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MyOwnMusic

Aminjana

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Aminjana am 13.08.12 um 10:30

Warum ich diese Songs schrieb...

EiaPoPeia,
ist doch gar nicht schlimm...


Hallo, wie geht’s Dir? Lebst Du? - Ich meine, lebst Du wirklich? Fühlst Du und nimmst wahr, was um Dich herum geschieht?
Bist Du präsent? Im Hier und Jetzt?
Was war Vorgestern bei Dir los? An welche Einzelheiten erinnerst Du Dich?
War der Tag Routine oder gab es da Besonderheiten?
Vorgestern...
Bei mir war Vorgestern Sonntag der 18.01.2009.
Lauras Aufregtag. Sie hatte einen Ihrer ersten Unterrichtstage mit Kids in Bewegungstraining und Hip Hop, nur nicht in ihren eigenen Räumen.
Die Räume ihrer Tanzschule al Vuelo sind noch nicht ganz fertiggestellt, doch die Presse war über die Eröffnung der Tanzschule informiert worden. Typisch für uns alle... Warum geht es immer nur 2 Schritte vor und einen zurück? Gehörst Du auch zur Beinstellgeneration? Nichts wird pünktlich fertig oder nur mit viel Gehetze. Adrenalin bis zum Anschlag, wie da ruhig bleiben?!
Aber Laura ist ja spontan, also Plan-B aus dem Ärmel schütteln und eine andere Lokalität suchen.
Meine Ma sollte auch mit, sie war ja schließlich so was wie ihre Ersatz-mama in unseren ersten Jahren, in denen wir uns kennen lernten.
Als ich 6 war zog Laura über uns ein. Frisch aus Chile eingeflogen.
Die noch angstgeweiteten Indianeraugen von den Verfolgungen im Vaterland vergess ich nie.
Plötzlich war alles anders, Meret wurde mal wieder von Ihren berühmten Eltern in eine andere Stadt verschleppt und aus meinem Leben gerissen und Laura kam hinein geflüchtet.
Irgendwie schauspielern wir alle. Tanzen, singen, produzieren Musik oder machen sonst was Kreatives.
Was meinst Du, liegt das an der Rutenstraße?
So richtig Künstlerviertel war das ja nicht in den 70ern. Jedenfalls war das mein Anfang davon zu begreifen, dass das Leben jede Menge Über-raschungen bereit halten kann.
Zurück nach 2009: Meine Ma tauchte natürlich nicht pünktlich um 2 bei Laura auf. Ihr war das Portemonnaie von einem Trickdiebpärchen gestohlen worden und sie musste erst mal alles Mögliche veranlassen. Du kennst das ja: zur Polizei, Konten sperren lassen, Umgebungs-Mülleimer durchsuchen etc..
Aber dann beim Hip-Hop wurde sie wieder präsent.
Weg vom Schockmoment hinein in die Beats.
Immerhin, Baujahr 36 und noch fit wie ein Turnschuh.
Als ich meinen Sohn beobachtete, musste ich schmunzeln. Sechs Jahre und immer vorne oder mitten drin. Man merkt ihm gar nicht mehr an, was er alles durchgemacht hat.

Er muss wohl 3 gewesen sein, als er das erste Mal merkte, dass das Leben böse Überraschungen haben kann. Ich werd ihn mal in 10 Jahren fragen.
Wie alt warst Du, als Du aus Deinem süßen Kindheitstraum das erste Mal aufgeschreckt bist?
Ich war 8 Jahre und wollte in mein Schulgebäude durch den Hinter-eingang. Damals mussten wir Schüler der Bürgermeister Schmidt Schule unter dem Gebäude durch einen Gang gehen, um auf das Schulgelände zu kommen. Vor der Tür stand ein Mann und fragte mich direkt, ob ich ein Mädchen oder Junge sei. Ich antwortete: „Ein Mädchen!“
Der Mann, mitte zwanzig fragte fordernd: “Darf ich mal fühlen?“ und bewegte sich auf mich zu. Mein Herz schlug bis zu meinem Hals. Angst stieg in mir auf und ich hörte mich atmen. Ich spürte ganz genau, dass dieser Mann etwas von mir wollte, was mir nicht gefallen würde. Ich erinnerte mich daran, was meine Ma immer zu mir gesagt hat: „Wenn Du etwas nicht willst, sag es und wenn jemand mit Dir Sachen macht, die Du nicht willst, dann wehr Dich mit allem, was Dir zur Verfügung steht!“
Und das tat ich. Ich schlug und schrie und trat um mich, wie ich mich noch nie in meinem Leben bewegt hatte. Sein Griff ließ endlich nach, nachdem ich ihm den berühmten Tritt in die Eier verpassen konnte.
Sofort lief ich zu meiner Klassenlehrerin und berichtete ihr von dem Vorfall. Die Dinge nahmen ihren Lauf, die Ermittlungen ergaben, dass 14 Mädchen und 2 Jungen von diesem Mann unsittlich angefasst worden waren, ohne, dass sie es vorher angaben. Die Polizei und die Eltern legten sich auf die Lauer und er konnte ein paar Tage später verhaftet werden.
Ein Gutachten ergab: Er sei psychisch krank und kam wieder auf freien Fuß! Musste aber eine Therapie machen. Nur ein halbes Jahr später tötete er eine 15 jährige wenige 100 m von unserer Schule…
Was ich nicht verstand, warum schwiegen die anderen Kinder?
Wussten sie nicht, dass niemand sie gegen ihren Willen anfassen durfte?
In diesem halben Jahr, bevor der Mann das Mädchen tötete, veränderten sich bei uns die Familienverhältnisse. Meine Ma war alleinerziehend gewesen und lernte meinen Reitlehrer näher kennen und lieben. Es gab eine überstürzte Hochzeit und wir planten aufs Land zuziehen und einen Reiterhof zu eröffnen. Frisch umgezogen, fühlte ich mich weit weg von unserem alten Zuhause in Sicherheit und hoffte schnell das Erlebte zu vergessen.
Doch dann passierte in meiner Kindheit etwas so unfassbares, dass ich mit einem Schlag erwachsen werden musste.
Mein neuer Stiefpapa entpuppte sich als Vollalkoholiker mit Hang zur Schizophrenie und zum Psychopathen. Am Tag der Hochzeit zeigte er das erste Mal einen kleinen Teil seines wahren Gesichtes.
Erste Beschimpfungen wurden zur Tagesordnung und Geschirr flog an Wände, wenn das Essen nicht schmeckte. Ich beobachtete, dass meine Ma immer schwächer wurde und fragte sie:“ Warum lässt Du das zu?“
Da er sich immer wieder entschuldigte und seine Liebe ihr gegenüber bekundete, vergab sie ihm. Bis er sie das erste Mal vergewaltigte. Sie wollte die Scheidung. Doch was sie nicht ahnte, er hatte längst beschlossen, uns nirgendwo mehr hingehen zu lassen.
Als Demonstration für seine Macht, feuerte er aus einem Luftgewehr auf zwei unserer Hunde. Da meine Ma einen Jagdschein besaß, hatte sie mehrere Waffen in ihrem Besitz. Aber warum nahm er das Luftgewehr? Damit der Todeskampf schön lange dauerte und die Hunde uns zeigen sollten, wie schrecklich Schmerzen sein können.
Wir waren mit lahmgelegtem Telefonanschluß auf einem einsamen Resthof kurz vor Oldenburg gefangen genommen worden. Der Schule erzählte er, ich würde wieder in Bremen zur Schule gehen und andere Kontaktpersonen wurden einfach von ihm mit diversen Ausreden abgewimmelt.
Ich wurde von ihm zum Zuschauer in einem Horrorfilm gemacht.
Hast Du schon mal einen richtigen Horrorfilm gesehen, in dem Du vor Angst dachtest, bloß ausmachen?
Ich war in so einem mitten drin und es gab keinen Ausschaltknopf!
Meine starke Ma wurde beschimpft, geschlagen, getreten, vergewaltigt und erniedrigt. Ihr wurden Finger und Rippen gebrochen. Und immer, wenn wir uns auflehnen wollten, starb ein Tier.
Nach ein paar Wochen kam meine Ma auf die Idee mit ihm einkaufen fahren zu wollen und schaffte es mit guter Schauspielerei ihn dazu zu bewegen, sie mitzunehmen. Ich wurde zurück gelassen und packte meine Tasche.
Sie schaffte es ihm zu entkommen, rief die Polizei und wir wurden ihn für ein paar Jahre los.
Wegen guter Führung kam er früher als erwartet aus dem Gefängnis und wir bekamen einen Polizisten an unsere Seite, weil er vor Zeugen bei seiner Verhaftung gedroht hatte, uns zu töten. Als unser Polizeischutz aufhörte, weil mein Exstiefvater die Stadt verlassen hatte, wurde ich für ein paar Stunden schock-blind.
Im Krankenhaus stellten sie eine psychosomatische Reaktion fest und empfahlen meiner Ma eine Psychotherapie für mich.
Diese Therapie ließ mich mein Leben und alle Personen in meinem Leben aus mehreren Sichtweisen betrachten. Ich lernte mich und andere zu analysieren und zu verstehen. Somit verstand ich vor allem, warum meine Ma sich nicht wehren konnte und mein Exstiefvater so viel Macht erhielt.
Ich ging von nun an mit offenen Augen durch die Welt und wo immer ich eine Ungerechtigkeit sah, sprach ich die Menschen offen darauf an und forderte die Opfer auf, sich das Recht zu nehmen sich zu wehren. Hörte ich von Klassenkameraden, dass sie wegen schlechter Noten geschlagen wurden, involvierte ich Lehrer und das Jugendamt.
Hörte ich Weinen aus einem Haus, ging ich zur Tür und klingelte und fragte, nach dem Warum des Kummers. Auch meine Ma wachte wieder aus ihrer Hilflosigkeit auf und wurde sehend für die Hilfsbedürftigkeit anderer Menschen.
Als schließlich eine junge Frau in unsere Nachbarwohnung zog und uns ihre unglaubliche Geschichte der Gewalt ihres Elternhauses erzählte, nahmen wir sie in unsere Familie auf und halfen ihr den Glauben an das Gute im Menschen zurückzuerlangen. Sie wurde unser geliebtes Menschenkind…
Immer wenn ich sang, kauerte sie sich still in eine Ecke ihres Wohn-zimmers und lauschte meinen Tönen, irgenwann vertraute sie mir an, dass sie sich unglaublich geborgen und geliebt fühlen würde, wenn sie meine Stimme hörte.
Sie begann von sich zu erzählen und ich tröstete sie, wenn sie weinte.
Sie träumte von einem Märchenprinzen, der sie aus ihren Erinnerungen befreien würde und wir verbrachten viel Zeit miteinander.
Doch alle Prinzenanwärter entpuppten sich als Frösche und einer sogar als garstige Kröte. Unser geliebtes Menschenkind versuchte sich das Leben zu nehmen und ich fand sie. Gott sei Dank rechtzeitig und sie ging für 2 Jahre nach Wehnen.
In dieser Zeit schrieb ich ihr den Song EiaPoPeia. Durch den Kontakt nach Wehnen und den Psychologen begann ich immer mehr mich mit der Rolle der Opfer und Täter in unserer heutigen Gesellschaft zu beschäftigen und lernte viele Gewaltopfer und ihre Geschichten kennen.
Nun saß ich also bei Laura und erinnerte mich daran, wie alles begann.
Ich sah mein Kind und die anderen sich bewegen und fragte mich, wie ich dieses Kind auf das Leben und seine bösen Überraschungen vorbereiten könnte. Ich dachte an unsere Gesellschaft des Wegsehens und wurde wütend! Mir kamen die Tränen und ich sah all die verweinten Gesichter vor mir, die mir ihre Geschichte anvertraut hatten. Warum ging ich diesen Weg des Fühlens und des Mitleids? Ich hörte im Hintergrund meiner Gedanken die hämmernden Beats von Lauras Unterrichtsmusik und fing an zu singen: „Kind kann nicht in den Bauch zurück…!“
Dieser Satz geht mir nicht mehr aus dem Kopf.
Ich habe heute beschlossen meine Stimme zu nutzen und will all die Opfer- geschichten, die mir erzählt worden sind, für andere hörbar machen! Ich will ein Album produzieren, welches die Empathie des Hörers positiv verändern soll. Der Hörer soll sich direkt in die Rolle des Opfers hinein denken können und sein eigenes Verhalten anderen gegenüber überdenken. Und Du sollst es auch hören…

Das war der Anfang von der Idee das Album „Was uns bewegt“ zu produzieren.
2009 ( zwei Monate später) lernte ich den Produzenten Michael Jaspers von den Shampala Studios kennen.
Wir arbeiteten von 2009 bis 2011 an dem Album „Was uns bewegt“.
Heute 2012 ist das Album erfolgreich abgeschlossen und hat unsere Erwartungen übertroffen. Die Reaktionen der Zuhörer sind unglaublich.
Danke an alle Mitwirkenden und Menschen, welche mir ihre wahren Geschichten anvertraut haben!

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