufnahmesituation neu an. Bei den Aufnahmen in den Abbey Road Studios hatte Jonathan die von mir gewünschten AKG C12 für den Flügel bereits vor meiner Ankunft aufgestellt. Beim Soundcheck gefiel mir der Klang sehr gut, lediglich die Basis-Breite wollte ich noch etwas größer. Jonathan hat zusätzlich noch zwei spezielle Coles-Mics, welche es nur in den Abbey Road Studios gibt, aufgestellt. Er meinte, ich sollte dieses Signal für die etwas rockigeren Sachen ausprobieren. Bei den entsprechenden Stücken waren diese Coles dann auch tatsächlich eine große Bereicherung. Bei den Stützmikrofonen geht es allgemein nicht nur darum, Lautstärke für das jeweilige Instrument zu generieren, sondern darum, die Räumlichkeit zu orchestrieren. Hebe ich das jeweilige Mikrofon an, erscheint das Instrument nicht zwingend lauter, es kommt jedoch räumlich nach vorne, als ob ein Solist für seinen Einsatz einen Schritt vor das Orchester tritt.

? Sie besitzen selbst eine Sammlung exquisiter historischer Mikrofone. Welche Modelle haben Sie bei der Produktion im Abbey Road Studio eingesetzt?
! Für die Hauptmikrofonierung am Decca Tree sowie die Outrigger-Mikrofone kamen ausschließlich Neumann M50 zum Einsatz, beim Bass-Overhead ebenfalls. Für mich ist das M50 mit Abstand das beste Kugelmikrofon für Orchesteraufnahmen. Es besitzt einen unglaublich seidigen, sanften und farbigen Klang und besitzt alle positiven Eigenschaften, die auch ein modernes Kugelmikrofon hat, mit dem Unterschied, dass es nicht so nüchtern und langweilig klingt. Leider sind M50 heute kaum noch erschwinglich – für drei Mikrofone müsste ich heute sicher 50.000 Franken hinblättern. Daher bin ich sehr froh, dass das Abbey Road Studio etliche Exemplare davon besitzt. Ansonsten kamen für die Klarinette und die Blechbläser mehrere U47 zum Einsatz – eigentlich das klassische Vocal-Mikrofon schlechthin, von dem ich selbst fünf Exemplare besitze. Sie haben einen sehr kernigen, warmen und großen Sound. Ich schätze Vintage-Mikrofone wie diese, weil sie durch subtile, filigrane Obertöne einen besonderen Klang beisteuern und gleichzeitig die Dynamik auf eine natürliche Art schon leicht einschränken. Ansonsten hatten wir viele Bändchenmikrofone von Coles und RCA im Einsatz, beispielsweise für die Flöte und bei den Bläsern. Die Holzbläser wurden zum Teil auch mit modernen Mikrofonen von Schoeps aufgezeichnet. Für die Streicher in der ersten Reihe habe ich Neumann U67 verwendet, für die hinteren Reihen KM84.
? Wie viele Mikrofone hatten Sie insgesamt im Einsatz?
! Insgesamt waren es ungefähr 120. Aber die sind auch absolut notwendig. Wer Musik richtig gut inszenieren möchte, braucht richtig viele Mikrofone – ich halte nichts von zu spartanischer Mikrofonierung. Sehr angenehm an den britischen Toningenieuren im Abbey Road Studio fand ich übrigens, dass sie meinen Mikrofonierungsvorschlägen offen gegenüberstanden.
? Wie liefen die Aufnahmen ab – wurde alles live eingespielt?
! Wir haben – abgesehen von der Flöte, da Flötist Ariel Zuckermann gleichzeitig als Dirigent fungierte – alles gemeinsam und live aufgenommen, jedes Stück als Ganzes. Das Orchester übt dafür nicht, sieht die Noten bei der Aufnahme zum ersten Mal und spielt sie dann direkt vom Blatt. Das ist allgemein gängige Praxis. Komponist und Pianist Olivier Truan von Kolsimcha hatte zuvor beim London Symphony Orchestra angefragt, wie kompliziert er dann überhaupt komponieren dürfe. Der Orchestermanager meinte dazu nur: “Olivier, listen: they can read and play everything.“ (“Hör mal, Olivier: sie können alles lesen und spielen.”). Daraufhin wollte es Olivier wirklich wissen und hat seine Kompositionen zum Teil extrem komplex arrangiert. Die Musiker haben das dann tatsächlich hervorragend bewältigt – außer beim komplexesten Stück, das wir gleich am Anfang aufgenommen haben. Dieses war nach dem dritten Take zwar okay, aber nicht perfekt – wir haben dann einfach weiter gemacht. Für alle weiteren Stücke haben die Musiker kaum mehr als zwei Takes gebraucht. Am dritten und letzten Orchester-Aufnahmetag waren wir circa 20 Minuten vor Ablauf der Session fertig und so kamen wir auf die Idee das erste Stück noch einmal aufzunehmen. Die übrige Zeit hat noch für genau einen Take gereicht und diesmal haben es die Musiker absolut perfekt hinbekommen, es war unglaublich. Am vierten Tag haben wir dann noch die Overdubs des Flötisten aufgenommen.
? Es war sicher sehr beeindruckend mit einem derart genialen Orchester zu arbeiten…
! Das London Symphony Orchestra ist für die Aufnahme eines solchen Projektes wohl nicht zu toppen – Robert Hermann und ich haben wirklich gestaunt, zu welchem Tempo es beim Blattspiel in der Lage ist. Aber auch die Musiker des Orchesters waren angetan von Oliviers Komposition und haben sich am Ende bedankt und gesagt, dass es ein Highlight in ihrer Karriere war, diese besondere Musik zu spielen.

? Welche Technik kam in den Abbey Road Studios außer der großen Menge von zumeist historischen Mikrofonen zum Einsatz?
! Das Abbey Road Studio ist ein altes Studio, das sich durch einen tollen Raumklang und sehr gute Mikrofone auszeichnet. Ich bin allerdings, was die Vorverstärker angeht, kein Fan dieser riesigen Mischpulte, wie der dort vorhandenen Neve-Konsole. Ich hätte lieber mit ausgewählten Röhren-Vorverstärkern gearbeitet. Aber dafür fehlte bei dieser Produktion mit 120 Mikrofonen einfach die Zeit. Im Abbey Road Studio wird alles in die Konsole gesteckt und dann kann es losgehen. Sie haben dort mit dem Neve 88 RS wohl das teuerste Analog-Mischpult, das man derzeit auf dem Markt finden kann und es ist klanglich natürlich absolut okay und professionell. Die Vorverstärker entsprechen allerdings nicht dem, was ich mir im Optimalfall wünschen würde. Auch die dort genutzten Avid-Wandler sind natürlich sehr gut, aber ich hätte auch dafür eine andere Wahl getroffen und vielleicht wie bei mir in meinem Studio in der Schweiz EMM-Wandler, oder aber gleich die Vorverstärker-Wandler-Kombination im Horus von Merging genutzt, welche oft besser abschneidet als die Kombination herkömmlicher Vorverstärker und Wandler. Beim Mischen musste ich aufgrund der eingesetzten Vorverstärker- und Wandler-Geräte ein ganz kleines bisschen mit der Härte der Aufnahmen kämpfen. Für zukünftige Aufnahmen im Abbey Road Studio – das nächste Projekt ist schon geplant – werde ich meine eigenen Wandler mitnehmen.
? Sie haben die Mischung in einer Hybrid-Technik – einer Mischung aus digitalem und analogem Workflow gefahren. Wie genau sind Sie vorgegangen?
! Bei derart vielen Mikrofonen war es sofort klar, dass wir alles digital mit dem Computer auf Pro Tools aufnehmen. Anders als bei gängigen Hybridproduktionen schleife ich beim Mischen die analoge Peripherie jedoch nicht als Inserts in die digitale Mischumgebung, da ich Signalverluste durch zu viele A/D- und D/A-Wandlungen vermeiden und die Integrität meiner Aufnahmen erhalten will. Ich mische digital auf sogenannte Stems – von denen ich so viele generiere, wie ich Eingänge an meinem analogen Mischpult habe. Ich mische also meine insgesamt rund 200 Spuren im Pro Tools rein digital auf die 24 zur Verfügung stehenden analogen Kanäle. Die Instrumente, die ich in der analogen Umgebung einzeln benötige, erhalten jeweils einen eigenen Stem. Ich suche mir dann für jeden Stem ein paar passende Analoggeräte aus – Equalizer, Kompressoren – und dann kommen alle derart bearbeiteten Stems in mein analoges Studer Mischpult. Dort werden die 24 Kanäle final zusammengemischt. Die Schwierigkeit daran ist, dass ich am analogen Pult keine Automationen mehr vornehmen kann. Das muss bereits zuvor auf digitaler Ebene im Pro Tools geschehen – die Avid D-Control ist dafür ein sehr gutes Werkzeug. Aus diesem Grund kann ich Signale nicht beliebig lauter machen, denn ansonsten würde ich beispielsweise die nachfolgenden analogen Kompressoren überfahren. So kann es am Ende sein, dass ich im digitalen Bereich ummischen muss, indem ich andere musikalische Komponenten leiser mache, damit zum Beispiel die Klarinette im Vergleich lauter erscheint. Das alles erfordert bei meiner hybriden Methode etwas mehr Denkarbeit als bei einem rein digitalen Mischvorgang, ermöglicht aber – meiner Meinung nach –herausragende Resultate, die den großen rein analogen Produktionen aus den goldenen Zeiten in nichts nachstehen.Am Analogpult mische ich dann alle meine Spuren auf eine Stereospur, welche nun noch mit dem herausragenden United Minorities Q-Faktor und einem alten Neumann W495 Equalizer gemastert wird. Das Ganze geht nun auf eine analoge Studer A80- oder – je nach Klangwunsch – auf eine C37 Röhren-Bandmaschine, weil ich den Tape-Sound einfach genial gut finde. Für mich ist eine Bandmaschine der beste Kompressor, der je gebaut wurde. Von diesem Band wird schließlich die Schallplatte hergestellt. Vom Band gehen wir noch einmal zurück in den Computer, um das Ganze für die CD-Produktion zu digitalisieren.

? Arbeiten Sie ausschließlich mit analogen Effektgeräten oder nutzen Sie auch Plug-ins?
! Beides, das ist ja das Schöne an der heutigen Zeit. Sowohl das Digitale als auch das Analoge hat seine Vor- und Nachteile. Digitale EQs machen es beispielsweise sehr leicht, Frequenzüberhöhungen heraus zu filtern und ermöglichen ein unglaublich präzises Arbeiten. Das Analoge hat für mich hingegen immer eine gebende Komponente – das Digitale färbt nicht wirklich, es tut nur so. Über das Outboard füge ich Färbung, Glanz, Seide und Pergament hinzu – das geht einfach nur mit analogen Geräten.Wir arbeiten auch mit digitalen Hall-Effekten wie etwa dem Flux Ircam Verb. Aber wir verwenden auch gerne Hall-Outboard – so werden bei uns im Studio beispielsweise der Lexicon 960L, zwei Sony DRE777 Sampling Reverbs, das TC System 6000, ein alter Quantec QRS oder eine echte Hallplatte von Dieter Schöpf eingesetzt.
? Wie gelingt es Ihnen, die vielen unterschiedlichen Spuren am Ende zu einem konsistenten Klangbild zusammen zu setzen?
! Dafür erarbeite ich schon vor den Aufnahmen und der Mischung eine innere Klangvorstellung, die ich dann Schritt für Schritt umsetze. Es gibt kein Patentrezept für das Gelingen. Bei der Produktion mit Kolsimcha meinten nach 15 Tagen Mischung alle, es sei schon perfekt. Doch ich hatte eine Krise und war unsicher. Also habe ich mir noch einmal Zeit genommen, die Holzbläser etwas mehr herausgearbeitet und vieles nochmal neu gemischt, bis ich zufrieden war. Der Komponist war daraufhin vollkommen begeistert, was ich aus seiner Komposition noch herausholen konnte. Aber es ist immer wieder ein schwieriger Prozess bei diesen Großprojekten. Manchmal weiß ich selbst nicht, wie das am Ende gelingt. Eine gute Produktion ist nämlich nie allein das Ergebnis von Erfahrung – die Intuition spielt eine größere Rolle.
? Wo können wir denn die Früchte Ihrer Intuition hören?
! Kolsimcha hat einige Videos auf Youtube gestellt, die während den Aufnahmen in den Abbey Road Studios entstanden sind. Das Video vom Stück Noah enthält bereits den finalen Mix und ist unter http://youtu.be/4AOb49qHfkY zu finden. Die finale CD „Kolsimcha & London Symphony Orchestra“ können Sie auf der Webseite www.jazzandrecords.com bestellen.
Wir bedanken uns herzlich für das spannende Interview und wünschen Ihnen noch viele ebenso spannende Produktionen wie diese.
Der Klangvisionär
Daniel Dettwiler wurde 1974 geboren und schloss im Jahr 2001 sein Audiodesign-Studium an der Musikhochschule Basel ab. Er hat sich auf die Produktion von akustischer Musik spezialisiert, realisiert aber auch Klanginstallationen. Dettwiler hat schon mit etlichen berühmten Jazz- und Filmmusikern zusammen gearbeitet. So war er unter anderem an Produktionen von Herbert Grönemeyer, Jasmin Tabatabai und der WDR Bigband beteiligt. Desweiteren hat er diverse Filmscores realisiert, unter anderem für die Filme "Die Weiße Massai" oder "Die Abenteuer des Huck Finn". Außerdem ist er seit 2003 an der Musikhochschule Basel und seit 2013 an der Zürcher Hochschule der Künste als Lehrbeauftragter tätig. In Basel betreibt er das Idee und Klang Studio sowie – gemeinsam mit seinem Partner Ramon De Marco – die Idee und Klang GmbH (www.ideeundklang.com).
Mitreißende Musikanten
Die Schweizer Band Kolsimcha (www.kolsimcha.net) spielt mitreißende Klezmer-Musik mit modernem Anstrich, die auch Einflüsse aus Jazz und Klassik in sich vereint. Die umtriebige Kernbesetzung der Gruppe setzt sich aus den Instrumentalvirtuosen Michael Heitzler (Klarinette), Ariel Zuckermann (Flöte), Olivier Truan (Piano, Komposition), Daniel Fricker (Bass) und Christoph Staudenmann (Schlagzeug) zusammen. Kolsimcha spielt ausschließlich Eigenkompositionen und ist auch teilweise live mit orchestraler Unterstützung zu hören. Gemeinsam können die Musiker auf eine stolze Anzahl von Auftritten in den renommiertesten Konzerthäusern der Welt sowie zahlreiche CD-Einspielungen zurückblicken. Außerdem wirkte Kolsimcha an mehreren Film-, TV-, Theater-, Ballett- und Hörbuch-Produktionen mit.
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